Missbrauchsfälle bei Hamburger Nordkirche: Imagepflege statt Aufklärung?

Die evangelische Kirche Hamburg ergreift Maßnahmen zum Thema Missbrauch. Die umgesetzten Regelungen werden von einer ehemaligen Kommission, die die Missbrauchsfälle untersucht hatte, kritisiert.
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Evangelische KircheFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times1. April 2019

Sexueller Missbrauch durch amtliche Würdenträger fand nicht nur in katholischen Kirchen statt, auch wenn diese Momentan im Fokus stehen. 114.000 Menschen waren dort vom Missbrauch betroffen. Eine aktuelle Untersuchung der Universität Ulm stellte laut „TAZ“ jetzt fest, dass ebenso viele Missbrauchsfälle auch bei der evangelischen Kirche auftraten

Im November 2018 stellte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs, Sprecherin des fünfköpfigen Beauftragtenrats zum Thema Missbrauch der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf der EKD-Synode einen Plan zur Prävention vor. Die Errichtung einer zentrale Anlaufstelle für Betroffene steht auf dem Programm.

„Persönliche Verstrickungen“

2010 wurden Verdächtigungen gegen einen Ahrensburger Pastor laut. Er soll in den 70er und 80er Jahren mehrere Jugendliche sexuell missbraucht haben. Das Personaldezernat hatte ihn als Seelsorger in ein Jugendgefängnis versetzt. Nachdem dies an die Öffentlichkeit geraten war, trat Bischöfin Maria Jepsin zurück.

Zu diesem Sachverhalt legte eine von der Nordkirche beauftragte vierköpfige unabhängige Kommission 2014 einen 500-seitigen Bericht vor. Ursula Enders, die in der Kommission mitarbeitete, erinnert sich:

Die Untersuchungsergebnisse wollten wir der Ahrensburger Gemeinde vorstellen“, sagt sie.

Doch eine Terminabstimmung gab es nicht. Stattdessen wurde der Gemeinde erzählt, dass die Kommission keine Zeit hätte. Auch bei der Vergabe von Entschädigungen spricht sie von „persönlichen Verstrickungen“.  In der Kommission saßen unter anderem Bischöfin Kirsten Fehrs und eine Psychotherapeutin, die zugleich Arbeitgeberin eines Betroffenen war.

Staatsanwaltschaft wird nicht einbezogen

Fehrs legte einen „Zehn-Punkte-Plan“ vor, der die Einrichtung einer externen Anlaufstelle für Betroffene vorsah. Im März 2018 folgte das durch die Synode der Nordkirche beschlossene kirchliche Präventionsgesetz. Demgemäß sind Meldebeauftragte bei Verdachtsfällen zu informieren.

„Bei Verdachtsfällen wird sofort die Staatsanwaltschaft eingeschaltet“, sagt Susanne Gerbsch, Sprecherin der Nordkirche. Im nächsten Satz revidiert sie: Manche Betroffene sehen davon ab und wollen das absolut nicht. 50 Betroffene haben sich gemeldet, in 95 Prozent der Fälle habe man sich auf Unterstützungsleistungen geeinigt.

Ursula Enders, die gleichzeitig Leiterin der Kölner Beratungsstelle „Zartbitter“ ist, gibt zu bedenken:

Die externe Anlaufstelle hat keine ausreichende Autorität, Strukturen in der Kirche zu verändern. Statt zentrale Vorschläge der Kommission umzusetzen, hat die Nordkirche den Bericht zur Imagepflege genutzt.“

Anselm Kohn, Betroffener und Gründer der Initiative „Missbrauch in Ahrensburg“ spricht von einer „Farce“. Für ihn steht fest:

Die Kirche ist Täter und Täterorganisation und will zugleich Aufklärer, Seelsorger und Richter sein.“

(sua)

Missbrauch in der evangelischen Kirche – Täter als Richter



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