Studie zu Lobbyismus: Auf einen Abgeordneten kommen 45 Interessenvertreter

Seit 2022 müssen sich Personen, die gegenüber Bundesregierung und Bundestag Lobbyismus betreiben, registrieren lassen. Außerdem unterliegen sie schärferen Transparenzregeln. Auch einige sogenannte NGOs verfügen über eine Eintragung.
Die «Reichsbürger»-Führung bereitete offenbar einen gewaltsamen Sturm auf den Bundestag vor.
Mehr als 6.000 eingetragene Interessenvertreter betreiben derzeit im Umfeld des Bundestages Lobbyismus.Foto: Philipp Znidar/dpa
Von 8. Januar 2024

Vertreter der Finanzwirtschaft haben im Jahr 2022 mehr als 43 Millionen Euro für Lobbyismus gegenüber Bundesregierung oder Bundestag aufgewendet. Zudem waren 610 Mitarbeiter als deren Interessenvertreter in Berlin präsent. Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die von der Bürgerbewegung Finanzwende präsentiert wurde. Der „Tagesspiegel“ hat über diese am Sonntag, 7. Januar, berichtet.

Industrie vor Energiewirtschaft und Autobauern

Wie aus der Untersuchung hervorgeht, hat allein der Bundesverband deutscher Banken etwa sechs Millionen Euro für Nähe zur Politik aufgewendet. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband investierte etwa vier Millionen Euro.

Demgegenüber hatten branchenübergreifende Verbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie „nur“ 40 Millionen Euro für Lobbyismus aufgewendet. Dahinter folgten Energiewirtschaft (mehr als 23,5 Millionen Euro), Autoindustrie (über 22,8 Millionen Euro) und Chemieindustrie (mehr als 21,9 Millionen Euro).

Die Auswertung der Bürgerbewegung Finanzwende bezieht sich auf die „hundert finanzstärksten Einträge“, die sich in der Datenbank finden ließen.

Aufwand sagt bisher nicht viel über Erfolg von Lobbyismus aus

Im sogenannten Lobbyregister, das in dieser Form seit 2022 besteht, müssen sich sogenannte Interessenvertreter registrieren lassen. Dabei handelt es sich um natürliche oder juristische Personen, die in eigener Sache oder im Auftrag Dritter an Bundespolitiker herantreten – mit dem Ziel, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen.

In den häufigsten Fällen geschieht dies mit Blick auf bestimmte gesetzgeberische Vorhaben, an deren Zustandekommen, Abänderung oder Scheitern ein Interesse besteht. Bereits von 1972 bis Ende 2021 hatte es eine öffentliche Liste von Interessenvertretern gegeben. 2022 löste das Lobbyregister diese ab. Im Oktober 2022 wurden die Transparenzregeln noch einmal verschärft. Nun müssen die Lobbyisten auch ihren finanziellen Aufwand und die Herkunft ihrer Mittel offenlegen.

Derzeit sind im Lobbyregister des Deutschen Bundestages 6.110 Interessenvertreter erfasst, darunter 5.208 juristische Personen. Auf EU-Ebene waren Ende 2022 sogar etwa 12.400 Verbände, Unternehmen und Organisationen im „Europäischen Transparenzregister“ gelistet.

Nicht selten sind es auch frühere Politiker selbst, die nach Ende ihrer parlamentarischen Laufbahn auf die Seite der Lobbyisten wechseln. So ist Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank; Ex-Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen ist für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft tätig. Kontakte zu früheren Kollegen bringen sie immerhin zur Genüge mit.

Ab März noch schärfere Regeln

Der personelle oder finanzielle Aufwand sagt jedoch wenig über den tatsächlichen Einfluss auf die Gesetzgebung aus. Dies zeigt unter anderem der Unmut, der sich zuletzt vonseiten der Autobauer und der Chemieindustrie gegen die Ampelregierung richtete.

Ab März müssen Lobbyisten auch konkrete Gesetze und Rechtsverordnungen nennen, die sie beeinflussen wollen. Zudem müssten die Interessenvertreter angeben, ob sie aktuell oder in den fünf Jahren davor legislative oder exekutive Funktionen innehatten.

Die Studie weist darauf hin, dass insgesamt 33.200 Personen für die Lobbyisten tätig sind, die im Register aufgeführt sind. Das seien „45 Lobbyisten für jeden Bundestagsabgeordneten“. Sie kommen im Regelfall aus Verbänden, Unternehmen, Kanzleien, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

BUND: Niedersächsischer Landesverband gibt mehr für Lobbyismus aus als Bundesverband

Im Register finden sich einige Organisationen, die sich gerne ihrer vermeintlichen Uneigennützigkeit und Verpflichtung gegenüber ökologischen, sozialen und humanitären Idealen rühmen. Die Angaben über Mitarbeiter oder finanzielle Aufwendungen sind dabei sehr uneinheitlich.

So gibt beispielsweise der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) Niedersachsen an, im Geschäftsjahr 2022 zwischen 5,67 und 5,68 Millionen Euro für die Interessenvertretung aufgewendet zu haben. Der Verband beschäftige in diesem Bereich 131 bis 140 Personen. Der Bundesverband der NGO selbst hat eigenen Angaben zufolge nur bis zu 980.000 Euro ausgegeben und beschäftige lediglich 41 bis 50 Personen.

Die Deutsche Umwelthilfe wiederum hat „Angaben teilweise verweigert“, die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz will trotz ein bis zehn Beschäftigter im letzten Geschäftsjahr null Euro für Interessenvertretung ausgegeben haben.

Wer nach Interessenvertretung im Kontext mit „Migration, Flüchtlingspolitik und Integration“ sucht, erzielt nicht viele Treffer. Einer davon jedoch betrifft den Bayerischen Sportschützenbund e. V., der zuletzt bei einem bis zehn Beschäftigten immerhin 10.001 bis 20.000 Euro für Einflussarbeit ausgegeben habe.



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