Gefahr aus Brüssel: Stehen alte Biogasanlagen vor dem Aus?

Bei den Verhandlungen in Brüssel zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie ist in den Augen des Fachverbandes für Biogas ein folgenschwerer Fehler passiert. Er könnte für viele Biogasbauern das Aus bedeuten.
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Eine Biogas-Anlage wird erweitert, die sich neben einem Milchviehbetrieb befindet.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 4. April 2023

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Der „Fachverband Biogas“ mit seinen 4.700 Mitgliedern – darunter Betreiber, Hersteller und Planer von Biogasanlagen – sieht im jetzigen Entwurf der neuen EU-Erneuerbaren-Richtlinie aus Brüssel die Gefahr, dass viele Biogasbauern ihre Existenz verlieren.

Holz als förderfähiger Rohstoff, Biogas nicht?

Während Waldbesitzer über den Entwurf erleichtert sind, da Holz als ein förderfähiger erneuerbarer Rohstoff nun doch in die EU-Richtlinie Einzug fand, sehen Biogasanlagenbetreiber düstere Wolken aufziehen.

Denn Bestandsanlagen, also Biogasanlagen, die vor 2021 in Betrieb genommen wurden, sind aktuell von der Minderungspflicht für Treibhausgas (THG) ausgenommen. Entsprechend dem Entwurf zur neuen EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) sollen sie jedoch bereits ab 2026 eine THG-Minderung von 80 Prozent nachweisen.

Das ist in den Augen des Verbandes für viele Betreiber von älteren Biogasanlagen nicht zu stemmen. Auch sieht der Verband damit eine riesige Bürokratie auf die Biogasanlagenbetreiber zukommen. Denn die EU liefert nur Standardwerte zum Treibhausgas für drei Stoffe – Abfall, Gülle und Mais.

Zum Beispiel besitzt Mais die THG-Quote von 70 Prozent. Eine Anlage, die also bisher theoretisch nur Mais zur Produktion von Biogas genutzt hat, erfüllt die nach RED III notwendige 80-prozentige THG-Quote nicht.

Keine Grundlagenwerte aus Brüssel

Für Gülle liegt die THG-Quote bei 200 Prozent – also eine Übererfüllung der THG-Quote der EU von 120 Prozent. Das heißt, eine Biogasanlage, die früher nur Mais nutze, müsste dann ausrechnen, wie hoch der Gülle-Anteil sein muss, um insgesamt auf eine THG-Quote von 80 Prozent zu kommen. Doch Biogasanlagen nutzen in der Regel nicht nur die drei Substrate Abfall, Gülle und Mais, sondern eine Mischung von vielen verschiedenen Substraten wie Raps, Traubentrester, Getreidestäube und so weiter. Für sie gibt es keine THG-Grundlagenwerte aus Brüssel.

„Die Methodik, die seitens der EU vorgegeben wird, ist nach wie vor sehr nahe an den ersten Versionen aus den Jahren 2008/2009 und damit auf die Kalkulation der Minderung bei Biokraftstoffen ausgelegt“, kommentiert der Fachverband Biogas den neuen Entwurf aus Brüssel. Die Berechnung sei bei Biogasanlagen aber deutlich komplexer.

„Sobald andere Stoffe eingesetzt werden, muss der Landwirt selbst rechnen.“ Für familiäre Betriebe sei solch eine Berechnung viel zu komplex, bürokratisch und fehlerbehaftet, so der Fachverband gegenüber Epoch Times.

Ein „rückwirkender Eingriff“

An solch einer Berechnung dürfe keine Vergütungsanforderung geknüpft sein, findet der Verband, zumal bei der Investition diese THG-Anforderungen nicht bekannt gewesen seien. „Es ist damit ein rückwirkender Eingriff“, so die Kritik.

Durch die Zusage auf langjährige EEG-Förderung hätten viele erst die notwendigen Kredite erhalten, um ihre Biogasanlagen zu errichten. Wenn diese Anlagen jetzt durch eine Erhöhung der Anforderungen durch Brüssel Vorgaben für eine EEG-Förderung nicht mehr erfüllen, stehe die ganze Finanzierung vor dem Aus, so der Fachverband weiter.

Zehn Terawatt Energie durch Biogasanlagen

Derzeit erzeugen in Deutschland von den etwa 10.000 Biogasanlagen rund 9.600 Biogasanlagen Strom und Wärme. Dabei wird eine elektrische Leistung von mehr als 5.600 Megawatt produziert. Dadurch könnten mehr als neun Millionen Haushalte (rund 5,4 Prozent des deutschen Stromverbrauchs) versorgungstechnisch mit Strom abgedeckt werden.

Der Fachverband sieht hier eine „Bestrafung“, da die Betreiber von Biogasanlagen in der Vergangenheit – nach dem Willen der Regierung – die Leistung immer weiter erhöht hätten, um flexibel Strom anbieten zu können.

Insgesamt werden jährlich rund 95 Terawattstunden (TWh) Biogas erzeugt. Davon werden rund 85 TWh vor Ort zu Strom und Wärme umgewandelt und rund 10 TWh ins Gasnetz eingespeist. Aktuell unterliegen rund 3.000 Anlagen der RED II und dann auch der RED III, was fast einem Drittel der Anlagen in Deutschland entspricht.

Meistens sind die Betreiber Landwirte oder mit landwirtschaftlichen Betrieben verknüpft. Sie wandeln beispielsweise die Gülle von ihrem Milchvieh zusammen mit Pflanzenresten in Methan um und dann weiter in Strom. Diesen speisen sie abzüglich ihres Eigenverbrauches in das örtliche Stromnetz ein, wofür sie EEG-Gelder erhalten.

Die Lösung wäre für den Fachverband, den Bestand an Biogasanlagen vor 2021 in dieser Hinsicht weiter außen vorzulassen, wie es das EU-Parlament im Herbst noch beschlossen hatte. Eine andere Möglichkeit wäre, die Regelung erst später in Kraft treten zu lassen, beispielsweise ab 2031. „Dann bliebe genug Zeit, die Prozesse so abzustimmen, dass es von Betreibern zu meistern ist.“ Zudem fordert man zusätzliche Standardwerte sowie die Beschränkung von Nachweisverfahren auf ein Minimum.

Der Verband hofft, dass Das-aus-dem-Blick-Verlieren der Bestandsanlagen beim Biogas im RED-III-Entwurf ein Versehen war und die Abgeordneten hinsichtlich der Wirkung der Einigung falsch informiert wurden. Man habe immer wieder auf die Gefahr hingewiesen. Die Bundesregierung müsse in der Umsetzung der RED III jetzt dafür sorgen, dass es nicht zum Kahlschlag bei Biogasanlagen komme.

EEG-Anteil soll in der EU auf 40 Prozent steigen

Zwei Jahre haben die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EU-Rat zu der Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) verhandelt. Vor ein paar Tagen gelang dann der „Durchbruch“, kommentiert das Bundeswirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) den Entwurf. Er sieht eine Erhöhung des erneuerbaren Energien-Anteils EU-weit bis 2030 von bisher 32,5 auf 40 Prozent vor.

Der Entwurf zu RED III muss noch vom Europäischen Parlament und Europäischen Rat formal angenommen werden, damit er in Kraft tritt.



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