Ricarda Langs nächtlicher Twitter-Elfer zum Koalitionsgipfel

Kommunikation über Twitter: Elf Postings setzte die Parteichefin der Grünen während des Koalitionsgipfels ab. Sensible Themen wurden eher schmalspurig befahren.
Die Parteichefs der Koalitionsparteien: Lars Klingbeil (SPD) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP, v.l.n.r.).
Die Parteichefs der Koalitionsparteien (v.l.n.r.): Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP).Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 30. März 2023

Tagelang hatte man im Koalitionsausschuss verhandelt, dann traten die Parteispitzen von SPD, Grünen und FDP vor die Kameras und verkündeten das Ergebnis. Ein wichtiger Punkt bei „Klimaschutz und Verkehr“ war das Investitionsvolumen der Deutschen Bahn.

Bis 2027 sollen 45 Milliarden Euro in den Ausbau der Bahn fließen, ein „Riesen-Paket“, wie Grünen-Chefin Ricarda Lang verkündete. Doch woher soll dieses Geld kommen? Auch hier hatte Lang eine Antwort: „Deshalb werden wir gemeinsam als Ampel die Lkw-Maut ab dem nächsten Jahr erhöhen.“

Posting Nr. 1 – die Lkw-Maut

Auf Twitter veröffentlichte die Grünen-Chefin ein elfteiliges Posting über die Ergebnisse des Koalitionsgipfels. Der erste Punkt, den Lang ansprach: „Wir brechen endlich den Grundsatz: ‚Straße finanziert Straße‘ – und investieren in die Bahn. Wir reformieren die Lkw-Maut so, dass ab 2024 ein CO2-Aufschlag von 200 Euro pro Tonne eingeführt wird. 80 Prozent davon, etwa 5 Milliarden jährlich, fließen in die Schiene. (1/11)“, twitterte Lang noch in der späten Nacht des 28. März.

Kritik kam zu den Lkw-Plänen der Ampelkoalition von AfD-Vize Beatrix von Storch. Die Oppositionspolitikerin twitterte ihre Bedenken am Mittwochnachmittag: „Ricarda Lang freut sich über das Anheben der Lkw-Maut. Aber: Lebensmittel kommen nicht auf dem Lastenrad zum Supermarkt. Immer, wenn Grün sich durchsetzt, heißt das: Das Leben wird teurer, der Normalbürger ärmer, den Grünen freut‘s. Der kann sich das leisten.“

Posting Nr. 2 – Gebäudeenergiegesetz

„Das Gebäudeenergiegesetz kommt noch vor Sommer“, kündigte Lang an. Darauf habe man sich nun geeinigt. So sorge man für „mehr Klimaschutz im Gebäudesektor“. Aber, so versprach die Grünen-Chefin, man sorge auch für einen „sozialen Ausgleich“ und: „Niemand wird im Stich gelassen.“

Das vielleicht sensibelste Thema des Koalitionsgipfels wurde hier von Ricarda Lang eher schmalspurig befahren. In der Pressekonferenz nach dem Ausschuss gab Lang zumindest noch zu, dass die jetzt beschlossene Reformierung des Gebäudeenergiegesetzes „für viele Menschen in diesem Land auch nicht einfach zu tragen“ sein werde. Man werde aber für einen sozialen Ausgleich sorgen, versprach die Grünen-Chefin.

Posting Nr. 3 – Monitoring

„Die Ampel hat beschlossen, das Klimaschutzgesetz fortzuentwickeln.“ Dafür stelle man beim jährlichen Monitoring „von Rückblick auf Prognose“ um. Das soll für mehr Aussagekraft sorgen, ob man sich auf dem Pfad in Richtung der Klimaziele befinde.

Posting Nr. 4 – Sektorenpolitik

In Langs viertem Posting ging es um die einzelnen Sektoren, die sich laut Koalitionsvertrag bei Bedarf helfen sollten. „Ein einzelner Sektor kann sich aber nicht verstecken. Denn: Die Sektorziele bleiben im Grundsatz erhalten.“ Lang bescheinigte den Ministerien jedoch, mit „größtem Nachholbedarf“ handeln zu müssen.

Langs möglicherweise schwierig verständlichen Formulierungen betreffen ein sensibles Thema: Gesamtbild oder Lupenblick. Diesen Bereich hatte auch FDP-Chef Christian Lindner in der Pressekonferenz nach dem Koalitionsausschuss angesprochen. Man habe sich darauf verständigt, das Klimaschutzgesetz konzeptionell zu ändern und den Raum für marktwirtschaftlichere Ergebnisse zu öffnen, um zu einem effektiveren Klimaschutz zu kommen. Man werde auch die „reine Sektororientierung“ überwinden – hin zu einer langfristigen, sektorübergreifenden Perspektive.

Dass dies nötig war, bestätigte die anschließende Kritik von NABU-Chef Jörg-Andreas Krüger. Der Naturschutzbundpräsident bemängelte, dass die „Sektorenziele im Klimaschutzgesetz“ nun „aufgeweicht“ worden seien, um Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu „schützen“.

Auch die Umweltgruppe Greenpeace meldete Kritik an und sah ihre Ziele gefährdet. Vorstand Martin Kaiser sah gar eine Entkernung des Klimaschutzgesetzes kommen und kritisierte eine von Wissing ausgehandelte Genehmigung für 144 „klimaschädliche Autobahnprojekte“. In dieses Horn blies auch CDU-Vize Andreas Jung, der ebenso etwas von Aufweichung des Klimaschutzgesetzes erwähnte.

Einen eher einseitigen Blick bewiesen auch die Aktivisten von Fridays For Future: „Eigentlich braucht es dringend eine Verkehrswende mit starkem Ausbau von Bussen & Bahnen.“ Doch die Ampel stufe 144 Autobahn-Bauprojekte als „im überragenden öffentlichen Interesse“ ein. Damit beschleunige sie die Klimakrise weiter, meinte FFF Germany. 

Auch die von FDP-Chef Lindner angekündigten Änderungen bei den Sektoren kamen bei der Klimajugend nicht so gut an. Lindner habe verkündet, dass die Ampel „Sektorziele & jährliche Schritte im Klimaschutzgesetz“ streiche. „Die Reaktion auf einen Verkehrsminister, der seine Klimaziele verfehlt, ist also, die Ziele abzuschaffen?“, fragte man sich auf Twitter.

Posting Nr. 5 – Biodiversität

Weiterhin beteuerte Ricarda Lang trotz der Kompromisse in den Verhandlungen: „Wir stärken den Naturschutz in Deutschland. Gemeinsam mit den Ländern und Verbänden werden wir über die besten Wege hin zu einem stärkeren Schutz der Biodiversität beraten. (5/11)“ – kein eigentliches Ergebnis, nur die Verkündung, dass man im Gespräch über die biologische Vielfalt in bestimmten Gebieten bleibe.

Posting Nr. 6 – Planungsbeschleunigung

Vieles in Deutschland müsse schneller werden, dieser Wunsch eine die Ampel, so Lang. Damit meinte die Grünen-Chefin aber nicht die Geschwindigkeit auf der Autobahn, sondern den Ausbau der erneuerbaren Energien. „Das haben wir mit der Planungsbeschleunigung auf den Weg gebracht. (6/11)“

Posting Nr. 7 – Es werde Wind

Hier verkündete Lang, dass die Genehmigung von Windkraftanlagen beschleunigt werde. „Gerade den Kommunen eröffnen wir neue Flächen für Wind.“ Man löse die Bremsen, versicherte die Grünen-Co-Vorsitzende.

Posting Nr. 8 – Autobahn & FFF-Aufschrei

„Bei den Autobahnen haben wir hart gerungen“, schrieb Lang auf Twitter. Man merkt, dass der Grünen-Politikerin dieses Thema eher schwer im Magen liegt. „Im Ergebnis soll einmalig eine eng begrenzte Zahl von Teilprojekten beschleunigt werden – und auch nur, wenn das jeweilige Bundesland das wünscht. Es erfolgt keine Beschleunigung im Neubau“, so Lang.

Bei den Klimajüngern von Fridays for Future kamen die Ergebnisse des Koalitionsgipfels nicht so gut an. FFF-Sprecherin Luisa Neubauer: „Es ist unfassbar.“ Das Berliner Klima-Mädchen rief zum Klima-Streik vor Volker Wissings Verkehrsministerium auf. Gleich am Freitagnachmittag, twitterte Neubauer.

