„Ernsthafte Gefahr für Deutschland“ – Reaktionen auf Parteitag der Grünen

Ihre Anhängergemeinde feiert die Grünen für den geschmeidig verlaufenen Parteitag in Bonn. Kritiker hingegen sehen sich in ihren Warnungen bestätigt.
Ricarda Lang, Omid Nouripour, Cem Özdemir und Steffi Lemke nehmen am Grünen-Bundesparteitag teil. AKW
Ricarda Lang, Omid Nouripour, Cem Özdemir und Steffi Lemke nehmen am Grünen-Bundesparteitag teil.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 17. Oktober 2022

Der Parteitag der Grünen am vergangenen Wochenende in Bonn dürfte einer der friktionsfreisten in der Geschichte dieser politischen Formation gewesen sein. Selbst in der Zeit ihrer ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene war dies kein Normalfall. Diesmal aber flogen weder Farbbeutel auf die Außenministerin noch verliefen sonstige Debatten auch nur am Rande irgendeines Tumults.

Parteitag will Antworten liefern, wo „die Welt in Frage steht“

Was die Partei offenbar in den Jahren seit der Ära Schröder/Fischer gelernt hat, ist das Verkaufen ihrer Positionen – auch in deren Situationselastizität. Kritiker würden es möglicherweise „Gaslighting“ nennen. Allerdings macht dies eine noch größere Zahl an Medien der Partei nicht allzu schwer als noch zwischen 1998 und 2005.

Entsprechend selbstbewusst traten die Ökosozialisten nach einem knappen Jahr Ampelkoalition auf. „Wenn die Welt in Frage steht: Antworten“ lautete das Motto des Parteitages – denn auf die der Grünen, so die Botschaft, wartet diese.

Damit auch nicht der Anflug eines Zweifels aufkommen kann, versäumen die führenden Köpfe der Partei keine Gelegenheit, deutlich zu machen, wo das moralisch Gute steht. „Wir tragen diesen Staat, diese Gesellschaft“, macht Parteisprecher Omid Nouripour deutlich. Man habe weder den Krieg noch teure Energiepreise gewollt, betont Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.
Und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck macht deutlich, dass das gesamte Land vor der Entscheidung zwischen dem Weg der deutschen Grünen und jenem Moskaus steht:

Wir werden Anfeindungen erleben, weil wir für alles stehen, was Putin und seine deutschen Trolle hassen.“

Kernkraft-Beschluss zeigt „Kompromissbereitschaft“

Dass es der Partei gelingt, ihre Positionen als solche der Vernunft und des Pragmatismus zu zeichnen, liegt nicht zuletzt an der Wahrnehmung in der öffentlichen Meinung. Die Reaktionen deutscher Medien auf die Parteitagsbeschlüsse bestätigen dies einmal mehr.

„Die Grünen folgen dem pragmatischen Kurs“, heißt es auf der Website der „Tagesschau“. Dies treffe sogar auf die Parteijugend zu. Diese sei „selbstbewusst, zugleich zielorientiert und kompromissbereit“.

Auch das ZDF weist auf die „Kompromissbereitschaft“ der Partei mit Blick auf die Versorgungssicherheit hin. Der Beschluss, zwei Kernkraftwerke statt bis zum Jahresende nunmehr bis Mitte April 2023 laufen zu lassen, wird zum schmerzvollen Opfer im Dienste der Allgemeinheit. Nun sei es an der FDP, das zu würdigen.

