Lindner: Deutschland attraktiv für Einwanderung ins Sozialsystem, nicht in den Arbeitsmarkt

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat erklärt, dass Deutschland bisher zwar für Einwanderung in den Sozialstaat attraktiv sei, jedoch nicht ausreichend Anreize für den Arbeitsmarkt biete. Um diesem Missverhältnis entgegenzuwirken, schlägt er die Einführung eines Einkommensteuerrabatts als geeignete Maßnahme vor.
Laut Bundesfinanzminister Christian Lindner ist mit der Strompreis- und die Gaspreisbremse zum Jahresende Schluss.
Bislang sei Deutschland „vielleicht attraktiv für die Einwanderung in den Sozialstaat, aber nicht in den Arbeitsmarkt“, sagte Finanzminister Lindner auf einer Veranstaltung.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 8. April 2024

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) möchte Fachkräfte aus dem Ausland mit einem Steuerrabatt anlocken. „Warum nicht einige Jahre befristet reduzierte Steuerlast für diejenigen, die einen Arbeitsplatz in Deutschland aufnehmen“, sagte Lindner auf einer Veranstaltung der wirtschaftsnahen Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung in Berlin. 

Weiter wies der Bundesminister darauf hin, dass Deutschland bis jetzt „vielleicht attraktiv für die Einwanderung in den Sozialstaat, aber nicht in den Arbeitsmarkt“ sei. Lindner verwies auf Themen wie Steuern und Abgaben, das Bildungssystem, die Infrastruktur und die Digitalisierung der Verwaltung. Deutschland sei für Fachkräfte unter diesen Aspekten weniger attraktiv als manche glaubten.

Deutschland für Fachkräfte kein begehrtes Ziel

Bundesfinanzminister Lindner könnte dabei an seine Reise vor einem Jahr in Ghana gedacht haben. Damals ging auf der Plattform X ein Video viral, was viel über die Attraktivität Deutschlands Landes für ausländische Fachkräfte aussagte. 

Auf Englisch zählte der FDP-Politiker damals in einem Vortrag an der Universität in Accra, Ghanas Hauptstadt, die Bereiche auf, in denen händeringend Fachkräfte gesucht werden. Man könne in der Industrie arbeiten, in der IT oder im öffentlichen Dienst. Dann fragt der Finanzminister: „Bitte heben Sie Ihre Hand: Für wen wäre das eine Option?“ Kurze Stille, keine Hand geht hoch. Nach einem verlegenen „Okay“ von Lindner gehen zögerlich ein paar Hände hoch. Christian Lindner rettet sich mit dem Witz, dass er die Telefonnummern und E-Mail-Adressen der skeptischen Freiwilligen höchstpersönlich einsammeln werde. Alle lachen. Lindner schaut sich etwas verdutzt um, dass das Interesse an Deutschland für Fachkräfte nicht sehr hoch zu sein scheint. „Nur so wenige?“, fragt er überrascht.

Viele europäische Staaten haben Steuerrabatt für Ausländer

Mit dem Vorschlag eines Einkommensteuerrabatts möchte Lindner Deutschland nun offenbar attraktiver für Fachkräfte aus dem Ausland machen. Viele europäische Staaten hätten einen solchen Rabatt, Deutschland bislang bisher nicht, so Lindner.

Offen ließ der FDP-Chef, inwieweit ein solcher Rabatt Teil des „Dynamisierungspakets“ für die Wirtschaft sein könnte, das SPD, Grüne und FDP bis Sommer ausarbeiten wollen. Derzeit werde an den Details gearbeitet, sagte das Bundesfinanzministerium auf Nachfrage der „Welt“. Man prüfe gegenwärtig die Übertragbarkeit von Modellen anderer Länder auf Deutschland, heißt es weiter. 

In den Niederlanden gibt es etwa die sogenannte „30-Prozent-Regel“. Nach dem im Nachbarland geltenden „Expat-Tax-Regime“ kann ein Arbeitgeber ausländische Fachkräfte mit einer steuerfreien Zulage bis zu 30 Prozent anlocken. Voraussetzung: Das Potenzial ist auf dem niederländischen Markt so nicht oder selten zu finden. 20 Monate kommen Fachkräfte aus dem Ausland dann in den Genuss des Steuerrabatts. Danach fällt der Rabatt für die nächsten 20 Monate auf 20 Prozent. Zum Schluss kann der Arbeitnehmer noch 20 weitere Monate zehn Prozent Steuerrabatt geltend machen. 

