Lockdown-Jahr 2020: Kleinstädte im Süden Deutschlands besonders hart betroffen

Besonders die früher wirtschaftsstärksten deutschen Kleinstädte in Bayern und Baden-Württemberg haben unter den Auswirkungen des ersten Corona-Jahres 2020 zu leiden. Kommunale Verbände rechnen bereits mit höheren Steuern und Gebühren und Leistungskürzungen für ihre Einwohner.
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Der Flughafen München (Archivbild) bietet Einwohnern des nahe gelegenen Städtchens Hallbergmoos viele Arbeitsplätze. Aufgrund der Corona-Restriktionen stürzte die Kleinstadt wirtschaftlich besonders stark ab.Foto: Matthias Balk/dpa/dpa
Von 25. Mai 2023

Die Kommunen und Kleinstädte in Deutschland geraten wirtschaftlich offenbar immer mehr unter Druck. Wie das Onlineportal „Kommunal.de“ berichtet, spielte die Corona-Politik des Jahres 2020 mit den zwangsweise geschlossenen Betrieben dabei offenbar eine große Rolle. Nach Informationen des „Handelsblatts“ kommen viele Kommunen wohl demnächst nicht mehr darum herum, ihre Steuern und Gebühren zu erhöhen.

Besonders „Kleinstädte, die vor Corona besonders wirtschaftsstark waren“, hätten 2020 „die größten Einbrüche zu verzeichnen“ gehabt, schreibt das Portal „Kommunal.de“. Das gehe aus einer aktuellen Untersuchung aller 899 deutschen Städte hervor, die zwischen 10.000 und 20.000 Einwohner beherbergten.

Wirtschaftsstärkste leiden heute am meisten

Die Kleinstädte mit den schlimmsten Verlusten habe man folgerichtig in Bayern, Baden-Württemberg, dem Rhein-Main-Gebiet und im südlichen Nordrhein-Westfalen gefunden. „In diesen Regionen liegt ein Großteil derjenigen Kleinstädte, die sich bei den Verlusten im oberen Drittel wiederfinden“, präzisiert „Kommunal.de“. Am wenigsten negative Auswirkungen habe das Coronajahr 2020 in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen, Niedersachsen und im Saarland verursacht.

Absturz besonders groß in Oberbayern

Spitzenreiter bezüglich Wirtschaftseinbruch sei die oberbayerische 11.000-Seelen-Stadt Hallbergmoos im Landkreis Freising – wegen ihrer starken Abhängigkeit vom nahen Flughafen und dem angeschlossenen Gewerbegebiet „München Airport Business Park“. In Hallbergmoos dominierten die Branchen „Handel, Verkehr und Gastgewerbe, gefolgt von Unternehmensdienstleistern“, also ziemlich genau jene Branchen, die einen Lockdown nur schwer verkraften konnten.

Nicht viel anders habe es in Herrsching am Ammersee (Landkreis Starnberg, ebenfalls Oberbayern) ausgesehen – der malerische Ort landete auf Platz drei.

Als Trost mag eine Erhebung von „Kommunal.de“ vom Juni 2022 dienen: Demnach liegt auch die lebenswerteste Kleinstadt Deutschlands in Oberbayern, nämlich der finanzstarke Film- und Promi-Ort Grünwald bei München, gefolgt vom Medienstandort Unterföhring und Garching. „16 der 20 Bestplatziertesten [sic!] sind Gemeinden aus Bayern“, stellte „Kommunal.de“ fest.

Baden-Württemberg: Wörth und Sinzheim besonders betroffen

Doch zurück zu den gebeutelten Kleinstädten: Platz zwei, Platz vier und zehn weitere der 20 am härtesten Getroffenen liegen laut „Kommunal.de“ in Baden-Württemberg. Schon die Nummer zwei der größten Corona-Verlierer sei das Industriestädtchen Wörth am Rhein im Landkreis Germersheim. Auf dessen Territorium befinde sich das weltweit größte Lkw-Montagewerk inklusive Zulieferbetrieben, ein Thyssen Krupp-Standort und „ein großes Verteilzentrum eines Discounters“. Auf Platz vier sei Sinzheim im Landkreis Rastatt gelandet, „gefolgt von Niefern-Öschelbronn im Enzkreis“.

