„2.000 Euro mehr überfordern niemanden in meiner Gehaltsklasse“

Baden-Württemberg hat jahrelange Erfahrung mit einer grün-geführten Regierungskoalition unter CDU-Beteiligung. Der derzeitige Finanzminister Danyal Bayaz erläuterte im Interview einige seiner Ideen. Auffallend dabei war, dass hinter wohl jedem Ansatz eine ideologische Komponente wartete. Die Klimafrage schien dabei nur Teil eines größeren, diffus bleibenden Ganzen.
Von 9. Oktober 2021

Seit Mai 2011 regiert in Baden-Württemberg der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Was zunächst als rot-grüne Koalition der Zweit- und Drittplatzierten bei der Landtagswahl 2011 begann, wurde 2016 nach Absturz von CDU und SPD bei gleichzeitigem Höhenflug der Grünen und 2021 bei ähnlichen Konstellationen als sogenannte Kiwi-Koalition aus Grünen und CDU fortgesetzt.

Neu im Kabinett Kretschmann III ist Danyal Bayaz, ein deutsch-türkischer Kommunikationswissenschaftler und Unternehmensberater. Der seit 2017 im Bundestag sitzende Grünenpolitiker übernahm das Finanzressort der seit 12. Mai amtierenden neuen Landesregierung. Die „Welt“ sprach mit dem BW-Finanzminister über seine Ideen in dem über 50 Jahre lang CDU-regierten Bundesland im Südwesten Deutschlands.

Steuererhöhungen über Spitzensteuersatz

Im Interview wird Bayaz gleich zu Beginn mit dem Thema Steuererhöhungen konfrontiert. Bayaz erwähnte, dass der Staat wegen der Pandemie viel Geld zur Unterstützung der Wirtschaft ausgegeben habe, wie etwa Direkthilfen und erleichtertes Kurzarbeitergeld.

Deshalb gehe es jetzt um die Frage, wie man zumindest einen Teil der aufgenommenen Schulden zurückzahle. „Vor diesem Hintergrund halte ich es für vertretbar, den Spitzensteuersatz für Einkommen ab 100.000 Euro von 42 Prozent auf 45 Prozent zu erhöhen“, so Finanzminister Bayaz. Das betreffe vor allem jene Angestellten, die aufgrund von Corona rasch ins Homeoffice hätten wechseln können. Sie wären von der Krise weniger hart betroffen gewesen.

Bayaz nannte sich selbst als Beispiel in dieser Kategorie. Er würde als Minister rund 2.000 Euro mehr im Jahr an Steuern zahlen, „das überfordert niemanden in meiner Gehaltsklasse“. Das würde aber nach Ansicht des Grünen-Politikers für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen.

Bayaz sieht in Bezug auf eine Koalition mit der FDP unterschiedliche „steuerpolitische Ansätze“, über die man sich unterhalten müsse. Spitzensteuersatz erhöhen und Besteuerung von Vermögen seien dabei nur zwei Themen. Ein weiteres sei der verbliebene Solidaritätszuschlag für die oberen zehn Prozent der Einkommensbezieher. Ihm sei es klar, dass nicht alle Forderungen erfüllt würden.

Eine Schnittstelle mit der FDP sieht der Grünen-Politiker bei besseren Abschreibungsbedingungen für kleine und mittelständische Unternehmen. Er plädiert für einen großzügigeren Umgang mit Verlustrückträgen und die steuerliche Förderung von Gewinnen, die direkt wieder investiert werden. Eine Senkung der Unternehmenssteuer sieht er nicht, damit würden dem Staat zu viele Einnahmen entgehen.

Staat und Wirtschaft sollen Umgestaltung finanzieren

Für den Grünen-Politiker liegt es auf der Hand, dass neben Steuern auch weitere Schulden benötigt werden, um die grünen Ziele umzusetzen. Journalist Seibel bringt den schuldenfinanzierten 500-Milliarden-Euro-Fonds für die nächsten zehn Jahre zur Sprache, der laut Seibel am Bundeshaushalt vorbei für den Wandel zur klimaneutralen Industriegesellschaft eingesetzt werden soll – mit der kritischen Anmerkung: „Warum halten die Grünen so wenig von einer transparenten Haushaltsführung?“

Aus Bayaz Sicht sei „eine staatliche Investitionsgesellschaft transparent. Das Geld kann auch dort nicht einfach ausgegeben werden, die Verantwortlichen sind rechenschaftspflichtig.“ Es bringe es nichts, „einfach nur einen Fond mit 500 Milliarden Euro zu befüllen“. Man müsse zunächst den Bedarf feststellen, die Ziele klären, wie etwa Mobilität oder auch das „Bildungssystem der Zukunft“. Auch von Investitionen in ökologische und digitale Transformationen sprach Bayaz: „Dabei muss es immer auch um privates Kapital gehen.“ Der Staat allein werde das nicht stemmen können.

Die globale Transformation

Von sozial-ökologischer Transformation sprechen die Bundesgrünen auch in ihrem Wahlprogramm (ab S. 220) – und dass man diese vorantreibe. Dies sei demnach die „Schubkraft für globale Transformation“. Doch dabei geht es keineswegs nur um das Klima und die Umwelt. „Wir wollen alle Politikbereiche in Deutschland auf die Transformation ausrichten“, heißt es. Man wolle einen „Nationalen Rat für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenrechte“ einrichten, „für ein strategisches und kohärentes Handeln in allen Ressorts und Politikbereichen“.

Auch international wolle man neuen Schwung in die sozial-ökologische Transformation bringen und die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit, internationale Klimafinanzierung und Teile der humanitären Hilfe bündeln, um „eine globale Transformation entlang der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und der Pariser Klimaziele zu finanzieren“.



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