Handelsverband zieht Bilanz: „Der Einzelhandel ist nicht der Preistreiber“

Energiekrise und Inflation haben das Weihnachtsgeschäft belastet, sagt Stefan Genth vom Handelsverband. Dabei dämpfe der Einzelhandel noch die Inflation.
Einzelhandel
Inflation und Energiepreise sorgen für eine Konsumflaute. Dies spürt auch der Einzelhandel, wie der Handelsverband betont.Foto: Textbüro Freital
Von 27. Dezember 2022

Der Handelsverband zieht mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft eine durchwachsene Bilanz. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), geht im Gespräch mit der „Wirtschaftswoche“ von einem „preisbereinigten Minus von vier Prozent“ aus. Die Inflation mache den Verbrauchern zu schaffen, was auch der Einzelhandel spüre. Auch auf das nächste Jahr blicke der Handel „mit großer Sorge“.

Aufeinanderfolgende Krisen werfen Modelle durcheinander

Die endgültigen Zahlen sind noch nicht veröffentlicht, die Prognose bezüglich der Monate November und Dezember lasse jedoch einige eindeutige Trends erkennen. Einer davon ist, dass die deutschen Verbraucher ihre Ausgaben deutlich zurückschrauben.

Nicht dringliche Anschaffungen verschieben sie auf unbestimmte Zeit, was ein Schrumpfen der Wirtschaft wahrscheinlich macht. Immerhin trägt der private Konsum zu mehr als der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts bei.

Die Einschätzungen gehen lediglich darüber auseinander, wie massiv der Einbruch der Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr sein wird. Allianz-Chefvolkswirt Ludovic sieht „ein Jahr zum Vergessen“ auf die Deutschen zukommen, berichtet die „Wirtschaftswoche“. Demgegenüber sieht das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung zwar einen „konjunkturellen Dämpfer, aber keine tiefe Rezession“.

Stefan Schneider von der Deutschen Bank wirft gleich vorsorglich ein, dass die aufeinanderfolgenden Krisen der vergangenen Jahre Prognosemodelle ohnehin zu einem Glücksspiel machten. Immerhin sei die Stabilität der Datengrundlagen „wegen der immer dichter aufeinanderfolgenden Krisen immer weniger gegeben“.

Handelsverband spricht von niedrigeren Kundenfrequenzen im Einzelhandel

Dass in den kommenden Wochen Stromanbieter ihre Jahresabrechnungen verschicken würden und die Abschläge anpassen, ist ein Faktor, der den Konsum weiter drücken könnte. Die verhängnisvolle Kombination aus schrumpfender Wirtschaft und wachsenden Preisen lässt Erinnerungen an die 1970er-Jahre wach werden.

Zwar hätten die Verbraucher auch in der Krise Weihnachtsgeschenke gekauft, äußert Stefan Genth, häufig unter Verwendung angesparten Geldes aus der Corona-Zeit, allerdings komme das nominelle Umsatzplus nur durch die höheren Preise zusammen. Insgesamt seien die Kundenfrequenzen auch niedrig gewesen.

Während der Non-Food-Handel einigermaßen stabil auf den Inflationsdruck reagiere, greife dieser in besonderem Maße in den Bereichen Energie und Lebensmittel. Die Hersteller seien gezwungen, die höheren Kosten für Energie und gestörte Lieferketten an die Händler weiterzugeben. Erst zuletzt hätten die Lockdowns in China Produkte in Deutschland verteuert, weil Fabriken und Häfen beeinträchtigt gewesen seien.

Einzelhandel kann Preise nicht in vollem Umfang weitergeben

Dennoch sei nicht der Einzelhandel der preistreibende Faktor, betont der Handelsverbandspräsident:

Der Einzelhandel agiert vielmehr als Preisdämpfer. Die Handelsunternehmen versuchen, in Verhandlungen mit den Lieferanten übertriebene Forderungen und Erhöhungen zu verhindern. Jede Preissteigerung einfach an die Kunden weiterzugeben, ist angesichts der aktuellen Konsumstimmung und des dramatischen Kaufkraftverlustes der privaten Haushalte gar nicht möglich.“

Zudem sorge auch die große Konkurrenz im Einzelhandel dafür, dass die Inflation nicht noch weiter ausufere. Immerhin müssten die Händler auch Sorge dafür tragen, dass ihre Preise wettbewerbsfähig blieben.

Allerdings richte die Inflation, solange sie andauere, grundsätzlich das Konsumverhalten der Menschen neu aus. Haushalte mit kleinem oder mittlerem Einkommen agierten außerordentlich preisbewusst. Dabei suchten sie nach Sonderangeboten und Eigenmarken, zudem schränke ein Drittel der Opfer der Energiepreisexplosion seine Ausgaben insgesamt massiv ein. Auch dies intensiviere den Konkurrenzdruck im Einzelhandel.

Genth erklärt, die weitere Entwicklung hänge entscheidend vom Erfolg der Energiepreisbremse ab. Eine Entlastung der Verbraucher könnte den privaten Konsum wieder stabilisieren.

Ende der Kältewelle sorgt für Entlastung auf dem Energiemarkt

Daneben wird auch die weitere Entwicklung im Bereich der Energieversorgung entscheiden, wie sich Wachstum und Konsum im Jahr 2023 entwickeln. Nachdem die Kältewelle im Dezember die Gasspeicher auf 90 Prozent geleert hatte, zeichnen sich nun mildere Temperaturen ab. Eine Rationierung von Gas wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Winter nicht stattfinden.

Je milder der Winter wird, umso weniger sind Engpässe auch mit Blick auf den weiteren Verlauf des Jahres zu befürchten. Währenddessen laufen Flüssiggaslieferungen in Nordwesteuropa an, unter anderem auch in Wilhelmshaven. Eine Sicherung der Versorgung und eine Stabilisierung der Lieferkette könnten dafür sorgen, dass sich die Abwärtsentwicklung in überschaubaren Grenzen hält.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer äußert sich zuversichtlich, dass die Energiepreisbremsen die zu erwartende Verteuerung der deutschen Energienettoimporte bis 2024 ausgleichen können. Allerdings müsse man auch deren Effekte im Auge behalten. Die Pakete könnten nämlich „die öffentlichen Haushalte belasten und wegen der Anfachung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage mittelfristig für mehr Inflation sorgen“.



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