Justizministerium bügelt verfassungswidrigen Fauxpas aus

Den nicht nur bei Juristen beliebten „Libra Rechtsbriefing"-Newsletter gibt es nicht mehr. Das Bundesjustizministerium hatte den Dienst einstellen lassen, nachdem ein Gutachten dessen Verfassungswidrigkeit festgestellt hatte. Die Unionsfraktion will Justizminister Buschmann nun wegen des „Skandals“ Druck machen.
Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) soll nach dem Willen der Unionsfraktion Rede und Antwort über einen verfassungswidrigen Onlinedienst stehen (Archivbild).Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 6. März 2023

Ausgerechnet das Bundesjustizministerium (BJM) hat mit dem Online-Informationsdienst „Libra Rechtsbriefing“ offenbar gegen das Grundgesetz verstoßen. Das geht aus einem Gutachten hervor, das der Berliner Verfassungsrechtsexperte Prof. Christoph Möllers mehreren Presseartikeln zufolge im Auftrag des Ministeriums ausgearbeitet hatte. Der Dienst wurde inzwischen abgeschaltet.

Der für jedermann abonnierbare Newsletter wurde nach Angaben des Onlineportals „Legal Tribune Online“ (LTO)  seit April 2022 wöchentlich von der Saarbrücker „juris GmbH“ („Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland“) verbreitet. Die Gesellschaft, nach eigenem Bekunden „das führende Online-Portal für Rechts- und Praxiswissen in Deutschland“, gehört mehrheitlich dem Bund. Im Aufsichtsrat sind das Justiz-, das Finanz- und das Innenministerium vertreten. Aufsichtsratsvorsitzende ist laut Impressum die Ministerialdirigentin Susanne Bunke.

Nach Informationen von LTO „hatten Vereinigungen aus dem Bereich Presse und Verlagswesen schon früh Kritik an dem BMJ-Projekt geäußert“. Der Libra-Onlinedienst informierte in verständlichem Ton und auch kommentierend über allerlei Wissenswertes und Aktuelles aus der Welt des Rechts beziehungsweise der Rechtspolitik.

„Auf der bunt daherkommenden Seite sind Artikel über verschiedenste Themen, vom Einsatz von VR-Brillen bei Tatortbegehungen bis hin zu Frauenquote in der deutschen Anwaltschaft“, schrieb der „Deutschlandfunk“ noch am 24. Januar. „Unsere Redaktion arbeitet journalistisch, begleitet von unseren Herausgeberinnen und Herausgebern“, hieß es nach Angaben des LTO auf der Website. Wie viele Abonnenten den Dienst in Anspruch nahmen, war von der Epoch Times kurzfristig nicht in Erfahrung zu bringen.

„Staatsfreiheit der Presse“

Verfassungsrechtler Prof. Möllers war nach Informationen der Zeitung „Tagesspiegel“  in seiner 32-seitigen Analyse zu dem Schluss gelangt, dass es sich um einen Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der „Staatsfreiheit der Presse“ handele, via juris GmbH so einen Newsletter abzusetzen. Die Pressefreiheit ist im Artikel 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland festgezurrt.

Die Verpflichtung zur „Staatsfreiheit der Presse“ verbiete „organisatorische Arrangements, die dem Staat die rechtliche Möglichkeit einräumen, auf die Presse einzuwirken“, schrieb Möllers. Das sei bei „Libra – Das Rechtsbriefing“ aber der Fall, weil der Dienst „in Abhängigkeit von einem staatlich beherrschten Unternehmen“ eingerichtet worden sei. Dabei verbiete das Staatsferne-Gebot „nicht nur tatsächliche Einflussnahme, sondern bereits deren organisierte Möglichkeit“.

Beim Libri-Dienst handele es sich „klar um ein Presseorgan“, so Möllers. Die „Libra“-Mitteilungen seien zudem unter Einsatz der Farbe Gelb layoutet worden – die gewohnte FDP-Farbe. Manche Texte hätten die rechtspolitischen Pläne von FDP-Justizminister Buschmann „zumindest in Teilen mit Wohlwollen begleitet“. Es sei sogar „sehr gut möglich“, dass gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen worden sei, mahnte der Rechtsexperte.

Buschmann lässt Dienst abschalten

Beide Details sprechen gegen die offizielle Einschätzung des Justizministeriums, nach der es den Onlinedienst „in keiner Weise“ beeinflusst habe, wie der „Tagesspiegel“ berichtet: Das Ministerium argumentiere, dass es gar nicht über Details informiert gewesen sei.

Außerdem seien die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Beginn der Planungen im Dezember 2020 kein Thema gewesen. Damals habe man den juris-Aufsichtsrat lediglich darüber informiert, ein „innovatives neues E-Zine“ für „online Rechtsinformationen“ auf den Weg bringen zu wollen. Erst nachdem der Service gestartet sei, habe die Juris-Geschäftsführung die Aufsichtsratsmitglieder über das neue Angebot unterrichtet. Dies sei am 27. April 2022 geschehen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte sich nach Kenntnisnahme des Möllers-Rechtsgutachtens zeitnah mit der juris GmbH und dem zweiten großen juris-Gesellschafter, der französischen Fachverlagsgruppe „Lefebvre Sarrut“ in Verbindung gesetzt. Er ordnete das „unverzügliche“ Aus für das Dienstangebot an. In der Tat ist unter „libra-rechtsbriefing.de“ nichts mehr zu finden: Die über die Juris-Server gemanagte Website enthält nur noch die Wörter „Under Construction“.

 

Der Google-Eintrag zum Dienst „Libra" der juris GmbH

Der Google-Eintrag zum Dienst „Libra – Das Rechtsbriefing“ der juris GmbH, Stand 6. März 2023 (Screenshot)

 

Unionsfraktion will Stellungnahme von Buschmann

Die oppositionelle Unionsfraktion im Bundestag nahm das Rechtsgutachten beziehungsweise die Abschaltung von „Libra – Das Rechtsbriefing“ als Anlass, um gegen die FDP Front zu machen: CDU-MdB Martin Plum, der nach Informationen von LTO „mit einer schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung zur Aufklärung beigetragen“ hatte, erklärte: „Dem liberalen Haus war eine gute Presse scheinbar wichtiger als Pressefreiheit. Wir bestehen als CDU/CSU weiter auf einer umfassenden Aufklärung der Libra-Affäre und des juris-Komplexes.“

Auch das hohe Gehalt des Juris-Geschäftsführers – nach Informationen des „Tagesspiegel“ jährlich rund 300.000 Euro – missfalle der Unionsfraktion: „Wir werden in der nächsten Sitzungswoche einen ausführlichen Bericht des Ministeriums im Rechtsausschuss verlangen. Bundesminister Marco Buschmann muss endlich auch persönlich Antworten auf die vielen offenen Fragen geben“, so Plum.

Pressevertreter fürchten Konkurrenz

Frank Überall, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands, hatte das Juris-Libra-Angebot laut „Deutschlandfunk“ schon vor dem Aus ähnlich kritisch betrachtet: „Wenn hier unter einem Deckmäntelchen versucht wird, einem was unterzuschieben, dann ist das einfach nicht fair, und aus Steuergeldern bezahlt oder mitfanziert schon mal gar nicht. Journalismus hat im Moment, auch was die Finanzierbarkeit angeht, ziemlich zu kämpfen, und da sind dann solche Konkurrenzangebote, wenn man das konsequent zu Ende denkt, sogar gefährlich für die Demokratie.“

Anja Pasquay, die Sprecherin des Bundesverbands der Zeitungsverleger (BDZV), meinte: „Libra löst sich vollständig von den Aufgaben einer neutralen Rechtsdatenbank. Aus unserer Sicht ist diese Plattform im aktuellen Zuschnitt nicht legitimierbar.“

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) kritisierte in einem aktuellen Artikel zum Thema, dass weder „das auf Rechtsdienstleistungen spezialisierte Unternehmen Juris, das ‚Libra‘ herausgab, noch sein Mehrheitseigentümer, der Staat, und auch nicht die beteiligten sechs Herausgeber, darunter vier Professorinnen“, den nun festgestellten „Rechtsverstoß“ erkannt hätten.

juris GmbH seit 1985 aktiv

Die juris GmbH wurde 1985 gegründet. Die Gesellschaft unterhält nach eigenen Angaben nicht nur in Saarbrücken, sondern auch in Berlin und Frankfurt am Main Häuser im Markt für digitale Rechtsinformationen. 2021 habe man bei etwa 240 Mitarbeitern rund 65 Millionen Umsatz und einen Jahresüberschuss in Höhe von rund 8,7 Millionen Euro (Geschäftsbericht 2021, PDF) erwirtschaftet.

2001 habe die Bundesregierung die Teilprivatisierung genehmigt, um die Gesellschafterbasis verbreitern zu können. Damals habe die „Niederländische Staatsdruckerei“ – heute „Lefebvre Sarrut“ – Interesse an einer Beteiligung gezeigt. Der Deal kam zustande.



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