Linke fordert Vermögenssteuer gegen Lehrermangel

Der Lehrermangel ist bundesweit auf einem alarmierenden Hoch. Die Linke fordert daher eine Bildungsoffensive. Hinter den Plänen versteckt sich allerdings eine ganz andere Offensive.
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Ausfälle von Unterricht sind keine Seltenheit mehr – Lehrer fehlen überall in Deutschland.Foto: iStock/Chinnapong
Von 19. Januar 2023

Derzeit fehlen in Deutschland bis zu 40.000 Lehrer. Zum einen wird über Quereinsteiger diskutiert. Die Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, hat neue Pläne und strebt eine Bildungsoffensive an. Das Ziel: 100.000 Lehrkräfte und 200.000 Erzieher sollen zusätzlich eingestellt werden. Die Kosten dafür sollen durch die Einführung einer Vermögenssteuer gedeckt werden.

Wissler kritisierte, dass Lehrkräfte vor allem in sozialen Brennpunkten und benachteiligten Stadtvierteln fehlten. Dort seien sie aber am meisten nötig. „Der Zugang zu Bildung ist weiterhin in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig“, bekräftigte sie. Die Sozialarbeit sei ein wichtiger Brückenkopf, der an jeder Schule, egal wo und in welchem Gebiet der Republik, fest integriert werden müsse. Ihre Forderung daher: Auf 150 Schüler müsse es mindestens eine Person für die Sozialarbeit geben.

Studium verkürzen

Um dem Lehrermangel entgegenzuwirken, wird häufig über eine schnellere Anerkennung ausländischer Lehramtsabschlüsse sowie die Qualifikation von Quer- und Seiteneinsteigern nachgedacht. Quereinsteiger haben einen Abschluss in einem Bereich, der einem Unterrichtsfach entspricht. Sie holen ein zweites Fach und eine pädagogische Ausbildung mit weniger Unterrichtsstunden nach.

Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung Gerhard Brand kritisiert den vermehrten Einsatz von Quereinsteigern: „Lehrkräftemangel ist für uns in der Schule nicht nur eine Zahl, es ist eine reale Bedrohung für die pädagogische Qualität unseres Angebots. Vor allem, wenn noch lauter darüber nachgedacht wird, das Lehramtsstudium zu verkürzen und die Lehrbefähigung schon mit dem Bachelor erreicht wird.“ Diese Pläne seien ein Irrweg, warnte er.

Quereinsteiger: Rechtliche Grundlage fehlt

Das Berliner Verwaltungsgericht erkannte das Problem der pädagogischen Lücke von Quereinsteigern und urteilte, dass bei den Quereinsteigern in Lehrerberufen für die Ausbildung eine rechtliche Grundlage fehle.

In Berlin waren 2021/22 rund 30 Prozent der eingestellten Lehrkräfte Quereinsteiger. Die Richter sehen dies allerdings als neuen Zugang für den Lehrerberuf und fordern ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung. Prüfungsverfahren und die erforderlichen Leistungen müssten darin festgelegt sein.

Vermögenssteuer einführen

Die aktuellen Zahlen zum Lehrermangel bezeichnet Wissler als „erschreckend“ und einen „Weckruf“. Seit Jahren gebe es Warnungen, dass sich der Lehrermangel massiv verschärfen werde. Dabei sei stets die Ausrede verwendet worden, dass nicht genügend Lehrkräfte ausgebildet und eingestellt werden.

„Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern, um mehr Studienplätze für das Lehramt und gute Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte zu schaffen“, fordert Wissler. Ein Bestandteil davon seien auch kleinere Klassen, unbefristete Verträge und der Ausbau der Schulsozialarbeit. „Hier darf sich die Ampel nicht aus der Verantwortung stehlen und auf die Zuständigkeit der Länder verweisen“, sagte Wissler.

Diese Bestrebungen kosten allerdings. Für die entstehenden Kosten sieht Wissler eine „vernünftige Steuerpolitik“ als Lösung. Diese würde dazu führen, dass die Länder ihren Aufgaben überhaupt nachkommen könnten. Ihrem Vorschlag zufolge solle eine Vermögenssteuer erhoben werden, die vollständig an die Länder geht. Somit werde die Bildungsfinanzierung auf neue Füße gestellt.

Der Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung Ties Raabe (SPD) betont allerdings, dass das Problem schon vor der Lehrerausbildung beginne. Es gebe nicht genügend Bewerber an den Universitäten. Selbst wenn die Ausbildungskapazitäten aufgestockt würden, würden Personen für das Studium fehlen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Lehramtsabsolventen um 13 Prozent zurückgegangen – obwohl die Studienplätze erhöht wurden.

Geld reicht nicht aus

Durch das Corona-Aufholprogramm investierte der Bund zwei Milliarden Euro in Schulbildung. Diese haben laut einer repräsentativen Umfrage der Robert Bosch Stiftung aus dem Januar 2023 allerdings nur wenig gebracht: Lediglich ein Drittel bezeichnet das Corona-Aufholprogramm als wirkungsvoll. Vor allem sozial benachteiligte Standorte geben einen geringen Effekt an.

Ein großes Problem sind laut Umfrage geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine. Im Durchschnitt sind das sieben Schüler je Schule. Hinzu kommen Schüler aus anderen Ländern, je Schule durchschnittlich fünf. Rund die Hälfte der Schulen gibt an, keine Kapazitäten mehr für die Aufnahme weiterer Schüler zu haben.

Die große Mehrheit der Schulleitungen (79 Prozent) fordert dringend weitere Fördermittel – trotz der zwei Milliarden Euro hohen Unterstützung.

„Der Lehrerberuf muss attraktiver werden“

Laut der Umfrage ist für zwei Drittel der Schulleiter das fehlende pädagogische Personal die größte Herausforderung. An sozial benachteiligten Standorten sagen dies sogar 80 Prozent.

Laut der Leiterin des Bereichs Bildung bei der Robert Bosch Stiftung, Dr. Dagmar Wolf, gibt es keine schnelle und vor allem keine einfache Lösung für den Lehrkräftemangel.

Weniger bürokratischer Aufwand könnte die aktuelle Personalnot an den Schulen aber zumindest lindern, indem beispielsweise die Anstellung von Unterstützungsfachkräften in der Verwaltung, von pädagogischen Assistenzkräften oder ausländischen Lehrkräften erleichtert wird. Gleichzeitig muss jetzt langfristig geplant werden. Eine Erhöhung der Kapazitäten in den Lehramtsstudiengängen reicht dazu nicht aus. Der Lehrerberuf muss attraktiver werden.“

Auch der Bildungsdirektor der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Andreas Schleicher sieht das Problem vor allem in den Arbeitsbedingungen.

Der Lehrerberuf ist in Deutschland intellektuell zu unattraktiv und die Lehrer haben viel zu wenig die Gelegenheit, das zu tun, wofür sie eigentlich in den Beruf gegangen sind: Nämlich jungen Menschen zu helfen, ihren Weg zu finden, und sie auf diesem Weg zu begleiten.“

Im zufolge sollten Lehrer die Möglichkeit haben, eigene Ideen zu entwickeln und kreative Unterrichtskonzepte zu erproben.



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