Polizeivertreter sagen „unter Aufsicht“ im Corona-Untersuchungsausschuss aus

Im Corona-Untersuchungsausschuss des brandenburgischen Landtags wurden am 16. Februar die Leiter der Polizeidirektionen befragt. Während sich die Aussagen zur Einsatztaktik oft deckten, gab es zur Wahrnehmung von maßnahmenkritischen Demos auch auffallende Unterschiede.
Titelbild
Vernehmung des Zeugen Frank Storch (r.) – Leiter der Polizeidirektion Nord des Landes Brandenburg, am 16.02.2024.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 18. Februar 2024

Im brandenburgischen Landtag fand am Freitag, 16. Februar, erneut eine Sitzung des bundesweit einzigen Corona-Untersuchungsausschusses statt. Dieses Mal stand im Fokus der Umgang der Polizei mit den Versammlungen und „Spaziergängen“ in Brandenburg, die die Corona-Maßnahmen kritisierten und im Zeitraum September 2020 bis November 2022 stattfanden.

Bei den Befragungen der Leiter der Polizeidirektionen zeigten sich deutlich unterschiedliche Einschätzungen. Frank Storch, Leiter der Polizeidirektion Nord, sprach von überwiegend friedlichen Verläufen auf den Demonstrationen in der Corona-Krise in seinem Bereich.

„Hasserfüllte Blicke, Anspucken und Beleidigungen“

Sven Bogacz, Leiter der Polizeidirektion Süd, hatte eine andere Wahrnehmung. Für ihn war die Sicherheitslage damals schwer zu bestimmen. So wäre eine „Zielrichtung“ der Versammlungen neben der „Meinungskundgabe“ auch die „Überforderung der Polizei“ gewesen. Zudem habe es Aufrufe gegeben, den Staat zu delegitimieren.

Bis zum Ende 2021 habe es wenig Auffälligkeiten gegeben, dies habe sich später gewandelt. Es gab dann auch „hasserfüllte Blicke, Anspucken und Beleidigungen“ gegenüber den Polizeibeamten. Zudem sei es auch zu „Widerstandshandlungen, aufgeputschtem oder ablehnenden Verhalten“ seitens der Protestierenden gekommen.

„Spaziergänger“ kritisieren die Corona-Maßnahmen. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Bogacz sprach auch von „konspirativem Verhalten“, das Bürger in Brandenburg in der Zeit gezeigt hätten, um sich und ihre „Spaziergänge“ unentdeckt vor der Polizei zu halten oder miteinander sich abzusprechen. Das wäre für ihn ein Zeichen der Delegitimierung des Staates. „Es war manchmal wie ein Versteckspiel“, so Bogacz im Zeugenstand.

40-mal so viele Versammlungen

Während es am Anfang thematisch bei den Protesten ausschließlich um Kritik an den Corona-Maßnahmen ging, wären später die Themen breiter gefächert gewesen. Dann sei es auch um den Weltfrieden und anderes gegangen, so Bogacz. „Man hat einfach alles reingepackt, um eine breite Aktivierung in der Bevölkerung zu erreichen,“ so der Direktionsleiter.

Die Anzahl der Versammlungen während der Hochzeit von Ende 2021 bis Anfang 2022 wäre 40-mal so hoch gewesen wie in den Jahren vor 2020. Teilweise hätten Kriminalbeamte, die sonst mit anderen Aufgaben betraut wären, Versammlungen begleitet. Auch war man zur Bewältigung der Proteste auf Unterstützung durch die Bundespolizei und Berliner Polizeikräfte angewiesen.

Der Chef der Polizeidirektion Nord sprach hingegen von einer Verzwölffachung – von circa zehn Versammlungen vor Corona bis 120 Versammlungen im Januar 2022.

Direktionsleiter: Wertfreier Umgang mit Protesten

Beide Direktionsleiter widersprachen dem Vorwurf, sie hätten sich bei Maßnahmen-kritischen Demonstrationen anders verhalten als bei sonstigen Versammlungen. Für sie gelte das Neutralitätsgebot. Aus Sicht von Storch wurde „wertfrei“ seitens der Polizei mit den Versammlungen umgegangen und der Verfassungsrang wurde eingehalten. Es hätte keine politische Kategorisierung gegeben, solange keine Gefahrenlage erkennbar war.

Taktische Ziele wären damals das „versammlungsfreundliche und deeskalierende Agieren“ gewesen, so Bogacz. Die Polizisten haben stets angemessen gehandelt und sich an Recht und Gesetz gehalten. Remonstrationen, also dass Polizeibeamte die Ausführung von Einsatzbefehlen für nicht rechtens gehalten hätten, sind beiden nicht bekannt; auch nicht, dass ein Polizist sich geweigert hätte, die Corona-Verordnungen umzusetzen.

