Haushaltslücke 2024: Ein fünftes Mal die Schuldenbremse aussetzen?

Das Spitzentreffen von SPD, Grüne und FDP endete am Mittwochabend ohne Ergebnisse. Die CDU schlägt vor, auf höheres Bürgergeld verzichten – während die SPD nicht die Axt an den Sozialstaat legen will.
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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht während der Haushaltsdebatte im Bundestag am 28. November 2023 in Berlin.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Epoch Times30. November 2023

Für den Bundeshaushalt im kommenden Jahr sucht die Ampel-Koalition nach dem Karlsruher Urteil weiter nach Lösungen. Ein Treffen der Spitzen der drei Partner SPD, Grüne und FDP am Mittwochabend endete ohne Ergebnisse. Die Gespräche seinen „konstruktiv und sachlich“ gewesen, verlautete aus Koalitionskreisen gegenüber AFP. Konkrete Ergebnisse habe der Koalitionsausschuss aber nicht erzielt. Es sei vielmehr um einen „Meinungsaustausch“ auf Ebene der Koalitionsspitzen gegangen.

Offen blieb, inwieweit die Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP sich schon mit konkreten Kürzungen oder Umschichtungen für das kommende Jahr infolge des Haushalts-Urteils des Bundesverfassungsgerichts befassten.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuvor im ZDF von einer Lücke von 17 Milliarden Euro im Etat für 2024 gesprochen, für die er „Handlungsbedarf“ sehe. Es müsse nun schnell und sorgfältig eine Entscheidung getroffen werden, sagte Lindner. „Aber der Staat ist voll handlungsfähig.“ Es müsse erreicht werden, dass man „treffsicherer“ mit dem Geld umgehe, das vorhanden sei.

Wofür kann Geld ausgegeben werden?

Noch immer ist offen und umstritten, wofür die Regierung im kommenden Jahr noch Geld ausgeben kann. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Etat 2021 in den Klima- und Transformationsfonds für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich über den Fonds für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden.

Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre zurücklegen. Genau das hat der Bund aber in Sondertöpfen unter anderem für die Energiepreisbremsen getan – was nun zusätzliche Löcher in den Etat reißt.

Auch der ähnlich finanzierte Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) wird als Folge des Karlsruher Urteilsspruchs abgewickelt. Die aus ihm finanzierten Energiepreisbremsen laufen deshalb anders als geplant schon Ende des Jahres aus. Um die Zahlungen dafür in diesem Jahr noch zu ermöglichen, legte die Ampel-Regierung für 2023 einen Nachtragshaushalt vor, für den nun zum vierten Mal in Folge die Schuldenbremse ausgesetzt werden soll.

Noch ein fünftes Mal die Schuldenbremse aussetzen?

Für die Union warnte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei (CDU), die Ampel-Koalition vor einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse im kommenden Jahr. Dafür gebe es „bisher keinen vernünftigen Grund“, sagte Frei der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“.

Ähnlich hatte sich zuvor Lindner geäußert: Der Finanzminister sagte im ZDF, er sei „noch nicht davon überzeugt“, dass die Voraussetzungen für einen Notlagenbeschluss 2024 vorliegen würden. Für dieses Jahr hatte sich die Ampel-Koalition darauf geeinigt, erneut die Schuldenbremse wegen einer Notsituation auszusetzen und einen Nachtragshaushalt auf den Weg zu bringen. Den muss der Bundestag noch beschließen.

Klingbeil: Nicht die Axt an den Sozialstaat legen

Derweil wies SPD-Chef Lars Klingbeil Forderungen der Union nach deutlichen Sozialkürzungen zur Schließung des Milliardenlochs im Bundeshaushalt 2024 zurück. „Wir müssen den Sozialstaat weiter stark halten, weil er den Menschen gerade in Zeiten der Unsicherheit auch Sicherheit gibt“, sagte er in einem Interview dpa. „Und deswegen darf da nicht die Axt angelegt werden.“

Klingbeil betonte, dass er auch bereit sei, pragmatisch und unideologisch über Sparpotenzial zu reden. Für ihn sei aber wichtig, die Investitionen in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands zu erhalten.

CDU: Auf höheres Bürgergeld verzichten

CDU-Chef Friedrich Merz hatte unter anderem gefordert, zur Schließung der Haushaltslücke auf die Kindergrundsicherung und ein höheres Bürgergeld zu verzichten.

In der Frage, ob die Schuldenbremse angesichts des Investitionsdrucks und des Karlsruher Urteils reformiert werden müsste, äußerte der Unions-Haushaltsexperte Mathias Middelberg (CDU) Verständnis für die Haltung einiger CDU-geführter Länder. Middelberg sagte der „Rheinischen Post“: „Die Schuldenbremse ist für die Länder deutlich strenger als für den Bund.“ Zumindest für den Bund sehe er aber keinen Änderungsbedarf.

CDU-Parteichef Merz hatte am Dienstag im Bundestag zwar nicht namentlich, aber dennoch deutlich seinen Parteikollegen, Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner, gerügt, weil dieser sich mehrfach für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen hatte. Merz lehnt dies ab. Die Ampel wäre aber auf die Stimmen der Union im Bundestag angewiesen.

Der Vize-Vorsitzende des CDU-Sozialflügels (CDA), Dennis Radtke, hat seine Partei davor gewarnt, in der Debatte um eine Neuaufstellung des Bundeshaushalts den Eindruck sozialen Desinteresses zu vermitteln. „Wir müssen mit der Sprache aufpassen“, sagte Radtke dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Berechtigte Kritik am Bürgergeld und neuer Bürokratie ist das eine, aber es darf nicht der Eindruck entstehen, als würde man die strukturellen Probleme in unserem Land allein auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft lösen wollen.“

Teilhabe für Arbeitslose, eine differenzierte Sicht auf die Herausforderungen und beste Förderung für Kinder aus einkommensschwachen Familien gehörten zur Politik der Christdemokraten. „Das sollte sich auch in unserer Sprache widerspiegeln.“ Radtke reagierte damit auf die Forderung des CDU-nahen Wirtschaftsrats, angesichts der Haushaltskrise „Sozialgeschenke“ zurückzunehmen.

(dpa/dts/ks)



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