Die zehn von Corona am stärksten betroffenen Kleinstädte Deutschlands:

  1. Hallbergmoos
  2. Wörth am Rhein
  3. Herrsching am Ammersee
  4. Sinzheim
  5. Niefern-Öschelbronn
  6. Ismaning
  7. Blumberg
  8. Neuhausen auf den Fildern
  9. Gernsbach
  10. Durmersheim

Lage im Osten weniger schlimm

Sechs jener zehn Kleinstädte, die nach den Wirtschaftsstatistikdaten am glimpflichsten durch die Krise gekommen seien, habe man in den östlichen Bundesländern festgestellt. Dazu gehörten die brandenburgischen Städte Dallgow-Döberitz, Wittenberge und Perleberg, außerdem Hildburghausen und Schleusingen in Thüringen. Auch das sächsische Klipphausen im Landkreis Meißen stehe noch relativ gut da.

In „westdeutschen Flächenländern“ habe „etwa Bohmte im Landkreis Osnabrück“ (Niedersachsen) die jüngsten Krisen recht gut bewältigt. (Nähere Informationen auf „Contor.org“).

Die Studie war von „Kommunal.de“ nach eigenen Angaben selbst in Zusammenarbeit mit dem „Standorttool Contor Regio“ erstellt worden. Gemessen wurden nach Angaben des Portals 28 Parameter wie der Arbeitslosenanteil, das lokale Bruttoinlandsprodukt oder die Steuereinnahmen anhand offizieller Landes- oder Bundesdaten, ebenso Unternehmenskennzahlen und die „Produktivität oder der Beschäftigtenanteil“ in verschiedenen Wirtschaftsbranchen – mit einer besonders starken Gewichtung der Hotellerie. Als Vergleichsmaßstab habe man die entsprechenden Daten des Vor-Corona-Jahrs 2019 herangezogen.

Kommunen wollen reagieren

Nach Angaben des „Handelsblatts“ (Bezahlschranke) planen viele Kommunen, ihre Steuern und Gebühren „schon bald“ nach oben anzupassen. Das habe Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, angekündigt. „Uns laufen die Ausgaben weg, unter anderem für Soziales, Flüchtlinge, Energie, Personal und aufgrund der Inflation“, sagte Landsberg. Die Kommunen seien gesetzlich verpflichtet, Kostensteigerungen auf diese Weise zu kompensieren.

Landkreistagspräsident Reinhard Sager teilte Landsbergs Analyse von einer „prekären Lage“: „Einzelne oder viele Gemeinden [könnten] gezwungen sein, die Grund- und die Gewerbesteuer zu erhöhen“. Dass die „Zahl der defizitären Haushalte“ steige, zeige schon ein Blick in die „Haushaltsplanungen der Landkreise“. Diese müssten auch auf die jüngste Tarifeinigung im öffentlichen Dienst reagieren, die allein 2023 zusätzliche Belastungen von fünf Milliarden Euro bedeute.

„Enorme Investitionserwartungen“ kaum zu erfüllen

Während schon jetzt ein „Investitionsrückstand“ in Höhe von 166 Milliarden Euro auf kommunaler Ebene existiere, sähen sich die Kommunalpolitiker mit „enormen Investitionserwartungen“ konfrontiert, sagte Landsberg. „Die hohen Klimaschutzanforderungen im Gebäudebereich sind mit weniger Geld immer schlechter zu erfüllen“, betonte Landsberg.

Zu rechnen sei außerdem mit Einschnitten im Angebot „bei Kitaplätzen, Schulen oder dem öffentlichen Personennahverkehr“. Es sei deshalb an der Zeit, eine „offene Diskussion darüber [zu] führen, welche staatlichen Leistungsversprechen priorisiert werden sollten“. Immerhin gehe es angesichts des Schuldenstands auch um die Belastungen für zukünftige Generationen. Der Wirtschaftsweise Achim Truger betrachte die Gesamtlage der Kommunen als „nicht gut für die Konjunktur im kommenden Jahr“.



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