Konsequenz aus Haushaltskrise: Staatssekretär Gatzer muss nach fast 18 Jahren gehen

Über mehr als 20 Jahren stand Werner Gatzer im Bundesfinanzministerium fast ununterbrochen in leitender Funktion – seit 2005 als Staatssekretär. Nun schickt Minister Lindner ihn in den einstweiligen Ruhestand.
Das Bundesfinanzministerium in Berlin.
Das Bundesfinanzministerium in Berlin.Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Von 26. November 2023

Das folgenschwere Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse hat nun auch personelle Konsequenzen im Bundesfinanzministerium. Wie Minister Christian Lindner am Freitag, 24. November, in einer internen Mitteilung verkündete, versetzt er seinen Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer zum Jahresende in den einstweiligen Ruhestand. Nachfolger soll der Ökonom Wolf Reuter werden. Dieser war bislang Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesfinanzministerium.

Lindner bescheinigt Gatzer „großes Pflichtbewusstsein“

In dem Rundschreiben bescheinigte Lindner dem Spitzenbeamten, dieser habe sich „um unser Land verdient gemacht“. Gatzer habe sich „immer mit hohem persönlichem Engagement und viel Energie für das BMF und den Bundeshaushalt eingesetzt“. Dabei hätten ihn „rheinischer Humor und großes Pflichtbewusstsein“ ausgezeichnet.

Dennoch hat Lindner den Schritt offenbar als Konsequenz aus dem jüngsten Haushaltsdebakel für erforderlich gehalten. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November zur Schuldenbremse hat die Ampel in eine tiefgreifende Krise gestürzt.

In diesem hatte das Höchstgericht das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für verfassungswidrig erklärt. Nicht beanspruchte Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Sonderfonds sollten rückwirkend für den „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) nutzbar gemacht werden.

Dies jedoch sei eine unzulässige Umgehung der Schuldenbremse des Grundgesetzes, urteilte das BVerfG. Die Ampelkoalition steht nun vor der Herausforderung, die Summe auf andere Art und Weise abzusichern.

Hasardeur für die einen – Bauernopfer für die anderen

Gatzer hatte im Auftrag Lindners bereits am Mittwoch eine Haushaltssperre für alle Ministerien verkündet. Diese bezieht sich auch auf den sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Dieser mit einer Kreditermächtigung von 200 Milliarden Euro ausgestattete Sonderfonds stammt ebenfalls ursprünglich aus der Corona-Zeit. Er sollte nun vor dem Hintergrund der Energiekrise die Strom- und Gaspreisbremse absichern.

Mithilfe der Ausrufung einer „außergewöhnlichen Notlage“ durch den Bundestag will Lindner jetzt den Haushalt 2023 retten – und eine Aussetzung der Schuldenbremse für das laufende Jahr absichern. Dies hat der Minister am Donnerstagnachmittag angekündigt.

Inwieweit Gatzer für das Debakel der Ampel vor dem Bundesverfassungsgericht verantwortlich gemacht werden kann, ist umstritten. Kritiker sehen in ihm bereits einen Sündenbock für politische Entscheidungen, die er nicht selbst getroffen habe. Andere verweisen darauf, dass Gatzer im Bundesfinanzministerium als „Schattenmann“ galt und über das haushaltspolitische Risiko der Sondervermögen Bescheid wissen musste.

Seit Steinbrück war Gatzer unter allen Ministern Staatssekretär

Tatsächlich war Gatzer der am zweitlängsten dienende Staatssekretär in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Bereits 2002 übernahm das SPD-Mitglied unter dem damaligen Minister Hans Eichel seine erste große Leitungsfunktion als Chef des Leitungsstabes.

Im Jahr 2005 wechselte er kurzzeitig in die Funktion des Geschäftsführers der „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“. Peer Steinbrück holte ihn jedoch unmittelbar nach Amtsantritt des Kabinetts Merkel I zurück ins Ministerium – als Haushaltsstaatssekretär.

In dieser Funktion blieb er sämtlichen Bundesfinanzministern bis heute erhalten. Lediglich 2018 war er nach dem Ausscheiden des Ministers Wolfgang Schäuble kurzzeitig Vorstandschef der DB Station&Service tätig.

Nachfolger Reuter gilt als Hardliner in der Schuldenpolitik

Gatzer galt nicht als Gegner einer strikten Finanzpolitik. Im Gegenteil: Minister mussten bei ihm vorsprechen, wenn sie Mittel für ihre Behörden benötigten. Dabei soll Gatzer nicht nur eine restriktive Praxis favorisiert haben. Die Schuldenbremse und das Konzept der „schwarzen Null“ sollen auf seine Initiative zurückgegangen sein.

Allerdings waren es auch er und sein Expertenstab, die das jüngst vom Bundesverfassungsgericht jäh gestoppte Konzept rund um die Schattenhaushalte ausgearbeitet hatten. Damit sollten primär von den Grünen forcierte Klimaprojekte abgesichert werden. Der Bundesrechnungshof hatte wiederholt vor Konstruktionen dieser Art explizit gewarnt.

Nachfolger von Gatzer soll Wolf Reuter werden. Dieser war vor seinem Wechsel in die Grundsatzabteilung im Jahr 2022 vier Jahre lang als Generalsekretär des Rats der sogenannten Wirtschaftsweisen tätig. Er gilt als Vertrauter des Ökonomen Lars Feld und Befürworter einer rigiden Linie in der Haushaltspolitik.



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