„Ich lasse sie auf den Koran schwören“ – Wie ein Neuköllner Jugendhelfer kreativ Werte vermittelt

Hart, aber herzlich und ohne Pardon, so funktioniert nach Ansicht eines Neuköllner Jugendhelfers Integrationsarbeit an der Basis. Der Focus berichtete über Gilles Duhem, der Kinder aus Migrantenfamilien durch Hausaufgaben-Hilfe lebenstüchtig macht.
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Der Neuköllner Jugendhelfer Gilles Duhem leitet das Projekt Morus 14 aus Überzeugung.Foto: Screenshot / Morus14.de
Epoch Times2. Februar 2016

Gilles Duhem, Leiter des Neuköllner Vereins „Morus 14“, bringt Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien bei, was sie neben guten schulischen Leistungen im Leben wirklich brauchen – weil die Schule es nicht tut, sie sei heutzutage zu verweichlicht, findet der gebürtige Franzose.

Im Berliner Brennpunktviertel Neukölln gibt es nicht nur hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität – sondern auch viele Kinder aus bildungsfernen Familien, die häufig große Schulprobleme haben. Um sie kümmert sich der Jugendförderverein „Morus 14“, über dessen Leiter der Focus eine Reportage schrieb.

Neben dem Mentoringprojekt „Netzwerk Schülerhilfe Rollberg“, in dem die Schüler Eins-zu-Eins-Betreuung bei Schulaufgaben erhalten, durchlaufen die jungen Menschen hier einen lebensnotwendigen „Knigge-Kurs“.

Pünktlichkeit ist oberstes Gebot

Wenn Duhem etwas ganz und gar nicht ausstehen kann, ist das Unpünktlichkeit. Die meisten der hundert Kinder, die zu ihm kommen, sind aus muslimischen Familien. „Von zehn Fällen sind 9,5 unpünktlich.“ Deshalb behilft sich der Politologe und Volkswirt gerne wie folgt: "Ich hole meinen Dienstkoran aus dem Schrank und lasse die Kinder darauf schwören, dass sie nie wieder zu spät kommen.“ Kommt jemand mehrmals zu spät, fliegt er. Gilles Duhem von „Morus 14“ setzt auf Konsequenz. Trotz der Strenge stehen 60 Kinder auf der Warteliste.

Bräuchten „Schulen wie zu Zeiten Bismarcks“

In der Werbellinstraße in Neukölln werden die Halbjahreszeugnisse kontrolliert, kopiert und archiviert, weshalb Duhem witzelt: „Wir sind eine Zweigstelle der Stasi.“

„Bei uns herrschen vor allem Struktur, Ordnung und bedingungslose Konsequenz“, so Duhem, der findet, dass es in den heutigen Schulen genau daran mangelt. Schulleiter und Lehrer seien zu verweichlicht. Er wünscht sich Schulen wie zu Zeiten Bismarcks und würde am liebsten Bundeswehrsoldaten in seinem Projekt einsetzen: Vor Männern in Uniform hätten die Jungs Respekt. Zudem seien die in der Schule vermittelten Inhalte oft zu lebensfremd: „Wieso lernen die Kinder, welcher Fluss durch Australien fließt, wenn sie nicht einmal wissen, wo Berlin liegt?", fragt er.

Ein Betreuer von Morus14 mit Kindern.Ein Betreuer von Morus14 mit Kindern.Foto: Screenshot / Morus14.de

Glaubensfragen

Dem muslimischen Hintergrund, den fast alle seine Schüler haben, begegnet er auf seine ganz eigene Weise. Grundsätzlich gilt, Jungs und Mädchen werden gleichbehandelt und „wem das nicht passt, kann gehen“.

Das Thema Religion thematisiert er nur, wenn seine Schützlinge es selbst ansprechen. Und so kann es schon mal vorkommen, dass er einem Mädchen, das plötzlich Kopftuch trägt und speziellen Respekt einfordert, in einem T-Shirt mit der Aufschrift „schwul und gottlos“ gegenüber tritt, um das gleiche von ihr zu verlangen.

Das tut er nicht um der Provokation als solcher willen, sondern aus erzieherischen Gründen – um Berührungsängste abzubauen. „Wenn eine Mutter von mir fordert, dass ihre Tochter nur von einer Frau unterrichtet wird, dann bekommt sie von mir einen homosexuellen Mann vorgesetzt. Umgekehrt genauso.“

Klare Kante zeigen

Der eloquente Franzose diskutiert grundsätzlich nicht. Er findet, dass man sich damit schon ins Abseits gestellt hat. „Das wichtigste Wort in der Erziehung ist ‚nein‘“, sagt Duhem. „Wer konsequent Ziele erreichen möchte, darf nicht unnötig labern.“ Dafür respektieren ihn die Jugendlichen. Manche der Kinder werden hier von der ersten Klasse bis zum Schulabschluss betreut. So erhalten sie eine Perspektive, die sie andernfalls nicht gehabt hätten.

Für Familien ist die Betreuung durch „Morus 14“ kostenlos. Die Initiative finanziert sich fast ausschließlich durch Spenden, was nicht leicht ist. „Wir robben uns von Quartal zu Quartal und hoffen stets auf neue Spender“, so der Leiter, der sich auch von Engpässen nicht unterkriegen lässt. „Wir sind bereit, unser Knochenmark dafür herzugeben“, sagt er. (kf)



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