Historische Chance oder gesellschaftliches Risiko? Ein Rückblick auf die Cannabis-Debatte

Mit Spannung wurden die neuen Eckpunkte für eine Cannabis-Legalisierung in Deutschland erwartet. Doch das Thema ist kontrovers. Während Befürworter argumentieren, dass die Legalisierung von Cannabis zu Vorteilen führt, warnen Kritiker vor möglichen negativen Auswirkungen.
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Die Debatte um die Freigabe von Cannabis geht weiter.Foto: iStock
Von 12. April 2023

Die Ampelregierung argumentiert, dass eine Legalisierung von Cannabis besser als ein striktes Verbot sei. Der erste Gesetzentwurf für die teilweise Legalisierung von Cannabis in Deutschland soll noch im April vorgelegt werden. Demnach geht es dabei um den privaten Konsum sowie den gemeinschaftlichen, nicht-gewinnorientierten Eigenanbau. Die Freigabe ist durchaus umstritten.

Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, erklärte in einer Rede im Bundestag 2022, dass das Verbot von Cannabis den Gesundheitsschutz verhindere. Sie sprach von einer „historischen Chance“, dass die kontrollierte Freigabe von Cannabis im Koalitionsvertrag verankert wurde. Mit den Worten „Wir wollen auch die Prohibition lieber früher als später“ zeigte sie gleichzeitig ihr Verständnis für die Ungeduld bei den Cannabis-Befürwortern.

Ein klares Zeichen für die Zukunft von Cannabis setzte auch der ehemalige Vizekanzler Joschka Fischer. Er sitzt seit Januar 2019 im internationalen Beirat von Tilray, einem führenden kanadischen Unternehmen im Bereich der Herstellung und Erforschung von medizinischem Cannabis.

Mit dabei sind auch andere Minister und ehemalige politische Akteure wie James O´Brien, früherer Berater der US-Präsidenten Barak Obama und Bill Clinton. Die „Morgenpost“ kommentierte das Engagement des ehemaligen Grünen-Politikers mit den Worten: „Jahrelang kämpfte er in der Politik für den legalen Cannabiskonsum, jetzt steigt er ins Geschäft mit der Droge ein.“

Die Dosis macht das Gift

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), warnte im Oktober 2021: „Kiffen ab 18 ist alles andere als harmlos und gibt außerdem keine Antwort auf die Frage nach besserem Jugendschutz.“ Es sollte nicht Ziel der Bundesregierung sein, zugunsten eines vermeintlichen Zeitgeistes die Gesundheit der Bevölkerung zu riskieren.

Befürworter argumentieren, dass die Legalisierung von Hanf medizinische Vorteile mit sich bringt. Hanfprodukte könnten zur Behandlung von verschiedenen Erkrankungen eingesetzt werden. So wird beispielsweise Cannabidiol (CBD) als wirksame Behandlungsoption bei Schmerzen, Epilepsie und Angstzuständen betrachtet. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Hanf bei der Behandlung von Depressionen, Entzündungen und Schlafstörungen helfen kann.

Neben dem Stimmungshoch und dem Gefühl von Unbeschwertheit einhergeht, können jedoch auch unangenehme Nebenwirkungen auftreten wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Reizüberflutung, Erinnerungsverlust, Kreislauf- und Konzentrationsproblemen, Panikattacken und Psychosen. Eine im renommierten Medizinjournal „The Lancet“ im Jahr 2007 erschienene Studie stellt fest, dass Cannabiskonsumenten mit einer Wahrscheinlichkeit von 41 Prozent eher an einer Psychose erkranken als Abstinenzler.

Neue Arbeitsplätze, mehr Steuereinnahmen

Finanzielle Anreize gehen aus einer Studie des Deutschen Hanfverbands hervor, die unter der Leitung von Professor Justus Haucap, Wettbewerbsökonom an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, erhoben wurde. Demnach würden dem Fiskus allein durch eine Cannabissteuer jährlich 1,8 Milliarden Euro zufließen, wenn der Markt für Cannabis reguliert und der Verkauf besteuert wird.

Hinzu kämen jährliche Mehreinnahmen bei der Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuer von zusammen rund 735 Millionen Euro sowie ein höheres Aufkommen an Sozialbeiträgen (526 Millionen Euro) und Lohnsteuer (280 Millionen Euro), das durch rund 27.000 legale Arbeitsplätze in der Cannabiswirtschaft entsteht.

Die Berechnungen stützen sich auf Auswertungen von Ländern, die bereits Cannabis legalisiert haben, sowie Survey-Daten zum Konsumverhalten in Deutschland. So lässt sich der Cannabiskonsum in Deutschland schätzen, woraus sich die Einnahmen an Steuern und Abgaben berechnen lassen.

Wie aus der Studie weiter hervorgeht, käme es zu erheblichen Einsparungen bei der Strafverfolgung in Höhe von 1,05 Milliarden Euro und 313 Millionen Euro bei der Justiz pro Jahr. „Das Verbot von Cannabis ist schädlich und teuer, Milliarden werden für sinnlose Polizeieinsätze aus dem Fenster geworfen. Das Geld wäre bei Aufklärung, Prävention und Hilfe viel effektiver eingesetzt. Es ist Zeit für Legalisierung!“, erklärte Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbands.

Polizei gegen Straffreiheit

Die Gewerkschaft der Polizei forderte im März 2022 statt einer Entkriminalisierung von Cannabis eine bessere Prävention. Die psychosozialen Risiken von regelmäßigem Cannabiskonsum wie vorzeitige Schulabbrüche und geringerer Bildungserfolg seien inzwischen empirisch belegt. „Das von Freigabebefürwortern häufig gebrauchte Argument, Alkoholmissbrauch wirke sich schädlicher aus als der von Cannabis, zielt am Kernproblem problematischen Verhaltens vorbei“, erklärte der ehemalige Bundesvorsitzende Oliver Malchow.

Eine Freigabe von Haschisch sei „ein falsches Signal“. Gerade bei Jugendlichen könne der Konsum zu erheblichen Gesundheitsproblemen und sozialen Konflikten führen, weil heute häufiger deutlich höhere Wirkstoffgehalte vorlägen. Zudem lasse ein legaler Erwerb jegliche Hemmschwellen sinken.

Ganz klar positionierte sich die Gewerkschaft der Polizei gegen die Legalisierung von Cannabis. Aber man müsse den Gesetzgebungsprozess im Sinne der Polizei konstruktiv mitgestalten. „Unsere aktive Mitbestimmung ist deshalb so wichtig, weil sonst polizeilich auszubaden sein wird, was andere aus Unwissenheit über unsere vielschichtigen Tätigkeiten im Polizeidienst mit einem Federstrich verändern können“, so der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke vor einem Jahr.

 



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