Vernehmung des Zeugen Sven Bogacz (r.), dem Leiter der Polizeidirektion Süd des Landes Brandenburg. Neben ihm sitzt der Zeugenbeistand Nico Neuendorf. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Bogacz konnte nur wenige konkrete Zahlen nennen. So blieben Fragen danach, wie viele Personen damals polizeilich registriert wurden oder wie viele Angriffe es auf Polizisten gab, unbeantwortet. Auch zu der Zahl der damals gefertigten Strafanzeigen- oder Ordnungswidrigkeiten gegen Versammlungsteilnehmern konnte er nichts sagen. Es gebe in der polizeilichen Statistik keine spezielle Zuordnung zu „Corona“.

Bericht des damaligen UN-Sonderberichterstatters flüchtig gelesen

Den Bericht des damaligen UN-Sonderberichterstatters für Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Nils Melzer, zu Polizeigewalt in Berlin gegen Corona-Maßnahmen-Kritikern bei Versammlungen habe er nur flüchtig gelesen, da sein Bereich nicht davon betroffen gewesen wäre. Der UN-Experte hatte den deutschen Behörden im März 2022 „Systemversagen“ bei der Erfassung und Ahndung von Polizeigewalt attestiert.

Laut Bogacz musste bei den Versammlungen niemand, der glaubhaft darstellen konnte, dass er vom Maskentragen befreit sei, eine Maske tragen. Man habe Fälschung von Impfausweisen und den betreffenden QR-Codes damals im mittleren zweistelligen Bereich bei Kontrollen unter den Versammlungsteilnehmern festgestellt. Der Direktionsleiter Nord konnte nicht sagen, woran Fälschung genau festgemacht wurden.

Auf die Frage, wann Bogacz erstmals davon erfuhr, dass die COVID-19-Impfung keinen Fremdschutz bietet, antwortete er, dass es eine medizinische Frage sei und er dazu nichts sagen kann. Das sogenannte „Corona-Angstpapier“ des Bundesinnenministeriums vom März 2020 kannten beide nicht.

Direktionsleiter mischte sich in Zivil unter „Spaziergänger“

Der Leiter der Polizeidirektion Süd sagte aus, er habe selbst verdeckt als Polizist in Zivil Versammlungen und „Spaziergänge“ begleitet. Dabei sei Bogacz einmal von einem „Spaziergänger“ angesprochen worden.

Dieser habe ihm gesagt: „Heute formieren wir uns nicht, es ist zu viel Polizei da“. Aus solchen Äußerungen schätzt er ein, dass man den Staat und seine Institutionen wie die Polizei als solche nicht mehr anerkenne und somit den Staat delegitimiere.

Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Oranienburg (Brandenburg).

Teilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Oranienburg (Brandenburg). Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

Auch gebe es in Brandenburg eine Reichsbürgerszene und ein „rechtes Milieu“, das sich an den Corona-Protesten beteiligt habe. Sie hätten oft die polizeilichen Ansagen und Anweisungen ignoriert, was für ihn ebenfalls eine Delegitimierung des Staates darstellen würde.

Politikerin kritisiert Festlegungen anhand Inzidenzzahl

Polizeiliche Entscheidung, ob damals Versammlung hätten stattfinden dürfen, wären zeitweise von den Inzidenzzahlen abhängig gewesen, erklärt Bogacz.

Das AfD-Mitglied im Untersuchungsausschuss, Dr. Daniela Oeynhausen, ist das weiterhin ein Skandal: „Inzidenzzahlen wurden tatsächlich herangezogen, um Grundrechte der Bürger einzuschränken, wie das Demonstrationsrecht, wie die Versammlungsfreiheit“, erklärt sie nach der Sitzung gegenüber Epoch Times.

Die Ärztin sieht darin eine Willkür, die Bürger zu Recht beklagen würden. Denn das Robert Koch-Institut, eine Regierungsbehörde, habe die Zahlen herausgegeben. Keine andere Institution habe die Zahlen hinterfragt; auch nicht, ob die Inzidenzwerte belastbar wären und zur Eindämmung der Virusübertragung überhaupt genutzt werden könnten.

Sie habe damals an einer Corona-Demo in ihrem Wohnort teilgenommen. „Es war eine sehr bürgerliche und friedliche Demonstration.“ Trotzdem habe es ein hohes Polizeiaufgebot gegeben, was sie und andere Teilnehmer wunderte und einige auch als bedrohlich wahrnahmen.