Fridays For Future Deutschland twitterte: „Diese Koalition hat wirklich jeden Kompass verloren. Man muss sich vor Augen führen: Die Ampel macht nicht nur schlechten Klimaschutz, sondern hat gerade sogar ihre Klimaziele abgeschafft. Wo Fortschritt draufstand, ist Rückschritt drin. Es ist soo falsch.“

Posting Nr. 9 – Überall Solar

Vielleicht um den Autobahn-Kompromiss etwas mit grüner Energie zu dekorieren, zeigte Lang sich kämpferisch in Posting Nummer neun. „Und wir stellen sicher: Kein Kilometer wird mehr gebaut, ohne dass wir gleichzeitig Platz für Erneuerbare schaffen. Für den Bestand gilt: Flächen entlang von Autobahnen dienen künftig grundsätzlich als Platz für Solarenergie. (9/11)“

Diesen Schritt nannte Ricarda Lang in der Pressekonferenz nach dem Koalitionsausschuss eine „riesige Solarausbauoffensive“.

Posting Nr. 10 – Intensive Gespräche

„Es waren intensive, aber konstruktive Gespräche im Koalitionsausschuss. Wir hatten große Aufgaben vor uns und haben es geschafft, zentrale Blockaden zu lösen. (10/11)“, twitterte Lang, während die Uhr immer näher Richtung Mitternacht wanderte.

Posting Nr. 11 – Elf Minuten für den Kompromiss

Für ihr letztes und elftes Posting brauchte Lang elf Minuten. Dann schrieb sie: „Das Ergebnis ist ein Kompromiss, entstanden in schwierigen Gesprächen mit SPD und FDP. Und es bleibt eine Menge zu tun – insbesondere beim Klimaschutz im Verkehr. Dennoch: Es ist gut, dass wir als Ampel dieses Paket auf den Weg bringen. (11/11)“

In der Pressekonferenz am Mittwoch zeigte sich nicht nur Lang zufrieden ob des tagelangen Verhandelns. Auch SPD-Chef Lars Klingbeil hob die Ergebnisse als „sehr bedeutend“ hervor. Man werde nun bei allen großen Infrastrukturprojekten des Landes vorankommen. Das bringe eine massive Stärkung der Bahn, der Straße, der Netze und des Ausbaus der erneuerbaren Energien.

Klingbeil kündigte auch die massive Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren an. FDP-Chef Lindner meinte zusammenfassend, dass, nachdem man sich auseinandergeschwiegen hätte, man sich jetzt zusammendiskutiert habe. Nach Lindners Angaben wurden einige offene Baustellen geschlossen.

Kompromiss des Machbaren

Die Ampel sieht sich mit dem Ergebnis des Koalitionsausschusses gut im Rennen, um wichtige Probleme anzupacken. Wie die praktische Umsetzung dessen sein wird, muss abgewartet werden. Trotz der lauten Kritik von Fridays For Future und einiger Umwelt-NGOs oder gerade deswegen könnte sich gerade eine entscheidende Richtungsänderung ergeben.

Christian Dürr, der Fraktionschef der FDP im Bundestag, nannte es einen wahren „Paradigmenwechsel“. Das Klimaschutzgesetz werde nun von der „Planwirtschaft in die Marktwirtschaft“ überführt, so der Bundestagsabgeordnete.

Doch schon jetzt kann man sicher sein, dass von den jungen Ungeduldigen und jenen, die sich nur stark auf ihre eigenen Bereiche fokussieren, Kritik en masse kommen wird.

Die Deutsche Umwelthilfe verkündete beispielsweise bereits, dass sich Olaf Scholz als „Klimakanzler“ verabschiedet habe und sogar hinter die Ansprüche der Merkel-Ära gefallen sei. Lobend wurden jedoch die Heizungsverbotspläne der Grünen erwähnt.

Dieser Hinkestein bleibt. Er war den Grünen zu wichtig. Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken, nannte es eine „Hiobsbotschaft für Millionen Bürger“, dass „Habecks weltfremdes Heizdiktat den Koalitionsausschuss überlebt“ habe.

Gerade diese radikalen Ansätze grüner Verbotspolitik erinnern jedoch viele an die unschönen sozialistischen Vorgänge in der ehemaligen DDR. Auch wenn Ricarda Lang verspricht, dass man für sozialen Ausgleich sorgen werde und niemanden im Stich lasse, sind dies zunächst nur Worte. Die Zukunft wird zeigen, wie glaubwürdig die heutigen Beteuerungen der Grünen-Chefin sind.

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion