Keine Blumen auf Soldatenfriedhöfen – Antragsteller fassungslos über OVG-Entscheidung

Das OVG in Nordrhein-Westfalen wies einen Eilantrag ab. Dabei geht es um das Trauerbekundungsverbot auf zwei Soldatenfriedhöfen des Kreises Düren. Der Antragsteller, ein Düsseldorfer Jurist, ist irritiert: Blumen nur mit Ausnahmegenehmigung? 
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Eine rote Rose auf einem Soldatenfriedhof.Foto: iStock
Von 5. Juli 2023

Für den Düsseldorfer Rechtsanwalt Ingve Stjerna wirkt sein Fall wie ein bitteres Possenspiel.

Aus eigener Betroffenheit besucht er seit Jahren die in Deutschland historisch herausragenden Soldatenfriedhöfe Hürtgen und Vossenack im Kreis Düren, um dort Blumen oder Kerzen zu hinterlassen. Doch dann verbot der Kreis dies für jedermann in einer neuen Friedhofsordnung – es sei denn, man erhält eine Ausnahmegenehmigung.

Dagegen klagte der Jurist und verlor in erster Instanz, woraufhin er Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in Münster einlegte.

Nun lehnte auch das OVG NRW die Berufung gegen das vom Kreis Düren verhängte Verbot der Ablage von „Zeichen der Trauerbekundung“ auf den Soldatenfriedhöfen ab.

Jurist fassungslos über Begründung des Oberverwaltungsgerichtes

Im Gespräch mit Epoch Times zeigt sich der Rechtsanwalt fassungslos über die Begründung des Oberverwaltungsgerichtes. „Denn genau wie das Verwaltungsgericht Aachen vermied auch das Oberverwaltungsgericht NRW die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit der Friedhofsordnung“, so Stjerna.

„Das OVG schloss sich der Aussage des Verwaltungsgerichtes an, dass ich als Antragsteller ja eine Ausnahmegenehmigung für das Ablegen von Trauerbekundungen auf den Soldatenfriedhöfen beantragen kann und es nicht ersichtlich ist, dass diese abgelehnt wird.“

Genau gegen diese Pflicht zur Beantragung einer Ausnahmegenehmigung ging Stjerna jedoch vor. Denn durch sie droht in seinen Augen eine Verletzung verschiedener Grundrechte – zum Beispiel der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).

Gleichzeitig rügte er das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die neue Friedhofsordnung sowie deren mangelnde Bestimmtheit und mangelnde Verhältnismäßigkeit (Epoch Times berichtete darüber).

Die richterliche Aussage des OVG bedeutet für den Juristen, dass man auch, um eine vom Grundrecht geschützte Handlung auszuüben, einer rechtswidrigen Antragserfordernis nachzukommen habe. „Das ist für einen Rechtsstaat eine bemerkenswerte Feststellung“, so der Anwalt.

„Oberverwaltungsgericht vermied inhaltliche Auseinandersetzung“

Auch habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm, ohne dass das Gericht die neue Friedhofsordnung außer Kraft setzt, „unzumutbare Nachteile“ drohen (fehlender „Anordnungsgrund“), wirft ihm das OVG unter der stellvertretenden Vorsitzenden Richterin Dr. Mareike Weber vor.

Der Antragsteller habe zudem keine konkreten Umstände benannt, weshalb die zeitnahe Ablage von Blumen oder Kerzen auf den besagten Friedhöfen für ihn „von solch herausragender Bedeutung“ sei, dass er ein Hauptsacheverfahren nicht abwarten könne (fehlende Eilbedürftigkeit).

Den vom Juristen vorgebrachten Einwand, dass ein solches Verfahren mehrere Jahre dauert, reichte dem Gericht als Begründung nicht aus.

Auch fehle dem Antragsteller ein „besonderer individueller Bezug“ zu den besagten Soldatenfriedhöfen, denn eine „verwandtschaftliche oder sonstige individuelle Verbundenheit zu den dort bestatteten Verstorbenen“ sei nicht ersichtlich. Vielmehr könne er seinen verstorbenen Familienmitgliedern unverändert an deren Gräbern gedenken.

„Diese Art des Gedenkens“ sei „in keiner Weise eingeschränkt“, führte das Gericht weiter aus.

Stjerna empört diese Aussage. Scheint aus seiner Sicht dahinter doch die Botschaft zu stecken: „Was scheren Dich die Kriegstoten anderer Leute?“

„Gibt es also ein Recht auf Gedenken durch Ablage von Blumen oder einer Kerze nur am Grab eigener Familienangehöriger? Was machen dann diejenigen, deren Angehörige im Ausland gefallen sind und die dort beerdigt wurden? Müssen sie ins Ausland reisen, um ihrer toten Angehörigen durch Ablage einer Kerze gedenken zu können?“, fragt sich der Jurist.

Er berichtet, dass in seiner Familie vier Tote und ein schwer verwundetes Mitglied durch die Kriegshandlungen im 2. Weltkrieg zu betrauern sind. „Sie haben ihr Leben bzw. ihre Gesundheit in der Normandie, der Südeifel, in Polen, in Österreich und Russland eingebüßt.“

„Gericht muss Sonderstatus der Kriegsgräber kennen“

Von dem höchsten Verwaltungsgericht des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen erwarte er, dass es mit dem in Paragraf 1 Absatz 1 des Gräbergesetzes festgelegten gesetzlichen Sonderstatus von Gräbern von Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft vertraut sei, den er auch im Verfahren wiederholt betonte.

Entsprechend diesem Paragrafen sei „diesen Opfern kraft des Gesetzes in besonderer Weise zu gedenken und für künftige Generationen die Erinnerung daran wachzuhalten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben“, zitiert er aus dem Gesetz.

OVG-Entscheidung „trauriges Stück juristischer Zeitgeschichte“

Zusammenfassend ist für den langjährigen Juristen die Entscheidung des OVG NRW, wie er auch auf seiner Website deutlich macht, „ein ebenso trauriges wie typisches Stück juristischer Zeitgeschichte“. Es sei ein Musterbeispiel weltfremden Justizhandelns und zeige anschaulich, wie weit sich Teile der Richterschaft inzwischen nicht nur von ihren verfassungsmäßigen Aufgaben, sondern auch von der Lebenswirklichkeit und dem Anstandsgefühl vieler Menschen entfernt habe.

Seiner Ansicht nach fügt sich der Beschluss nahtlos in zahlreiche Urteile zu den Corona-Maßnahmen ein, wo die Gerichte Grundrechten der Bürger in effektiver Form zur Durchsetzung hätten verhelfen müssen.

In seinen Augen ist der Beschluss einer der Mechanismen, die Gerichte anwenden würden, um sich – in als politisch heikel empfundenen Fällen – einer inhaltlichen rechtlichen Auseinandersetzung entziehen zu können und der Exekutive möglichst nicht in die Quere zu kommen.

Der Beschluss des OVG NRW ist unanfechtbar, gegen ihn kann Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgerichtshof erhoben werden.



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