„Welt“ sieht Grüne auf einem richtigen Weg

Claus Christian Malahn sieht in der bürgerlichen „Welt“ die Grünen im Regierungsgeschäft sogar „aufblühen“. Dies zeige sich nicht zuletzt in der einhelligen Unterstützung der Lieferung von „Waffen, die Menschenleben retten“ (Nouripour). Die Partei habe bei den Landtagswahlen des Jahres weniger von einer geringeren Wahlbeteiligung oder Verschiebungen im linken Lager profitiert. Vielmehr gewinne sie als Folge einer „pragmatischen“ Politik:

Je mehr sich die Grünen im laufenden Regierungsjahr von ihrem Programm emanzipiert haben, desto besser waren die Umfragen und Wahlergebnisse. Drei Landtagswahlen 2022, dreimal historisch beste Ergebnisse, dreimal Regierung. Besser kann es kaum laufen.“

Auch sein Kollege Peter Huth sieht bis auf einige in einer „Traumwelt“ verharrende Mitglieder und Milieus die Partei auf einem richtigen Weg. Er vergleicht sie gar mit der Schröder-SPD, als diese mit den Hartz-Reformen das Prinzip „Fördern und Fordern“ verankerte.

Auf globaler Ebene und auch in Deutschland: die antifreiheitlichen Kräfte rechts und links warten nur auf Blackouts und weiter steigende Kosten, um ihren Hass auf den Staat als Volksbewegung zu inszenieren. Dagegen stehen die Grünen, die Staatspartei geworden sind.“

Es bedürfe jedoch der Wachsamkeit, damit es nicht – ähnlich wie jetzt in der Sozialpolitik der SPD – zu einem Zurückrudern komme.

Frauenfeindlicher Song läuft auf Party zum Parteitag

Etwas kritischer sah der „Focus“ den Parteitag. Zwar wertete auch er die Beschlüsse zu Waffen und Kernkraft als Ausdruck „knallharter Realpolitik“. Allerdings nimmt er Anstoß an der Zustimmung zu der Lieferung deutscher Ausrüstungsteile nach Saudi-Arabien – und an einer Showeinlage.

Am Samstagabend betätigte sich Parteichef Nouripour als DJ während einer Party und spielte unter anderem den 1990er-Hit „Jump Around“ von „House of Pain“. In dessen Text wird neben Gewalt allgemein speziell solche gegen Frauen verherrlicht, und neben diesen werden auch Polizisten herabgewürdigt. Der „Focus“ dazu:

Der Song läuft seit vielen Jahren auf Partys rauf und runter und man kann trefflich darüber streiten, ob man ihn wegen dieser wenigen Sätze nicht bei einem x-beliebigen privaten Fest spielen darf. Doch dass er bei einer offiziellen Fete der Bundesgrünen im Jahre 2022 dieser Song läuft, sich erkennbar viele daran erfreuen und sogar der Parteichef begeistert dazu tanzt, ist befremdlich.“

Immerhin habe dieser doch nur Stunden zuvor noch erklärt: „Menschenrechte sind Frauenrechte.“

„Bild“ sieht „gewaltige Risiken für Wirtschaft und Bevölkerung“

Die „Bild“-Zeitung sieht den Kernkraft-Beschluss auf dem Parteitag wiederum nicht als Ausdruck von Pragmatismus und staatspolitischen Verantwortungsbewusstseins. Er sei vielmehr ein Beharren auf einer ideologischen Position, die ohne Rücksicht auf die Bevölkerung durchgezogen werde.

Deutschland habe mit historisch hohen Strompreisen und einer „schwelenden Blackout-Gefahr“ zu kämpfen. Tatsächlich wäre es daher pragmatisch und verantwortungsvoll, mehr Kernkraftwerke am Netz zu haben, und das für einen deutlich längeren Zeitraum.

