Kaum Einsparpotenziale im größten Bundesministerium: Gesetze schützen einen Großteil der Ausgaben

Das größte Ressort der Regierung kommt bei der Haushaltsdebatte fast ungeschoren davon. Lediglich der Bürgergeldbonus fällt dem Rotstift zum Opfer. Jobcenter-Mitarbeiter nennt Arbeitsplatzpläne für Migranten „absurd“.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil beim 3. Arbeitsmarktgipfel "Job-Turbo" in Berlin.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kann sich entspannt zurücklehnen. Sein Ressort blieb von Einsparmaßnahmen so gut wie verschont.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 17. Dezember 2023

Rund 171 Milliarden Euro verwaltet Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er hat damit das größte Ressort unter sich, sein Etat beträgt fast 40 Prozent des Gesamtvolumens. Aus der Haushaltsdebatte ist sein Ministerium praktisch ungeschoren davongekommen.

Dabei gab es viele Diskussionen um eine Nullrunde beim Bürgergeld, weniger Geld für Flüchtlinge aus der Ukraine und Leistungskürzungen von 50 Prozent. Doch am Ende wurde von diesen Forderungen nichts umgesetzt, berichtet die „Welt“ (hinter Bezahlschranke).

Heil spricht von einem guten und gemeinsamen Kompromiss

Die Verfassungswidrigkeit der Schattenhaushalte haben hauptsächlich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Linder (FDP) zu verantworten, Heil war daran nicht beteiligt. Doch dass er auch in seinem Ressort Abstriche hätte hinnehmen müssen, schien unausweichlich.

Sprach Habeck noch am vergangenen Mittwoch, 13. Dezember 2023, davon, dass Kürzungen „wehtun“, erklärte der Arbeitsminister später schmerzfrei von einem „guten und gemeinsamen Kompromiss“. Was in diesem Fall bedeutet, dass sich beim Sozialen zunächst wenig ändert.

Das hat damit zu tun, dass vieles Heils Haushalt betreffend gesetzlich verankert ist und daher nicht kurzfristig oder willkürlich gestrichen werden kann. So wäre eine Gesetzesänderung nötig geworden, um die Bürgergelderhöhung um zwölf Prozent ab Januar 2024 rückgängig zu machen. Das hatten Teile der CDU und FDP gefordert.

Dem Anstieg liegt ein Berechnungsmechanismus zugrunde, der durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgelegt ist. Die Regelsätze müssen das „soziokulturelle Existenzminimum“ abdecken. Ihre Anhebung wäre nach geltender Rechtslage nicht zu verhindern gewesen.

Auch sind Kürzungen im Sozialen unpopulär und daher politisch nicht leicht umzusetzen. Oft hieß es im Zuge der Haushaltsdebatte, man wolle „auf Kosten der Ärmsten sparen“ oder „den Sozialstaat abbauen“.

Steigende Ausgaben weniger stark ansteigen lassen

In den Chor der Sozialverbände stimmt nun auch Ökonom Marcel Fratzscher ein. „Die Bundesregierung will 1,5 Milliarden Euro beim Bürgergeld und anderen Sozialleistungen einsparen, was vor allem die wirtschaftlich schwächsten Menschen treffen wird“, ließ der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verlauten.

Ein präziser Blick auf die Ankündigungen von Finanzminister Christian Lindner (FDP) zeigt jedoch: Es geht weniger ums Streichen, sondern vielmehr um die Bemühung, die ohnehin steigenden Sozialausgaben etwas weniger stark ansteigen zu lassen.

Dem Rotstift ist im Sozialbereich lediglich der Bürgergeldbonus zum Opfer gefallen. Das wäre eine separate Prämie für Menschen gewesen, die mindestens acht Wochen an Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen.

Aus Kreisen der Ampelkoalition heißt es, dass sich die FDP damit durchgesetzt habe. 75 Euro sind aus Sicht der Freidemokraten kein echter Anreiz. Dabei gibt es diesen Bonus erst Juni 2023. Die Anzahl an Personen dürfte daher einigermaßen übersichtlich sein.

Die nun erhoffte Einsparung von 250 Millionen Euro ist also entsprechend überschaubar. Erhalten bleibt hingegen die wichtigere und höhere Anreizleistung – das Weiterbildungsgeld von monatlich 150 Euro.

Einsparungen sind an vage Hoffnungen geknüpft

Mehr Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, soll nach Lindners Vorstellungen 1,5 Milliarden Euro einsparen. Doch ist das, so die „Welt“ weiter, kein neues Ziel. Arbeitsminister Heil hatte diese Pläne bereits vor zwei Monaten vorgestellt, als die Ampel noch mit ihren Schattenhaushalten wirtschaftet. Ökonomen reagierten damals schon skeptisch darauf.

