Politisches Hickhack um nicht abgeschobenem islamistischen Gefährder: Union nutzt Amri-Sondersitzung für Kritik an SPD

Die nordrhein-westfälischen Behörden hätten die Abschiebung Amris nicht mit der nötigen "Dringlichkeit und Vehemenz" vorangetrieben, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), am Montag in Berlin. NRW-Innenminister Ralf Jäger wies die Vorwürfe zurück. "Um es mal ganz deutlich zu sagen: Die Bundesregierung hat Rücknahmeabkommen mit Ländern wie Tunesien und Marokko und Algerien vereinbart, die in den Ländern und Kommunen nicht praktikabel umsetzbar sind", sagte er.
Titelbild
BundestagFoto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times13. Februar 2017

Bei einer Sondersitzung des Innenausschusses zu möglichen Behördenpannen im Fall des Berlin-Attentäters Anis Amri hat die Union die SPD-geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ins Visier genommen.

Die nordrhein-westfälischen Behörden hätten die Abschiebung Amris nicht mit der nötigen „Dringlichkeit und Vehemenz“ vorangetrieben, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), am Montag in Berlin. Viele Fragen der Abgeordneten blieben nach der fünfstündigen Sitzung offen.

Der Ausschuss hatte unter anderem NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) angehört. Mayer zeigte sich „überrascht“, dass Jäger die Verantwortung den Behörden von Amris Heimatland Tunesien zuschiebe, die erforderliche Ausweispapiere nicht geliefert hätten. Das sei „zu einfach“. Die Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen hätten zumindest versuchen müssen, vor Gericht Abschiebehaft zu beantragen.

Auch der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sagte, Nordrhein-Westfalen sei „in erster Linie“ verantwortlich, dass Amri nicht inhaftiert wurde. Da der Tunesier wegen einer Reihe kleinkrimineller Vergehen aktenkundig war, hätte es dafür „gleich mehrere Chancen“ gegeben.

Jäger wies die Vorwürfe nach der Sitzung zurück. „Um es mal ganz deutlich zu sagen: Die Bundesregierung hat Rücknahmeabkommen mit Ländern wie Tunesien und Marokko und Algerien vereinbart, die in den Ländern und Kommunen nicht praktikabel umsetzbar sind“, sagte er. Die Einschätzung, dass von Amri keine unmittelbare Anschlagsgefahr ausgehe, sei derweil unter Beteiligung von Bundes- und Landesbehörden im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) getroffen worden.

„Fehler sind überall gemacht worden“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka. „Es hat keinen Zweck, wenn man in Zukunft solche Fälle verhindern will, dass einer auf den anderen zeigt, was Zuständigkeiten angeht.“ Angesichts der Schuldzuweisungen beklagte der Linken-Abgeordnete Frank Tempel, dass in der Sitzung insbesondere zwischen Union und SPD der „Wahlkampf der kommenden Monate“ zu spüren gewesen sei.

Amri konnte am 19. Dezember den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit zwölf Toten begehen, obwohl er als islamistischer Gefährder auf dem Radar der Sicherheitsbehörden war. Seine Überwachung war vor dem Anschlag mit einem gekaperten Lkw eingestellt worden. Der Tunesier hatte sich mehrere Identitäten zugelegt und war häufig zwischen Berlin und Nordrhein-Westfalen gependelt.

Bei der Sondersitzung des Innenausschusses sagten neben Jäger und dem Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) unter anderem auch die Chefs von Bundesnachrichtendienst, Bundesverfassungsschutz und Bundeskriminalamt aus. „Es sind noch längst nicht alle Fragen beantwortet“, erklärte anschließend die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Die Bereitschaft der angehörten Behördenvertreter, Fehler einzuräumen, sei „praktisch nicht vorhanden“.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte, dass das Format der Sondersitzung der Komplexität der Thematik nicht gerecht werde – nicht zuletzt, weil die Abgeordneten keine Akteneinsicht hätten. Notz forderte, dass sich Opposition und Koalitionsfraktionen ein „sinnvolles parlamentarisches Verfahren“ überlegen müssten. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele erklärte, „dass ein Untersuchungsausschuss auf Bundesebene immer näher rückt“.

Die große Koalition überlässt die Aufarbeitung im Fall Amri zunächst dem für die Geheimdienstaufsicht zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr). Ein Untersuchungsausschusses des Bundestages ist damit zwar nicht vom Tisch, allerdings gibt es Zweifel, ob dies in der sich zu Ende neigenden Legislaturperiode noch sinnvoll ist. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion