„Reichsbürger-Putsch“: Heinrich XIII. Prinz Reuss und Vertraute vor Gericht

Am 21. Mai hat in Frankfurt am Main der Prozess gegen neun mutmaßlich leitende Mitglieder jener terrorverdächtigen Reichsbürger-Gruppe begonnen, die im Dezember 2022 bei einer Großrazzia festgesetzt worden war. Videoaufnahmen wird es trotz Antrags einer Strafverteidigerin nicht geben.
In Frankfurt hat der Prozess gegen die mutmaßliche «Reichsbürger»-Gruppe um Prinz Reuß begonnen.
In Frankfurt am Main hat am 21. Mai der Prozess gegen die mutmaßliche „Reichsbürger“-Gruppe um Prinz Reuß in einer eigens errichteten „Leichtbauhalle“ begonnen.Foto: Helmut Fricke/dpa
Von 22. Mai 2024

Nachdem vor gut drei Wochen der erste Prozess um eine Gruppe von terrorverdächtigen „Reichsbürgern“ in Stuttgart begonnen hatte, stehen seit Dienstag, den 21. Mai 2024, weitere neun Angeklagte in Frankfurt am Main vor Gericht. Zu ihnen gehören vorwiegend die mutmaßlichen Hauptfiguren, darunter der Frankfurter Immobilienkaufmann und womögliche „Rädelsführer“ Heinrich XIII. Prinz Reuß.

Nach Informationen des „Stern“ wurde nur für den Prozess eine „Leichtbauhalle“ als Sitzungssaal im Stadtteil Sossenheim im Westen der Main-Metropole aufgebaut. Die Kosten für Aufbau und Betrieb lägen bei rund einer Million Euro. Fünf Richter und zwei „Ergänzungsrichter“ des Oberlandesgerichts (OLG) sollen hier ein Urteil sprechen, so der „Stern“. Sie müssen die jeweiligen Argumente der Staatsanwaltschaft um Oberstaatsanwalt Tobias Engelstetter und des 26-köpfigen Verteidigerteams bewerten.

Nach Angaben des Gerichts hatte ein Vertreter des Generalbundesanwalts „den Anklagesatz aus der Anklageschrift verlesen“. Dazu war er laut „Stern“ aber erst am frühen Nachmittag gekommen. Zweieinhalb Stunden habe sein Vortrag in Anspruch genommen. Zuvor hätten „zahlreiche“ Strafverteidiger in den Vormittagsstunden versucht, erste Anträge zu stellen, berichtet die „Frankfurter Rundschau“ (FR). Mit Ausnahme eines Antrags seien die Forderungen aber nicht zur Entscheidung angenommen, sondern auf später verschoben worden.

Videomitschnitt nicht zugelassen

Lediglich einen Antrag von Kerstin Rueber-Unkelbach, der Anwältin der ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann, habe der Senat um den Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk sogleich abschlägig beschieden: Entgegen dem Antrag dürfe es keinen Videomitschnitt der Verhandlung geben. Rueber-Unkelbach habe einen solchen Mitschnitt wegen der „besonders herausragende[n] zeitgeschichtliche[n] Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ durchsetzen wollen. Nach ihren Vorstellungen sollten Videos vom Prozess auch den übrigen Angeklagten in Stuttgart und München und via Bundesarchiv auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, berichtet die FR.

Gar nicht erst zur Entscheidung gelangt waren laut FR Anträge der Verteidigung, nach denen der Vorsitzende Richter abgelehnt und die Verlesung der Anklageschrift nicht zugelassen werden sollte. Auch das Thema „Behinderung der Verteidigung“ sei nicht entschieden worden. Wie der „Stern“ berichtet, sei auch der Versuch des Prinz-Reuss-Verteidigers Roman von Alvensleben gescheitert, die drei Strafprozesse in Frankfurt (Main), Stuttgart und München zusammenzulegen, in denen über die Zukunft der insgesamt 26 angeklagten „Reichsbürger“ entschieden werden soll.

