Extremistische Parolen auf JA-Wanderung: „Zur Not auf Frauen und Kinder schießen“

Mit einem weiteren Nazi-Skandal sieht sich derzeit die AfD konfrontiert. Undercover-Reporterinnen von RTL dokumentierten extremistische Aussagen von Teilnehmern einer Wanderung der „Jungen Alternative“ (JA) in Sachsen.
Ein Mitglied der «Jungen Alternative» (JA) trägt auf einer Wahlkampfveranstaltung in Dortmund eine Fahne mit dem Logo der Organisation.
Ein Mitglied der Jungen Alternative (JA) trägt auf einer Wahlkampfveranstaltung in Dortmund eine Fahne mit dem Logo der Organisation.Foto: Alex Talash/dpa
Von 15. Februar 2024

Zu mehreren rechtsextremistischen Äußerungen ist es einem Bericht des Fernsehsenders RTL zufolge bei einer Veranstaltung der Jungen Alternative (JA) in Sachsen gekommen. Bereits am 19. November des Vorjahres sollen Teilnehmer einer sogenannten Heldenwanderung in Bautzen diese gegenüber zwei Undercover-Reporterinnen des Senders getätigt haben.

Die JA ist die Nachwuchsorganisation der AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sie im Vorjahr als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln hat einen dagegen gerichteten Eilantrag der Organisation Anfang des Monats abgewiesen.

Bericht über JA-Wanderung stützt sich auf Gedächtnisprotokoll

Zwei Reporterinnen von RTL hatten sich im Kontext der Veranstaltung der JA Oberlausitz als Interessierte ausgegeben. Sie setzten während der Dauer der Wanderung, die unter anderem zum Taucherfriedhof Bautzen führte, eine versteckte Kamera ein.

Die Ergebnisse ihrer Recherche legten sie unter Berufung auf ein „Gedächtnisprotokoll“ dar. Aufgezeichnete Originaltöne sind in der Reportage nicht zu hören, die Gesichter sind unkenntlich gemacht. Auf der Grundlage des Gedächtnisprotokolls ordnen die Reporterinnen Aussagen bestimmten Personen zu – und den jeweiligen Zeitpunkten und Orten ihrer Äußerung.

Angaben über Funktionen der Teilnehmer in AfD oder JA sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der wesentliche gegen die Jugendorganisation gerichtete Vorwurf in dem Bericht besteht darin, dass anwesende Funktionäre auf die Äußerungen nicht reagiert hätten.

„Von unserer Seite muss es dann eine gewisse Gewaltbereitschaft geben“

Dem Bericht zufolge soll bereits kurze Zeit nach Beginn der Wanderung ein Teilnehmer gegenüber den Undercover-Reporterinnen antisemitische Aussagen getätigt haben. Er habe demnach Verständnis dafür geäußert, dass Juden „seit 4.000 Jahren gehasst“ würden. Juden solle, so der Teilnehmer, „eine Gegend, wo die alle hinkommen“, zugewiesen werden.

Zu einem anderen Zeitpunkt sollen Teilnehmer die Auffassung geäußert haben, Menschen mit Migrationshintergrund sollten in Gettos interniert werden. Es solle „ein Wohn- und ein Arbeitsghetto geben“ mit streng kontrolliertem Ausgang. Die Verpflegung sollte so knapp gehalten werden, dass die Betroffenen eines Tages von sich aus freiwillig „in das Land ihrer Vorfahren zurückgehen“ würden.

Auf den Einwand, dass mit Maßnahmen dieser Art ein Aggressionspotenzial geschürt werde, erklärte der Teilnehmer, dies sei auch beabsichtigt. Ausschreitungen könnten dem Staat dann den Vorwand für ein gewaltsames Vorgehen liefern.

Dazu, so hieß es dem Protokoll zufolge weiter, müsse es dann „von unserer Seite eine gewisse Gewaltbereitschaft“ geben. Als Staat müsse man „Freiwillige suchen, die auch zur Not bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen“.

An anderer Stelle war die Rede von „Tribunalen gewählter Laienrichter“, die „Verbrecher, die sich am Eigentum des Volkes vergangen haben“, zum Tode zu verurteilen. Ins Visier sollte demnach beispielsweise Olaf Scholz geraten.

JA wittert V-Leute in den eigenen Reihen

Der Politologe Johannes Varwick von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sieht in den unwidersprochenen Äußerungen einen Beweis für eine fortgeschrittene Radikalisierung der AfD. Die JA sei dabei „die Speerspitze der Radikalen“.

Es sei in einer Demokratie legitim, eine Begrenzung der Einwanderung zu fordern oder die Zahl bereits hier lebender Ausländer zu beklagen. Millionen Menschen die Legitimität abzusprechen, hier zu leben, auch wenn sie einen deutschen Pass hätten, sei jedoch ein „Ticket in den Bürgerkrieg“.

AfD und JA distanzierten sich auf Nachfrage von RTL von verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Aussagen, die in dem Bericht angesprochen waren. Die Jugendorganisation behauptete, ohne dafür belastbare Beweise vorlegen zu können, V-Leute des Verfassungsschutzes wären in die Angelegenheit involviert.

Seit der Einstufung der JA als „gesichert rechtsextremistisch“ seien die Hürden für den Inlandsgeheimdienst niedriger, sich nachrichtendienstlicher Mittel zum Zwecke der Informationsbeschaffung zu bedienen.

Was dürfen Vertrauensleute von Sicherheitsbehörden?

Der Einsatz von V-Leuten wäre eine dieser Maßnahmen. Die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder enthalten die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage. Auf V-Leute bauen Verfassungsschutzbehörden, aber auch andere Sicherheitseinrichtungen, vorwiegend dann, wenn ein Beobachtungsobjekt vorwiegend klandestin operiert. Ob das im Fall der JA zu bejahen ist, ist zumindest fraglich.

Der Verfassungsschutz verspricht sich von V-Leuten, leichter an interne Informationen aus Führungskreisen zu gelangen, die gegenüber der Öffentlichkeit zurückgehalten werden. Die Vertrauenspersonen sollen Informationen sammeln und müssen dazu häufig Vertrauen aufbauen. Jedoch dürfen sie dem Gesetz nach nicht selbst strafbare Handlungen begehen oder illegale Aktivitäten initiieren oder billigen.

In der Praxis sieht dies häufig anders aus. V-Leute gelten grundsätzlich als eingeschränkt vertrauenswürdig und ihre Angaben bedürfen der Überprüfung. Immerhin handelt es sich bei ihnen nicht um Behördenmitarbeiter, sondern um Personen, die der beobachteten extremistischen Gruppierung selbst angehören. Aus unterschiedlichen Gründen entschließen sie sich jedoch dazu, gegen Geld ihre eigenen Mitstreiter zu verraten.

Einsatz für den Verfassungsschutz nicht immer zielführend

Für den Verfassungsschutz ist der Einsatz von V-Leuten in vielen Fällen günstiger und Erfolg versprechender als Maßnahmen wie eigene Recherche oder Überwachungen. Dies gilt etwa dann, wenn die Zielobjekte häufig Aufenthaltsorte wechseln – was etwa Abhörgeräte ineffizient machen würde.

Gleichzeitig muss der Verfassungsschutz, wenn er auf die Ehrlichkeit seiner V-Leute vertraut, deren Spiel mitspielen. Dies hat zu Fällen beigetragen, in denen dieses Geld des Verfassungsschutzes zur Anfertigung besonders abstoßenden Propagandamaterials genutzt werden konnte – oder Impulse in Richtung Radikalisierung setzte. Im günstigsten Fall nutzten die V-Leute diese Chancen tatsächlich nur, um in der Szene an Bedeutung zu gewinnen. In weniger günstigen Fällen liefen sie aus dem Ruder.

V-Leute mehrfach in Skandale verwickelt

Einige Fälle sind dokumentiert, in denen V-Leute des Verfassungsschutzes das Anliegen der Behörde konterkariert haben. So soll der jahrelang als Top-Informant geführte Neonationalsozialist Tino Brandt mit Geld vom Verfassungsschutz Strukturen der Szene in Thüringen massiv ausgebaut haben. Die Effizienz der Quelle ließ zu wünschen übrig. Obwohl er lange Jahre engen Kontakt zu den späteren Mitgliedern des NSU-Terrortrios hatte, will der Verfassungsschutz von Brandt nichts über deren Schicksal erfahren haben. Brandt selbst behauptet, es sei sogar Behördengeld an diese geflossen.

Erst 2020 wurde ein Fall bekannt, wonach eine islamophobe Tschechin ein Doppelleben führte. Als vermeintliche Salafistin diente sie sich in Bayern dem Verfassungsschutz an und spionierte auf dessen Kosten Moscheen aus. Später soll sie für die AfD gearbeitet haben.

Bisweilen erwies sich der Einsatz von V-Leuten in der rechtsextremen Szene für den Staat sogar als Eigentor. Der frühere NPD-Funktionär Wolfgang Frenz war beispielsweise 36 Jahre als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig und soll insgesamt 1,6 Millionen D-Mark (circa 818.000 Euro) eingenommen haben. Seine Enttarnung löste eine Serie weiterer Outings führender Funktionäre der Partei als V-Personen aus – was am Ende zum Scheitern eines Verbotsverfahrens führte.

Auftrag, Gepose oder Überzeugung? AfD und JA wollen personelle Konsequenzen prüfen

Belastbare Indizien dafür, dass es sich bei den Aussagen vor den versteckten Kameras der RTL-Reporterinnen um eine Inszenierung handelt, vermag die JA jedoch nicht zu präsentieren. Auch gibt es offenbar keine erhärteten Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Teilnehmern, von denen die Aussagen stammen, tatsächlich um V-Leute handelt.

Vor diesem Hintergrund ist es ebenso möglich, dass die aufgezeichneten Äußerungen der tatsächlichen Überzeugung der Anwesenden entsprachen – oder diese möglicherweise auch nur den jungen Frauen durch besonders markantes Auftreten imponieren wollten. Allerdings hatten ausgetretene Mitglieder bereits vor drei Jahren darauf hingewiesen, dass extremistische Äußerungen in internen Chatgruppen der JA keine isolierten Phänomene gewesen seien.

Als auffällig erscheint jedoch auch, dass – ähnlich wie im Kontext des sogenannten Geheimplan-Treffens – eine Veranstaltung vom November des Vorjahres erst mit monatelanger Verspätung ihren Weg in die bundesweite Medienberichterstattung findet. Wie der „Focus“ berichtete, war das Bundesamt für Verfassungsschutz zumindest über das Treffen mit dem „Aktivisten“ Martin Sellner schon frühzeitig informiert. Der Hinweis sei von der österreichischen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gekommen, die Sellner als Rechtsextremisten einstuft und beobachtet.

AfD und JA erklärten gegenüber dem Fernsehsender, prüfen zu wollen, wer die in Rede stehenden Aussagen getätigt haben könnte. Erforderlichenfalls werde es in weiterer Folge „personelle Konsequenzen“ geben.

 



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