Unter Berufung auf Experten erklärt das Blatt:

Der Grünen-Parteitag birgt gewaltige Risiken für Wirtschaft und Bevölkerung. Bleibt Deutschland auf dem Grünen-Kurs, drohen kurz- und langfristige Schäden, die kaum wiedergutzumachen sind.“

Im „Cicero“ attestiert Jens Peter Paul der Partei „Selbstzufriedenheit, Selbstgerechtigkeit, Selbstliebe, Selbstbewusstsein und Selbstbeweihräucherung“. Mit ihrem Kernkraft-Beschluss legten die Grünen ihren eigenen Minister an die Leine und machten eine sachgerechte Lösung im Bereich der Stromversorgung unmöglich:

Wer glaubt, mit nicht einmal zehn Prozent Unterstützung der Wahlberechtigten auf Bundesebene ein Industrieland komplett umkrempeln und gezielt verarmen zu können, hat etwas ganz Entscheidendes nicht begriffen: Irgendwann fällt sogar den geduldigsten Deutschen auf, dass hier etwas ganz fundamental schief läuft, nicht aus Versehen, sondern mit voller Absicht.“

Parteitag einer „industriefeindlichen, überideologisierten Lehrerzimmerpartei“

Sein Kollege Daniel Gräber sieht ebenfalls wenig Mäßigung, sondern ungebrochenen ideologischen Fanatismus bei den Grünen. Habeck sieht er auf dem Abstellgleis, sollte er nicht den Wünschen der Kernkraftgegner nachgeben. Diese würden auf seine Kosten Annalena Baerbock als Führungsperson forcieren, die sich „als weltgewandte Außenministerin nicht mit den Nöten der mittelständischen Industrie befassen“ müsse.

Die Parteisprecher Nouripour und Ricarda Lang machten deutlich, dass sie die vermeintliche „Hochrisikotechnologie“ der Kernkraft immer noch aus irrationalen Erwägungen heraus bekämpften. Energiemangel und hohe Strompreise seien für sie hingegen vernachlässigbare Größen.

Teilweise wende sich diese Technologiefeindlichkeit sogar gegen von den eigenen Parteigenossen geführten Nuklearsicherheitsbehörden. Dadurch, so Gräber,

wird klar, worin die eigentliche Gefahr besteht: einer industriefeindlichen, überideologisierten Lehrerzimmerpartei die Verantwortung für die Energieversorgung unseres Landes zu übertragen. […] Sie beharren darauf mit einer Rücksichtslosigkeit und Realitätsverweigerung, die für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands eine ernsthafte Gefahr darstellt.“

Luisa Neubauer hört „irgendwo ein Ökosystem weinen“

Auf Twitter sind zum Teil sogar noch heftigere Anschuldigungen an die Adresse der Grünen zu hören. So nimmt ein Nutzer eine Rede Robert Habecks zum Anlass für die Aussage:

Die Aggressivität, die Lügen, der Tonfall, die Indoktrination, die Frenetik… das alles steht denen, die Deutschland schon mal in Schutt und Asche gelegt haben in nichts nach. Unglaublich, es passiert wieder…“

Eine andere Twitter-Userin erklärt:

Jedes Video des Parteitags der Grünen erscheint wie eine Mischung aus Scientology und Sportpalast.“

Doch auch aus einer anderen Richtung kommt Kritik. „Fridays for Future“-Sprecherin Luisa Neubauer gehen die Beschlüsse auf dem Parteitag in Sachen Klima und Energie zu weit. Dies gilt vor allem für die Verlängerung der Laufzeit für zwei Braunkohlekraftwerke – und den damit verbundenen Abriss der Siedlung Lützerath (NRW).

Zwar räumte sie ein, dass der Ausstieg aus Erdgas-, Öl- und Kohle-Energie seit dem „russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“ ein anderer sein müsse als zuvor. Sie verstehe aber nicht, dass neue Infrastruktur zur Nutzung fossiler Energien entstehe – und entsprechende Verträge „im Widerspruch zum Pariser Klimaabkommen“ stünden. Neubauer dazu:

Da wird dann erklärt, dass man sich nicht im Kleinen verkämpfen soll, da sättigt man die Demokratie lieber noch mit einer Runde Öl von Verbrechern, damit die Gesellschaft nicht die Laune verliert für den Klimaschutz. […] Da werden klimafeindliche Entscheidungen so plausibel verteidigt – wenn man still ist, hört man irgendwo ein Ökosystem weinen.“



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