Flugverkehr in Deutschland lahmgelegt: „Kein Warnstreik mehr“

Um die Warnstreiks an den Flughäfen ist nach Forderungen aus der Arbeitgeberschaft und der Politik, das Streikrecht einzuschränken, ein Streit entbrannt.
Warnstreik am Flughafen Leipzig/Halle -  aufgerufen sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, der Bodenverkehrsdienste sowie der Luftsicherheit an sieben Flughäfen quer durch die Republik.
Warnstreik am Flughafen Leipzig/Halle – die Gewerkschaft möchte Druck auf Arbeitgeber machen.Foto: Tobias Junghannß/dpa-Zentralbild/dpa
Von 26. Februar 2023

Für den kommenden Montag hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi weitere Streiks an den Flughäfen angekündigt. Betroffen von den Maßnahmen werden die Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf sein.

Verdi weitet damit kurz vor Beginn der zweiten Verhandlungsrunde die Warnstreiks aus. Hintergrund sind einerseits die Verhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen, zum anderen örtliche Verhandlungen für Beschäftigte der Bodenverkehrsdienste sowie die bundesweiten Verhandlungen für die Beschäftigten der Luftsicherheit. Für alle drei Beschäftigtengruppen werden zurzeit Tarifverhandlungen geführt. Verdi fordert eine Erhöhung der Gehälter um 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro monatlich – bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Die Gewerkschaft verhandelt zusammen mit der Gewerkschaft der Beamten, dem Beamtenbund dbb, und für weitere Gewerkschaften. In dem Konflikt geht es um die Bodenverkehrsdienste, um die Luftsicherheit und zudem um 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die teilweise auch an den Flughäfen arbeiten. Und sie alle sind offenbar sehr entschlossen, ihre Forderung durchzusetzen.

Angebot der Arbeitgeber „respektlos“

„Die Beschäftigten machen gemeinsam Druck auf die jeweiligen Arbeitgeber, weil in den bisherigen Verhandlungen keine Ergebnisse erzielt werden konnten“, sagt die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle.

In der vergangenen Woche hatten die Arbeitgeber für den öffentlichen Dienst ein erstes Angebot vorgelegt. Sie boten eine Lohnerhöhung von drei Prozent zum 1. Oktober 2023 und zwei Prozent zum 1. Juni 2024 über eine Laufzeit von 27 Monaten an. Dazu kommt eine Inflationsausgleichsprämie in zwei Raten von 1.500 und 1.000 Euro. „Das Angebot der Arbeitgeber sorgt, was Höhe, Laufzeit und den fehlenden sozialen Ausgleich betrifft, bei den Kolleginnen und Kollegen für Enttäuschung und Ablehnung“, kommentiert Verdi-Vorsitzender und Verhandlungsführer Frank Werneke das Angebot in Potsdam nach den Tarifverhandlungen vom letzten Donnerstag. Man empfinde das Angebot als „respektlos“ und werde sich damit nicht abfinden. Weiter kündigte Werneke an, dass man nun die Warnstreiks ausweiten werde.

„Wir gehen an die Grenze des Machbaren“

Die Arbeitgeberseite machte schon im Vorfeld deutlich, dass ihnen das Angebot nicht leicht gefallen ist. Der stellvertretende Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Wolf-Rüdiger Michel, sagte dazu:

Wir gehen mit dem heute unterbreiteten Angebot an die Grenze des Machbaren. So ergibt sich allein aus dem Inflationsausgleichsgeld und der Entgelterhöhung beispielsweise für einen Müllwerker ein Plus von etwas mehr als 12 Prozent. Eine Pflegefachkraft kommt auf ein Plus von 10,8 Prozent. Das ist für die Beschäftigten eine deutliche Verbesserung der Einkommenssituation.“

VKA-Präsidentin Karin Welge wies noch einmal auf den Kostenfaktor hin:

Am Ende hat das Angebot ein Volumen von rund 12 Prozent und würde die Arbeitgeber mehr als 11,7 Milliarden Euro kosten. Das ist kein Pappenstiel.“

Mit dem Inflationsausgleichsgeld schaffe man eine schnelle, unmittelbare und deutliche Entlastung für die Beschäftigten. Gleichzeitig hätte man mit der angebotenen Laufzeit die für die Arbeitgeber so notwendige Planungssicherheit. „Nun sind die Gewerkschaften am Zug, sich gemeinsam mit uns auf den Weg zu einer schnellen Tarifeinigung zu machen. Nicht nur fordern, sondern auch liefern“, so Welge.

Arbeitgeber fordern Einschränkung des Streikrechts

Dass die Gewerkschaften schon in einem sehr frühen Stadium des Arbeitskampfes Warnstreiks durchgeführt hatten, hatte zu einer öffentlichen Diskussion geführt.