Einen etwas anderen Weg geht Österreich. In der Alpenrepublik können Fachkräfte, die für eine begrenzte Zeit ins Land kommen, bis zu 10.000 Euro als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Begründet wird dieser Vorteil mit höheren Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung. 

Die Europäische Union hingegen sieht den Steuerwettbewerb schon seit Langem kritisch. Schaut man auf die Website der Europäischen Kommission, scheint es nur die schädliche Form des Steuerwettbewerbs zu geben. Seit Jahren arbeitet man daher an der Vereinheitlichung der Steuergesetzgebung der EU-Staaten. Mit bisher mäßigem Erfolg: Am Ende müssten alle 27 Mitgliedstaaten bereit sein, sich auf eine einheitliche Steuerpolitik zu einigen. Das gelang bisher nicht.

Schon im Sommer 2021 hatte Steuerkommissar Paolo Gentiloni eine EU-Beobachtungsstelle für Steuerfragen (Tax Observatory) eröffnet. Deren Leiter, der französische Ökonom Gabriel Zucman, sagte damals laut der FAZ, er wolle Ideen für den Kampf gegen Steuervermeidung liefern, wenn dieser politisch erwünscht sei. „Steuerwettbewerb ist nichts Gottgegebenes, er ist eine politische Option unter mehreren.“

Kurze Zeit nach der Eröffnung legte die Beobachtungsstelle eine umfangreichere Studie vor. Darin wurde die Hauptthese vertreten, dass die EU-Staaten ihre „Wettbewerbsparameter“ im Steuerwettbewerb verändert haben. Der Fokus liege nun weniger auf allgemeinen Steuersätzen, sowohl in der Körperschafts- als auch in der Einkommensteuer, sondern vielmehr darauf, die Steuerbasis für bestimmte, insbesondere ertragsstarke oder einkommensstarke Zielgruppen gezielt zu verringern, häufig auf sehr selektive Weise. Dieses Muster von „Steuerdeals“ für einzelne Unternehmen oder Gruppen sei bereits aus der Unternehmensbesteuerung bekannt.

Die Studie zeigt weiter, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten darauf setzen, nicht nur lukrative Unternehmen durch steuerliche Anreize anzulocken, sondern auch wohlhabende Privatpersonen. In 15 untersuchten EU-Ländern identifizierten die Autoren maßgeschneiderte Steuersysteme, die ausländische Spitzenverdiener anziehen sollen – darunter Topmanager, Kulturschaffende, Wissenschaftler und Sportstars. Selbst wohlhabende Rentner sind in einigen Ländern als Zielgruppe im Fokus.

Scholz lobt Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Die Veranstaltung der Hayek-Stiftung fand statt anlässlich des Jubiläums zum 80. Jahrestag von „Wege in die Knechtschaft“, dem bekanntesten Werk des österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek.

Dort hatte auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über das Problem des Fachkräftemangels gesprochen. Arbeitskräftemangel sei das größte Wachstumshemmnis. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtet, verwies der Kanzler in diesem Zusammenhang auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Die Regierung habe für das „modernste Einwanderungsgesetz der Welt“ gesorgt, so Scholz.

Durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz können Menschen aus Drittstaaten bereits dann in Deutschland arbeiten, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Berufs- und Hochschulabschluss haben. Eine in Deutschland anerkannte Ausbildung ist nicht nötig.

Gesetz ohne „große Durchschlagkraft“

Der Erfolg des Gesetzes wurde allerdings schon kurz nach Inkrafttreten angezweifelt. So sagte Dr. Wido Geis-Thöne, Senior Economist für Familienpolitik und Migrationsfragen am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gegenüber dem MDR, dass er insbesondere in der sogenannten Chancenkarte keine „große Durchschlagkraft“ sehe.

„Länder wie Kanada, Australien und Neuseeland verfahren bereits ähnlich. Jedoch wird dort mit den Punktesystemen ein dauerhafter Aufenthaltstitel vergeben, wohingegen in Deutschland in diesem Kontext nur ein Visum zur Arbeitsplatzsuche ausgestellt werden soll“, erläutert der Experte. Da ein begrenzter Aufenthaltstitel für zuwanderungsinteressierte Fachkräfte weit weniger interessant ist, so Geis-Thöne, sei damit zu rechnen, dass über die Chancenkarte letztlich nur sehr wenige Personen ins Land kommen werden.



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