Kontroversen vor Amtseinführung: Was ist von Ferda Ataman zu erwarten?

Mit der Journalistin Ferda Ataman wurde erstmals eine Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes durch den Bundestag gewählt – und erstmals eine Bewerberin mit Migrationshintergrund. Im Vorfeld gab es Wirbel wegen provokativer Formulierungen in früheren Kolumnen.
Ferda Ataman äußert sich nach ihrer Wahl zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung vor der Presse.
Ferda Ataman äußert sich nach ihrer Wahl zur Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung vor der Presse.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 12. Juli 2022

Im Jahr 2006 wurde auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erstmals das Amt eines Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung implementiert und besetzt. Organisatorisch ist die Einrichtung dem Bundesfamilienministerium zugeordnet, allerdings nicht weisungsgebunden und insofern unabhängig.

Bis 2022 ernannte der Bundesfamilienminister den dazugehörigen Amtswalter. Mit Ferda Ataman wurde am Donnerstag (7. 7.) erstmals gemäß der AGG-Änderung vom April 2022 die Leiterin der Stelle vom Bundestag gewählt – und erstmals befindet sich mit dieser eine Person in dieser Position, die selbst einen sogenannten Migrationshintergrund aufweist.

Knappe Mehrheit für Ataman

Ataman, die unter anderem als Kolumnistin von Zeitungen und Magazinen wie dem „Spiegel“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde und über mehrere Jahre als Sprecherin von Einwanderer-Interessensorganisationen fungierte, musste die sogenannte Kanzlermehrheit im Bundestag auf sich vereinen. Das bedeutete, es hätte keine Mehrheit der anwesenden Bundestagsabgeordneten zur Wahl ausgereicht, sondern es musste die Mehrheit aller gewählten Abgeordneten sein.

Am Ende wurde es sehr knapp. Um gewählt zu werden, musste sie auf mindestens 369 Unterstützer kommen – mit 376 Ja-Stimmen konnte sie diese Hürde nur knapp nehmen. Die Ampel-Koalitionsparteien verfügen zusammen über 416 Stimmen, demnach haben 40 Abgeordnete der Regierungsparteien ihr entweder die Stimme verweigert oder gar nicht an der Wahl teilgenommen.

278 Abgeordnete stimmten gegen Ataman. Neben den Vertretern der AfD waren dies vor allem auch Abgeordnete der Union, obwohl Atamans erster Dienstgeber nach ihrem Studium der frühere CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet war. Für ihn schrieb sie Reden, als dieser ab 2005 das Amt des Integrationsministers in Nordrhein-Westfalen bekleidete.

Laschet selbst beglückwünschte seine frühere Mitarbeiterin auf Twitter zu ihrer Berufung. Er bezeichnete diese als „wirklich verdient“ und äußerte an ihre Adresse: „Deine jahrelange ehrenamtliche und berufliche Arbeit kannst Du jetzt optimal einsetzen für Vielfalt in unserem Land. Viel Erfolg!“

„Kartoffel“-Kolumne schlägt Wellen

Dass Ferda Ataman am Ende lediglich acht Stimmen mehr als das erforderliche Quorum auf sich vereinen konnte, hängt ursächlich mit der Kontroverse zusammen, die im Vorfeld der Wahl vor allem mit Blick auf einige frühere Kolumnenbeiträge entbrannte.

Zudem hatte die Bewerberin um den Posten der Antidiskriminierungsbeauftragten eine Reihe von Tweets gelöscht, die aus Sicht ihrer Kritiker eine parteiische und unausgewogene Amtsführung befürchten ließen. Ataman selbst sprach von „privaten Tweets“, die sie entfernt habe, um die Neutralität ihrer künftigen Funktion zu unterstreichen.

Für besondere Aufregung sorgte eine Kolumne Atamans im „Spiegel“ aus dem Jahr 2020. Diese trug den Titel „Almanis – oder wie nennen wir Kartoffeln?“ und hat bereits wegen dieser Bezeichnung für Deutsche, die häufig mit Schulmobbing in Verbindung gebracht wird, für Missbilligung gesorgt.

Ataman distanzierte sich zwar von Mobbing gegen deutsche Schüler und später auch davon, den Begriff „Kartoffeln“ für Mehrheitsdeutsche gebraucht zu haben. In der Kolumne vertritt sie jedoch die Auffassung, es sei ein Ausdruck von „Privilegierung“, dass diese „dünnhäutig“ auf die Verwendung des Begriffs reagierten. Immerhin, so Ataman, würden die meisten Mehrheitsdeutschen, die sich über die Bezeichnung „Kartoffel“ empörten, selbst auf ihr Recht bestehen, Begriffe wie „Zigeuner“ oder „Mohr“ zu verwenden.

Die „Privilegierung“, die Deutsche ohne Migrationshintergrund nach Meinung Atamans genössen, bestehe darin, dass sie üblicherweise nicht zum Ziel pauschalisierender Zuschreibungen würden, Minderheiten hingegen häufig. Der Privilegierungsthese zufolge würden beispielsweise Muslime im öffentlichen Diskurs für Fehlverhalten anderer Muslime haftbar gemacht – Nichtmuslime für identisches Verhalten anderer Nichtmuslime jedoch nicht. In diesem Sinne würde beispielsweise ein „Ehrenmord“ oder eine Freibadprügelei der muslimischen Community in der öffentlichen Debatte insgesamt zugerechnet werden, ein „Familiendrama“ oder eine Massenschlägerei von Fußball-Hooligans hingegen nicht pauschal der Mehrheit.

