Ex-ARD-Korrespondent Wickert: „Ohne Heimatgefühl droht Deutschland ein ‚Burn-Out‘

In einem interview mit der "Bild" geht der ehemalige ARD-Korrespondent und Buchautor Ulrich Wickert darauf ein, warum wir Deutsche uns dringend mit unserer Identität beschäftigen sollten. Vorbild für ihn sind die Franzosen.
Titelbild
Ulrich Wickert.Foto: Oliver Hardt/Getty Images
Epoch Times1. September 2019

Der frühere Tagesthemen-Sprecher und ARD-Korrespondent Ulrich Wickert (76) geht in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung auf die Frage ein, warum wir Deutsche uns dringend mit unserer Identität beschäftigen sollten.

Wickert, eng durch seine Biografie und eine anhaltene Beziehung mit Frankreich verbunden, zieht dazu einen Vergleich mit den Franzosen.

Die Franzosen würden laut Wickert mehr in sich ruhen, weil sie zu ihrer Identität stünden.

Wenn ich hier sage, dass ich mir das auch für Deutschland wünsche, ernte ich immer Misstrauen“, so Wickert gegenüber der „Bild“.

Jedes Land habe eine nationale Identität, ganz gleich ob wir sie ablehnen oder nicht, so der Ex-ARD-Korrespondent. Ohne sie – und ohne ein Heimatgefühl – könne keine Gesellschaft existieren.

Da müssen wir ran, sonst gerät Deutschland in einen Burn-out“, so der Journalist und Buchautor.

Werte prägen Identität

Auf die Frage, was Identität für ihn bedeute, zitiert Wickert den französischen Historiker Fernand Braudel. Die nationale Identität sei das lebendige Resultat dessen, was die unbeendbare Vergangenheit in aufeinanderfolgenden Schichten geduldig deponiert hätte, so Wickert. Das sei vergleichbar mit den Ablagerungen des Meeres, die mit der Zeit eine Erdkruste bilden.

Für Deutschland seien die Werte, die man aus der französischen Revolution kennt wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für die Identität bedeutsam.

Zu wenig identitätsstiftende Bildung

Deutschland als moderne Nation bestehe laut Wickert nicht aus einem ‚guten‘ und einem ‚schlechten‘ Teil, sondern aus einer Ordnung und Werten, denen sich jeder anschließen kann.

Es sei ein grundsätzliches Problem, dass wir „zu wenig vermitteln, was deutsche Identität ist“.

An unseren Schulen sollte noch viel stärker gelehrt werden, wer wir sind – und zwar quer durch alle Fächer“, so Wickert.

Sonst würden schon junge Menschen den Bezug zu ihrer „kollektiven Identität“ verlieren, so der Politikwissenschaftler.

Wickert kritisiert Abschaffung des Wehrdienstes

Wickert plädiert für ein „soziales Pflichtjahr“ in Deutschland für Jungen und Mädchen nach der Schulzeit.

Es ist ja modern, dass Kinder aus wohl situierten Verhältnissen nach dem Abitur um die Welt reisen, um sich selbst zu finden. Das ist schön für sie, aber auf einer Affenfarm in Namibia lernt man nichts über deutsche Identität.“

Deshalb sei es auch ein Riesenfehler gewesen, den Wehrdienst in Deutschland „ohne Diskussion abzuschaffen.“ Es sei wichtig, sich für sein Land zu engagieren, erst dann würde man sich auch dafür verantwortlich fühlen.

„Westen hat sich bei der Wiedervereinigung, wie eine Kolonialmacht aufgeführt“

Auf die Schwierigkeiten Ostdeutscher sich immer weniger mit dem aktuell herrschenden gesellschaftlichen System zu identifizieren sagt Wickert:

Weil der Westen sich bei der Wiedervereinigung wie eine Kolonialmacht aufgeführt hat. Wenn man viele Dinge nicht versteht, viele Demütigungen erlebt hat und sich nicht willkommen fühlt, wächst die Distanz zur Gesellschaft“, so Wickert weiter.

Um sich mit einem Land zu identifizieren, sei eine Anerkennungskultur Voraussetzung. Das gelte für die Ostdeutschen genauso wie für Gastarbeiter oder Flüchtlinge.

Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik

Aktuell erlebe man in Deutschland ein Versagen des Staates „vor allem im lokalen und regionalen Bereich“, so Wickert. So müsse derjenige, der in der Flüchtlingskrise sagt: ‚Wir schaffen das‘, dafür auch die richtigen Maßnahmen ergreifen.

Die Leute müssten erleben, dass Probleme gelöst würden, so der ehemalige Tagesthemensprecher. (er)



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