Begründet habe man dies damit, dass es eine Gegendemo hätte geben können. „Das lässt mich ratlos zurück.“ Sie hat bei der Befragung der Direktionsleiter eine kritische Selbstreflexion vermisst.

Sie vermutet, dass es den vielen Corona-Demonstranten zu verdanken sei, „dass die Corona-Maßnahmen so schnell abgeschafft wurden, weil die Polizei an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt war.“

Direktionsleiter kann sich nicht an Gefährderansprache erinnern

Der AfD-Landespolitiker Lars Schieske ist ebenfalls Mitglied des Ausschusses. Er war mehrfach in der Corona-Zeit Versammlungsleiter von Maßnahmen-kritischen Versammlungen in Cottbus, also im Bereich der Polizeidirektion Süd. Eine Versammlung sei damals untersagt worden. Daraufhin hat er nach eigenen Aussagen geklagt und dann auch Recht bekommen.

Er erklärte, dass damals Versammlung nicht angemeldet wurden und als „Spaziergänge“ stattfanden, weil eine der Voraussetzung zur Durchführung von Versammlungen das Maskentragen war, gegen das man auf die Straße ging. Laut Bogacz, habe es zu Hochzeiten der Corona-Proteste mehr nicht-angemeldete als angemeldete Versammlungen gegeben.

Lars Schieske, Landtagsabgeordneter der AfD in Brandenburg. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Schieske sei aufgefallen, dass die Polizei sich anfänglich defensiv verhielt. Mitte Januar 2022 sei die Polizei dann gegen die Corona-Demos anders vorgegangen. Es habe nun ein unverhältnismäßig hohes Polizeiaufgebot und Einkesselungen von Demonstranten gegeben. Er sieht das veränderte Polizeiverhalten darin begründet, dass es andere Anweisungen gab. „Ich hätte heute gerne erfahren, wer für die damaligen polizeilichen Anweisungen verantwortlich war.“ Diese Antwort habe er heute aber nicht bekommen.

Auch beklagt er, dass er keine klaren Antworten zu Gefährderansprachen bei Corona-Maßnahmenkritikern bekam. Bogacz erklärte dazu, dass sich daran nicht mehr erinnern könne, aber er hält es für möglich, dass es sie gab.

Schieske verwunderte diese Aussage: „Ein Direktionsleiter kann sich nicht daran erinnern, dass ein Landtagsabgeordneter zwei Gefährderansprachen bekam, weil er zum Spaziergang aufgerufen haben soll?“

Unter einer Gefährderansprache versteht man ein konfrontatives Gespräch der Polizei mit einem als Gefährder definierten Person, um einer Straftat vorzubeugen.

Cottbus ein „toxisches Milieu“?

In den sozialen Medien habe er damals geschrieben, dass sein Arzt ihm empfohlen habe, im Freien spazieren zu gehen. „Das war ein Grund der Gefährderansprache.“ Damit hätte er laut Polizei damals die öffentliche Ordnung gestört und zu eventuellen Gewalttaten oder Straftaten aufgerufen. Ein anderes Mal soll er bei einem illegalen Spaziergang gesehen worden sein, „was überhaupt nicht stimmt“, so der gelernte Feuerwehrmann.

Er sieht einen Zusammenhang zwischen den Aussagen des brandenburgischen Verfassungsschutzes, der im Zusammenhang mit Cottbus immer gerne von einem „toxischen Milieu“ spräche, was sich dort bilden würde. Er sieht dies anders. „Wir sprechen davon, dass wir in Cottbus immer noch Menschen haben, die sich ihre Art des Selbstdenkens erhalten haben und auch erkennen, wenn irgendwas schiefläuft.“

„Indirekter Dienstvorgesetzter“ war mit dabei

Neben Bogacz und den anderen befragten Polizisten saß als Zeugenbeistand Nico Neuendorf, Referatsleiter für polizeiliche Strategie im brandenburgischen Innenministerium. Die Landespolizei untersteht dem Innenministerium.

Er gab mehrfach Hinweise an die Zeugen und tauschte sich mit ihnen während der Befragung aus. Schieske hatte den Eindruck, da jemand vom Innenministerium als „indirekter Dienstvorgesetzter“ neben den Zeugen saß, dass die Fragen „nicht entsprechend beantwortet“ wurden. „Sie waren gut abgestimmt.“

Aktiv an der Befragung der Zeugen beteiligt haben sich die Fraktionen der AfD, der CDU und der Freien Wähler. Sporadisch wirkten die SPD und Linken-Fraktion mit. Die Vertreterin der Grünen stellte keine einzige Frage.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 19. Februar 2024 aktualisiert.



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