Der Plan, so Geld im Haushalt einzusparen, ist letztlich keine Kürzung. Er ist eher verbunden mit der vagen Hoffnung, wie sich steigende Kosten wenigstens etwas reduzieren lassen. Heil hatte allein in diesem Jahr einen Mehrbedarf von zwei Milliarden Euro für das Bürgergeld angemeldet.

Die „Welt“ zitiert einen Jobcenter-Mitarbeiter, der das Ziel, durch die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt 1,5 Milliarden Euro einzusparen, „absurd“ nannte. So dürfte zunächst sogar mehr Geld benötigt werden, denn die Bundesagentur (BA) hatte bereits angekündigt, dass sie mehr Personal für eine engmaschigere Betreuung von Migranten brauche.

„Schärfere Sanktionen“ für „Totalverweigerer“ hatte Finanzminister Lindner in diesem Zusammenhang angekündigt. Der Mitarbeiter des Jobcenters hingegen berichtet, dass ohnehin kaum noch sanktioniert werde – bei Einwanderern mit Kindern ohnehin nicht.

Die Verfahren seien zu langwierig und zu kompliziert. „Irre aufwendig, mit wenig Wirkung“ sei das alles. Was er berichtet, spiegelt sich zum Teil in den Statistiken wider: Die Zahl der Sanktionen lag zuletzt auf einem Drittel des Niveaus vor der Corona-Pandemie.

Wie sanktioniert werden darf, ist gesetzlich festgelegt

Und auch hier regelt das Gesetz, wie genau sanktioniert werden darf. So dürfen die Bürgergeld-Sätze um zehn, 20 oder maximal 30 Prozent gekürzt werden. Mehr geht nicht, lautete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019.

Was und wie genau Lindner nun „verschärfen“ möchte, bleibt daher unklar. Auch bei der Bundesagentur für Arbeit habe man nicht mehr Informationen. Man warte nun weitere Beschlüsse und das parlamentarische Verfahren ab.

Bei der in Nürnberg ansässigen Bundesagentur interpretiert man die Sparpläne der Ampel aber generell anders. „Nach Informationen aus Regierungskreisen erwartet die Bundesregierung im Rahmen der Etat-Einigung von der Bundesagentur für Arbeit einen Beitrag von jeweils 1,5 Milliarden Euro 2024 und 2025 und von 1,1 Milliarden Euro 2026 und 2027. Insgesamt sind dies über vier Jahre hinweg 5,2 Milliarden Euro“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats, Christina Ramb.

BA soll Zuschüsse aus Corona-Zeit teilweise zurückzahlen

Die Bundesagentur solle damit einen Teil der Mittel zurückzahlen, die sie während der Corona-Pandemie als Zuschüsse – etwa für Kurzarbeitergeld – erhalten hatte. „Das schmälert deutlich die Möglichkeit, eine auskömmliche Rücklage wieder aufzubauen.“

Dass Arbeitsminister Hubertus Heil um die Streichung oder Kürzung großer Projekte herumkommt, hat mit einem haushälterischen „Trick“ zu tun, heißt es aus Kreisen der BA.

Die Corona-Jahre hatten die Kassen von Deutschlands größter Behörde geleert. Sie blieb nur deshalb handlungsfähig, weil sie Milliarden-Zuschüsse vom Bund bekam. Nun wollte BA-Chefin Andrea Nahles wieder eine Rücklage aufbauen: 1,7 Milliarden waren in dieses Jahr geplant.

Doch nun soll die BA einen großen Teil der Zuschüsse zurückzahlen, die sie während der Pandemie bekommen hatte. Mit diesem „Trick“ wird aus dem Bundeszuschuss eine Art Darlehen. So vermeidet Heil Kürzungen an anderer Stelle, heißt es weiter.

Doch sorgt dieser Kniff für Empörung. Die Ampel könne nicht nach Belieben auf die Beitragskasse zugreifen, kritisiert Ramb. „Beitragsmittel der Arbeitslosenversicherung sind kein Sparbuch. Der Bundeszuschuss an die Bundesagentur für Arbeit war notwendig, um die finanziellen Belastungen für die Gesellschaft infolge der Corona-Pandemie abzufedern.“ Den Zuschuss nach Jahren „in willkürlicher Höhe wieder einzufordern“ sei das Gegenteil von verlässlichem Regierungshandeln“, kritisiert die Verwaltungsratsvizevorsitzende.

 

 



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