Sexuelle Nötigung? – Ehemals höchster Polizeibeamter Baden-Württembergs vor Gericht

Am Landgericht Stuttgart startete ein Prozess gegen den ehemals höchsten Polizeibeamten Baden-Württembergs. Ein Fall, der auch für Innenminister Thomas Strobl ein juristisches Nachspiel hatte.
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Polizeikräfte in Stuttgart am Schlossplatz.Foto: iStock
Epoch Times22. April 2023

Vor dem Landgericht Stuttgart hat ein Prozess wegen sexueller Nötigung gegen den einstmals höchsten Polizeibeamten Baden-Württembergs begonnen. Zum Auftakt wies die Verteidigung am Freitag die Vorwürfe gegen den suspendierten Polizeiinspekteur Andreas R. zurück, der laut Anklage im Jahr 2021 eine Polizeibeamtin zu sexuellen Handlungen aufgefordert haben soll.

In einer Erklärung warf die Verteidigung von R. der Beamtin vor, mehrfach die Unwahrheit gesagt zu haben. In dem etwa dreistündigen Video einer Überwachungskamera sei zu sehen, dass sie „zahlreiche intime Handlungen eigeninitiativ an R. ausübe“. Zudem führten die Anwälte des Angeklagten ein monatelanges intimes Verhältnis der Beamtin mit einem anderen Vorgesetzten im Innenministerium als entlastendes Detail ins Feld.

Nach Verlesung der Anklageschrift wurde die Öffentlichkeit beim Statement der Verteidigung sowie bei der Aussage der betroffenen Beamtin ausgeschlossen. Die Verteidigerin von R. kritisierte, dass durch die Berichterstattung im Vorfeld die Intimsphäre des Angeklagten beeinträchtigt worden sei. Bereits vor Prozessbeginn waren Details der Anklageschrift an die Öffentlichkeit gelangt.

Vorwurf: Aufforderung zu sexuellen Handlungen

Die Anklage wirft dem suspendierten 49-jährigen Polizeiinspekteur vor, im November 2021 die Polizeibeamtin, die sich im Auswahlverfahren für den höheren Polizeivollzugsdienst befand, zu sexuellen Handlungen aufgefordert und dabei die Abhängigkeit der Beamtin ausgenutzt zu haben.

Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war er in der Lage, der Polizeibeamtin im Fall ihres Widerstands erhebliche berufliche Nachteile zu bereiten. Die Beamtin zeigte das Verhalten selbst an und legte als Beweis den Mitschnitt eines Videocalls vor.

R. war maßgebliches Mitglied der Beurteilungskommission, die über Personalfragen in der Polizei entscheidet. Der Anklage zufolge soll er nach einem Personalgespräch mit der Beamtin, das bei einer Flasche Sekt und anderen alkoholischen Getränken begonnen haben soll, mit der Frau und anderen Beamten in eine Kneipe gegangen sein. Um Mitternacht soll R. die Beamtin überredet haben, ihn in seine Stammkneipe zu begleiten. Dort soll er sie zu intimen Handlungen gedrängt haben.

In den frühen Morgenstunden soll er sie laut Anklage vor der Kneipe zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Einige Tage später soll er ihr zudem in einem Videotelefonat unter Hinweis auf seine Stellung eindeutige Angebote gemacht haben. Davon liegt der Staatsanwaltschaft ein Mitschnitt vor. Mit einem Urteil wird frühestens im Mai gerechnet.

Die Ermittlungen gegen den Spitzenbeamten hatten auch für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein juristisches Nachspiel.

Weil er gesetzeswidrig Dokumente zu dem Verfahren an Journalisten gab, musste er einen Strafbefehl akzeptieren. Im Landtag befasst sich derzeit ein Untersuchungsausschuss mit der Affäre. Neben dem Strafverfahren droht dem angeklagten früheren Spitzenbeamten der Polizei auch ein Disziplinarverfahren.

Bereits 2018 pornografische Bilder an Polizistinnen geschickt

Erst Anfang November 2020 trat Andreas R. das Amt des Inspekteurs der Polizei an und galt damit als jüngster Inspektor in der Geschichte des bundesrepublikanischen Baden-Württembergs.

Innenminister Thomas Strobl begrüßte ihn damals im neuen Amt mit den Worten: „Egal in welcher Funktion oder Dienststelle er bislang tätig war, überall leistete er exzellente Arbeit und genießt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Polizei einen hervorragenden Ruf. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Andreas R.“

Der Fall ist auch deshalb so brisant, weil Strobl als früher Förderer von Andreas R. gilt und dieser eine steile Karriere bei der Polizei hinlegte. Polizei und Politik zeigen sich erschüttert von den Vorwürfen, da doch Andreas R. gerade für eine Wertekampagne der Polizei gegen sexualisierte Gewalt verantwortlich war. Über die sagte der damalige Polizeibeamte in einem SWR-Interview: „Jeder einzelne Fall ist definitiv auch einer zu viel.“

Mit den Vorwürfen tauchte auch die Frage auf, ob es nicht schon frühere Hinweise auf Fehlverhalten von Andreas R. gab. Bekannt ist, dass der mittlerweile suspendierte Polizist anderen Polizistinnen pornografische Bilder von sich selbst per WhatsApp geschickt hat.

Diese soll er zwischen 2018 und 2020, also schon vor seiner Berufung zum Inspekteur, an mindestens drei Polizistinnen versendet haben, wie der SWR erfuhr. Allerdings sei das Versenden der Bilder erst Mitte Dezember 2021 durch eine anonyme Anzeige bekannt geworden, also nach seiner Suspendierung, berichtet der SWR.
(afp/er)



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