So war vor allem von der Arbeitgeberseite kritisiert worden, dass die Gewerkschaften – schon vor Beginn der ersten Verhandlungsrunde – deutschlandweit sieben Flughäfen bestreikten. Auf dem größten deutschen Flughafen Frankfurt/Main musste der Betrieb fast gänzlich eingestellt werden, ebenso in München und Hamburg. Insgesamt waren dem Verband der Flughäfen zufolge mehr als 2.400 Flüge mit annähernd 300.000 Passagieren betroffen.

Von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kam scharfe Kritik an der Arbeitsniederlegung. „Ein Streik, der den Flugverkehr in Deutschland zum Erliegen bringt, ist kein Warnstreik mehr“, kritisierte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter in den Zeitungen des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (RND).

Der Warnstreik habe zu erheblichen Folgeproblemen geführt. „Fluggesellschaften und Passagiere wurden für überzogene Streikziele in Geiselhaft genommen“, so Kampeter weiter. Es seien beispielsweise hohe finanzielle Kosten entstanden. „Gerade in dieser geopolitisch und wirtschaftlich komplizierten Lage muss die Balance gehalten werden.“

Kampeter brachte weiter eine Begrenzung des Streikrechts ins Spiel. „Dieser Ausstand macht einmal mehr deutlich: Unser Arbeitskampfrecht wird zunehmend unberechenbar“, sagte Kampeter. Gesetzliche Regelungen seien daher überfällig. „Ein Gesetz, das klar macht, dass Arbeitskämpfe Ausnahmen bleiben sollen, kann auch ein Beitrag zur Stärkung der Tarifbindung sein.“

CDU-Wirtschaftsflügel unterstützt Arbeitgeber

Kritik am Warnstreik der Gewerkschaften auf den Flughäfen kam auch aus dem CDU-Wirtschaftsflügel. So fasste das Präsidium der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) einen Beschluss, der den „Streikrechts-Missbrauch“ verurteilt.

Die Tarifautonomie sei in Deutschland ein hohes Gut. „Das Streikrecht darf aber nicht missbraucht werden, um durch in frühem Stadium von Tarifverhandlungen unverhältnismäßigen Druck auszuüben und durch die Einbeziehung kritischer Infrastrukturen schweren Schaden anzurichten“, heißt es im MIT-Beschluss weiter.

Der CDU-Verband regt deshalb ebenfalls eine Reform des Streikrechts an. So sollen Warnstreiks bei kritischer Infrastruktur wie Flug-, Bahn- und Schiffsverkehr, Energie- und Wasserversorgung und Rettungsdienste nur möglich sein, wenn ein verbindliches Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde. Solche Streiks sollen mindestens vier Tage vor Beginn angezeigt werden müssen und nur zulässig sein, wenn eine Grundversorgung aufrechterhalten werden kann. Voraussetzung für solche Streiks soll eine „Urabstimmung mit mindestens einem Quorum von 50 Prozent der Beschäftigten“ sein.

MIT-Forderung für Verdi „unterste Schublade“

Von der Gewerkschaft Verdi wurden die Vorschläge der Mittelstandsunion zur Einschränkung des Streikrechts umgehend zurückgewiesen. „Die Forderung der CDU-Mittelstandsunion ist unterste Schublade“, sagte Verdi-Chef Frank Werneke den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand aus der Union mit der Forderung kommt, das Streikrecht zu beschneiden.“

Das Streikrecht habe Verfassungsrang. „Es beschneiden zu wollen, ist ein Angriff auf das Grundgesetz.“ Werneke sagte den Funke-Zeitungen weiter, die Möglichkeit zu streiken, sei der einzige Weg für abhängig Beschäftigte, ihre Interessen wirkungsvoll durchzusetzen. „Ansonsten verkommen Tarifverhandlungen zu kollektiver Bettelei. Das mag vielleicht aus der Perspektive der Mittelstandsunion erstrebenswert sein. Aus der Perspektive von Beschäftigten ist das nicht akzeptabel.“

Widerspruch zu MIT-Position auch vom CDU-Sozialflügel

Widerspruch zu den MIT-Forderungen kommt aber auch aus den eigenen CDU-Reihen. So bekennt sich der Sozialflügel, der in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) organisiert ist, ausdrücklich zum Streikrecht. „Wer die Axt an das Streikrecht legt, zerstört eine Säule der Demokratie in Deutschland. Die deutsche Wirtschaft ist dank der Sozialpartnerschaft gut durch vielfältige Krisen gekommen“, so der stellvertretende CDA-Vorsitzende Christian Bäumler. In Richtung MIT wird der CDU-Politiker deutlich: „Die CDA erteilt der Forderung der MIT eine Absage: Wer gute Arbeitsbedingungen schaffen möchte, muss sie im Zweifelsfall erstreiken!“



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