Wie die FR berichtet, bezeichnete Professor Martin Schwab, einer der Verteidiger, den Prozessauftakt in Frankfurt (Main) als den „größten Missbrauch in der deutschen Rechtspflege“.

Das Archivbild zeigt Heinrich XIII. Prinz Reuss, den mutmaßlichen Rädelführer einer terrorverdächtigen Reichsbürgergruppe, bei einem Vortrag im Jahr 2019.

Offiziere und Parteimitglieder

Nach Angaben des „Stern“ gehören auch einige frühere Bundeswehroffiziere zum engsten Kreis der mutmaßlichen Verschwörer: Rüdiger von Pescatore, ein ehemaliger Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 251, dessen Ex-Untergebener Peter Wörner und der ehemalige Bundeswehroberst Maximilian Eder.

Außer Birgit Malsack-Winkemann (Ex-AfD) sitzen laut „Stern“ auch Mitglieder anderer Parteien auf der Anklagebank, nämlich die „dieBasis“-Mitglieder Johanna Findeisen-Juskowiak und Peter F., ein Ex-Polizist. Komplettiert werde die Reihe der Angeklagten von Hans-Joachim H. und Vitalia B., der früheren Lebensgefährtin von Heinrich XIII. Prinz Reuß.

Der zehnte Tatverdächtige dieser Gruppe, Norbert G., war nach Angaben des MDR Mitte März 2024 im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer „schweren Krankheit“ gestorben. Zum Zeitpunkt seines Todes soll er bereits aus der U-Haft entlassen gewesen sein.

Die neun überlebenden Angeklagten müssen sich nun also vor dem 8. Strafsenat, dem „Staatsschutzsenat“ des OLG Frankfurt am Main verantworten (Aktenzeichen 8 St 2/23) – und zwar wegen des Versuchs eines bewaffneten Umsturzes des „demokratischen System[s] der Bundesrepublik“, wie die „Frankfurter Rundschau“ (FR) berichtet. Der nächste Prozesstermin soll nach Angaben des OLG am Donnerstag, 23. Mai, stattfinden.

Schon seit dem 19. April hat das Oberlandesgericht in Stuttgart über die Rolle des „militärischen Arms“ der Gruppe zu befinden. Am 18. Juni soll der Rest der Untersuchungshäftlinge die Gelegenheit bekommen, sich mithilfe ihrer Rechtsbeistände vor dem 9. Strafschutzsenat des OLG München zu den Tatvorwürfen zu äußern. Los geht es dann ab 9:30 Uhr im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße 16.

Sämtliche Tatverdächtige sollen sich nach Erkenntnissen des Frankfurter Oberstaatsanwalts Tobias Engelstetter auch aufgrund der Coronapolitik der Bundesregierung zum Handeln entschlossen haben, so die FR.

Urteil erst im Laufe des Jahres 2025 zu erwarten

Mit Urteilen noch im Jahr 2024 ist nicht zu rechnen. Alle drei Gerichtsstandorte gehen davon aus, dass sich die Verhandlung gegen die mutmaßlich kriminellen „Reichsbürger“ mindestens in den Januar, womöglich sogar bis weit ins Jahr 2025 hineinziehen wird. In Frankfurt (Main) und Stuttgart wurden bislang knapp 50 Termine zur Hauptverhandlung anberaumt, in München sogar 55.

Rund 3.000 Sicherheitskräfte waren am frühen Morgen des 7. Dezember 2022 ausgerückt, um die mutmaßlichen Revolutionäre medienwirksam festzunehmen. Das Gedankengebäude der „Reichsbürger“ um Heinrich XIII. Prinz Reuß beschreibt die Generalbundesanwaltschaft wie folgt:

Die Angehörigen der Vereinigung verband eine tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Sie folgten einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen, bestehend aus Narrativen der sog. Reichsbürger- und Selbstverwalterszene sowie der QAnon-Ideologie. So waren sie fest davon überzeugt, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sog. ‚Deep State‘ regiert werde. Befreiung verspreche die sog. ‚Allianz‘, ein – tatsächlich nicht existierender – technisch überlegener Geheimbund von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs verschiedener Staaten einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika.“



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