Gysi gegen Sondertribunal zu „russischen Kriegsverbrechen“ – CDU beschwört „deutsche Verantwortung“

Die CDU unterstützt den Baerbock-Vorstoß für ein Sondertribunal zu behaupteten russischen Kriegsverbrechen. Die Chance auf eine Durchsetzung ist gering.
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Der frühere Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi.Foto: STEFANIE LOOS/AFP via Getty Images
Von 3. Februar 2023

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Der langjährige Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag Gregor Gysi hat die Forderung nach einem „Ukraine-Sondertribunal“ zurückgewiesen. Zugleich warnte er vor einer Relativierung von Nazi-Verbrechen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte jüngst ein solches Sondertribunal gefordert. Diese soll der „Ächtung russischer Verbrechen der Aggression“ dienen und nach ukrainischem Recht vorgehen. Vorbild sollen offenbar die Nürnberger Prozesse gegen nationalsozialistische deutsche Kriegsverbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Mögliche Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit von ukrainischer Seite sollen offenbar nicht Gegenstand des Tribunals sein.

Unterstützung für die Idee kam prompt von CDU-Rechtspolitiker Günter Krings. Dieser warf der Bundesregierung sogar zu große Zögerlichkeit beim Voranbringen eines solchen Unterfangens vor. In der „Rheinischen Post“ forderte er ein international abgestimmtes Tribunal, wobei Deutschland innerhalb der EU der „Treiber“ des Projekts sein soll. Deutschland habe diesbezüglich „aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung“.

Gysi: Sondertribunal müsste sich dann auch um NATO und USA kümmern

In Anbetracht solcher Analogien warnte Gysi vor unzulässigen Vergleichen, die einer Relativierung der Nazi-Verbrechen gleichkäme. Die „russische Aggression“ sei zwar schlimm, jedoch sei sie „mit den Verbrechen der Nazi-Diktatur […] auch nicht annähernd zu vergleichen“. Außerdem würde ein Sondertribunal nach ukrainischem Recht „weder in der EU noch international Zustimmung finden“, äußerte Gysi im gleichen Medium.

Gysi begrüße es, sollten „die Verantwortlichen für ein Verbrechen gegen den Frieden und für Kriegsverbrecher bei der Aggression Russlands gegen die Ukraine zur Verantwortung gezogen“ werden. Allerdings müsse ein solches Tribunal auch für die Ahndung des NATO-Krieges gegen Serbien oder der US-geführten Invasion im Irak zuständig sein.

Die Führung in Kiew und Politiker in westlichen Staaten fordern seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 völkerstrafrechtliche Konsequenzen. Diese sollten sich demnach gegen Russlands Präsident Wladimir Putin und weitere Verantwortungsträger in Staat und Militär richten.

Kreml weist Vorwurf der Kriegsverbrechen zurück

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirft Russland zahlreiche Kriegsverbrechen vor, darunter Massaker an Zivilisten in Butscha oder Irpin bei Kiew. Russland weist die entsprechenden Darstellungen zurück und beschuldigt die Ukraine ihrerseits der Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Der Kreml verweist diesbezüglich zum einen auf das Vorgehen ukrainischer Einheiten, die seit 2014 militärisch im Donbass operieren. Teile dieses ostukrainischen Gebiets standen bereits seit der damaligen gewaltsamen Absetzung der gewählten Regierung in Kiew unter der Kontrolle prorussischer Separatisten. Zum anderen berichteten Medien über mutmaßliche Kriegsverbrechen wie die Erschießung sich ergebender russischer Soldaten oder Morde an angeblichen Kollaborateuren.

Die ukrainische Führung hat in einigen Fällen erklärt, Vorwürfe untersuchen zu wollen. Über Konsequenzen gegen mögliche Verantwortliche ist bis dato jedoch nichts bekannt.

Russland würde Sondertribunal nicht anerkennen

Zuständig für die Ahndung von Kriegsverbrechen wäre der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Er geht seit 2002 auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nach. Chefankläger Karim Khan ermittelt im Fall der Ukraine und wird dabei von Deutschland und 13 weiteren EU-Ländern unterstützt.

Dass es tatsächlich jemals zu einer Anklage russischer Regierungspolitiker kommen wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Bis dato erkennen weder Russland noch die Ukraine den Haager Gerichtshof an. Zudem schließen viele Staaten eine Auslieferung eigener Staatsbürger aus.

Mit den USA, Russland und China erkennen sogar drei Mitglieder des UN-Sicherheitsrates den Gerichtshof nicht an. Die Gesetzgebung der USA ermächtigt den Präsidenten sogar zur Invasion, sollte es in Den Haag eine Strafverfolgung von Angehörigen der Regierung, des Militärs oder anderer offizieller US-Vertreter geben. Zuletzt hatten auch mehrere afrikanische Staaten den Rückzug aus dem IStGH-Statut erklärt. Kritiker bestreiten die Legitimität und Unparteilichkeit der Einrichtung.

Auch die Chancen, dass Russland ein internationales Ad-hoc-Gericht akzeptieren würde, sind gering. Ein solches bedürfte entweder der einstimmigen Einrichtung durch den UN-Weltsicherheitsrat oder einer Zwei-Drittel-Mehrheit in der Generalversammlung. Selbst wenn eine solche – was unwahrscheinlich ist – zustande käme, würde Russland sie nicht beachten.

(Mit Material von dts und AFP)



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