Ataman fordert Abschaffung des Begriffs „Migrationshintergrund“

Für Ferda Ataman ist die Konsequenz aus der Privilegierungsthese für die praktische alltägliche Arbeit eine andere: Sie gilt beispielsweise als entschiedene Verfechterin einer Abschaffung der Erfassung eines „Migrationshintergrunds“ in Amtsgebrauch oder Statistik. Einwandererverbände erheben diese Forderung schon seit Längerem.

Wie sie vermisst auch Ataman den Sinn hinter der Erfassung dieses Merkmals – und geht davon aus, dass diese im Regelfall der Stigmatisierung und Ausgrenzung diene. Gleiches vermutete sie auch hinter der „Heimat“-Debatte des Jahres 2018.

In diesem Zusammenhang geriet die gebürtige Stuttgarterin auch in eine heftige Kontroverse mit dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer. In einem Beitrag für die Amadeu Antonio Stiftung warf sie diesem vor, mit der Aufnahme des Begriffes „Heimat“ in den Namen seines Ministeriums „Symbolpolitik für potenzielle rechte Wähler“ betreiben zu wollen.

„Anders als ‚Volk‘ – steht ‚Heimat‘ für ein schönes, wohliges Gefühl“, schrieb Ataman damals. „Aber das funktioniert nicht, wenn die Suche nach ‚Heimat‘ und ‚Identität‘ in einem flüchtlingsfeindlichen oder anti-muslimischen Frame diskutiert wird. Und genau das passiert gerade.“

Kontroversen mit Seehofer

Dass „erst über Heimatsehnsucht“ geredet werde, seit viele Geflüchtete gekommen sind, sei aus Atamans Sicht ein Indiz dafür, dass Politiker, die in jeder Zeit davon sprachen, damit eine Antwort suchten auf zunehmende Fremdenangst. Dies sei „brandgefährlich“, denn „in diesem Kontext kann Heimat nur bedeuten, dass es um Blut und Boden geht: Deutschland als Heimat der Menschen, die zuerst hier waren.“

Horst Seehofer sagte daraufhin als erster Bundesinnenminister seine Teilnahme am Integrationsgipfel mit der Begründung ab, dass Ataman ihn auf diese Weise „in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt“ fühlte.

Der Schwerpunkt von Atamans Arbeit als Antidiskriminierung wird voraussichtlich auch weiterhin darin bestehen, die ethnische, kulturelle und religiöse Pluralität in Deutschland sichtbar zu machen und auch im öffentlichen Raum abzubilden.

Dies legen zumindest auch ihre bisherigen Aktivitäten in den Vereinen „Neue Deutsche Medienmacher*innen“ (NdM) und „Neue deutsche Organisationen“ (NdO) nahe. Die NdM hatten unter anderem ein Handbuch „Diversity in Medien“ veröffentlicht, in dem neben „Diversity-Checklisten“ auch eine „30 Prozent-Quote für Journalist:innen aus Einwandererfamilien, für Schwarze Journalist:innen und Medienschaffende of Color“ empfohlen wurde. Am Mentoring-Programm des Vereins haben bis dato eigenen Angaben zufolge mehr als 300 junge Nachwuchsjournalisten teilgenommen.

In ihrer Funktion als Sprecherin der NdO hatte Ataman gegenüber dem „Tagesspiegel“ erklärt, es sei eine „radikale Entnazifizierung der Gesellschaft“ in Deutschland vonnöten. Diese müsse bereits dort ansetzen, wo es um das Thema „Integration“ gehe. Die Art und Weise, wie dieses behandelt werde, erwecke den Eindruck, nur Einwanderer und deren Nachfahren hätten Integration und Wertevermittlung nötig. Ereignisse wie in Hanau zeigten jedoch:

Da gibt es auch Einheimische, die Nachhilfe brauchen. Andere bringen bestimmte Werte schon mit, wenn sie nach Deutschland kommen.“

Kritik an Laschet-Nachfolger Wüst

In ihrem ersten Betätigungsfeld, der Landesregierung von NRW, befürchten Atamans Nachfolger in der Integrationspolitik des Landes unterdessen Rückschritte. Der wissenschaftliche Leiter des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen, Haci-Halil Uslucan, äußerte in der „Zeit“ sein Bedauern darüber, dass das Kabinett unter Laschet-Nachfolger Hendrik Wüst unter seinen zwölf Ministern keinen einzigen mit Wurzeln in einer Einwanderercommunity habe.

Dies sei angesichts der 30 Prozent Einwohner in Nordrhein-Westfalen mit migrantischem Hintergrund bedauerlich, so Uslucan. „Dass eine Person mit Zuwanderungsgeschichte ein hohes Amt bekleidet, kann Strahlkraft haben“, die Identifikation mit Deutschland steigern, das Interesse an Politik erhöhen sowie Vorbildwirkung entfalten, fügte er hinzu.

Allerdings bescheinigte das Zentrum dem Land NRW „eine im bundesweiten Vergleich recht gute Integrationspolitik“.

(Mit Material der dpa)



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