Unmut bei Ländern: Kanzleramt bezweifelt Dringlichkeit von neuem Migrationsgipfel

Ein Vierteljahr nach der Einigung auf Eckpunkte einer „Migrationswende“ regten Vertreter der Länder im Kanzleramt einen neuen Migrationsgipfel an. Ziel sei es, Umsetzung und Erfolg der vereinbarten Maßnahmen zu überprüfen. In Berlin sieht man jedoch dafür keine Dringlichkeit.
Ukrainische Flüchtlinge verlassen mit ihrem Gepäck die Flüchtlingsunterkunft in Hamburg.
Asylsuchende verlassen mit ihrem Gepäck die Flüchtlingsunterkunft in Hamburg. Symbolbild.Foto: Marcus Brandt/dpa
Von 1. Februar 2024

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Für Verstimmung hat in den Reihen der Länderchefs die Reaktion des Kanzleramts auf die Forderung nach einem neuen Migrationsgipfel gesorgt. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein hatte diese in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz angeregt. Der Sinn dahinter sollte eine Evaluierung sein, inwieweit die im Herbst getroffenen Vereinbarungen erfolgreich umgesetzt seien – und wo noch Optimierungsbedarf bestehe.

Wie „Bild“ berichtete, hat Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt Rhein gegenüber daraufhin zu erkennen gegeben, dass man dort den Sinn eines solchen Treffens nicht erkennen könne. Immerhin, so die Begründung, seien die Asylzahlen mittlerweile doch wieder rückläufig.

In einer Regierungsschalte zwischen Rhein und den Chefs der Staatskanzleien soll es zu Irritationen gekommen sein. Der Bundesregierung sei attestiert worden, die Problematik nicht in ausreichendem Maße ernst zu nehmen.

Immerhin habe es im Vorjahr einen Zustrom an Asylsuchenden gegeben wie seit Mitte der 2010er-Jahre nicht mehr. Dabei kam es zu einer speziellen Konzentration auf Deutschland: Hier sei die Zahl der Geflüchteten um mehr als 50 Prozent angestiegen, während sie anderen EU-Ländern rückläufig gewesen sei.

Ein Drittel aller EU-weiten Asylanträge sei 2023 in Deutschland gestellt worden, dazu liege die Zahl ukrainischer Kriegsflüchtlinge bei mindestens einer Million. Zudem sind laut „Bild“ etwa 200.000 abgelehnte Asylsuchende ausreisepflichtig, ein erheblicher Teil davon profitiert jedoch von einem Duldungsbescheid.

Bevölkerung sinnt Ampel keine Lösungskompetenz mehr zu

Mit der Einschätzung, dass die Bundesregierung einen zu indifferenten Zugang zur Asylproblematik habe, stehen die Ländervertreter offenbar nicht gänzlich allein da. Dafür sprechen die Ergebnisse eines vom Centrum für Strategie und höhere Führung des Allensbach-Instituts präsentierten Sicherheitsreports. Auch über diese berichtete „Bild“.

In diesem ist die Rede davon, dass mehr als 80 Prozent der befragten Deutschen der Ampel nicht mehr zutrauen, die Flüchtlingskrise noch unter Kontrolle zu bekommen. Auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen habe deutlich abgenommen.

Im Regelfall hatten sich mindestens 70 Prozent der Bewohner des Landes sicher gefühlt. Seit Amtsantritt der Ampelregierung habe das subjektive Sicherheitsempfinden jedoch von 76 auf mittlerweile nur noch 61 Prozent abgenommen.

Fast die Hälfte erklärt Verlust des Sicherheitsgefühls mit Fluchtbewegungen

Fast die Hälfte der Befragten, 48 Prozent, sehen eine Korrelation zwischen steigenden Flüchtlingszahlen und steigender Kriminalität. Etwa 32 Prozent – 41 Prozent im Osten und 30 Prozent im Westen des Bundesgebiets – fühlen auch aufgrund des Flüchtlingszuzugs subjektiv unsicherer. Und das, obwohl der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung im Osten deutlich geringer ist.

Von allen Befragten erklärten 65 Prozent, dass sie die Flüchtlingspolitik der Ampel für nicht richtig hielten. Ein gleicher Prozentsatz hält es für eine gute Idee, über Asylanträge bereits an den EU-Außengrenzen zu entscheiden. Dass dadurch die Zahl der Geflüchteten in Deutschland deutlich sinke, glauben 48 Prozent.

Als größte Sicherheitsgefahr bezeichneten 86 Prozent der Befragten sogenannte dschihadistische Gruppierungen, mit 81 Prozent liegen kriminelle Familienclans vor Rechtsextremisten mit 76 Prozent.

Mehrere Asylsuchende verlassen Landkreise nach Einführung von Bezahlkarten

Unterdessen melden erste Landkreise in Thüringen, dass Asylsuchende Deutschland verlassen hätten, seit es den Umstieg von Bargeld auf Bezahlkarten gegeben habe. Dem „Focus“ zufolge haben Landkreise wie Greiz oder Eichsfeld zufolge von dieser Option Gebrauch gemacht.

Einem zuständigen Sachgebietsleiter zufolge hätten sich beispielsweise Familien aus Serbien oder Nordmazedonien dazu entschlossen, freiwillig dorthin zurückzukehren. In Greiz hätten 14 von 740 Geflüchtete aus freien Stücken ihren Aufenthalt beendet. Andere hätten proaktiv nach einem Minijob gesucht, um an Bargeld zu gelangen.

Auf die Einführung einer solchen Bezahlkarte hatten sich Bund und Länder im Herbst dem Grunde nach verständigt. Erste Landkreise seien diesen Schritt bereits gegangen. Auf die Mastercard wird ein Teil der den Betroffenen zustehenden Asylbewerberleistungen geladen – im Regelfall 300 bis 400 Euro im Monat.

Die Asylsuchenden können damit einkaufen – allerdings ausschließlich im Landkreis, in dem sie untergebracht sind. Reisen oder das Überweisen von Geld in die Heimatländer sei dadurch nicht möglich. Auch Kredite können sie damit nicht zurückzahlen. Hilfsorganisationen wie „Pro Asyl“ weisen jedoch auch auf Schwierigkeiten beim Deutschlandticket hin. Die Aufladung setzt zudem ein persönliches Erscheinen voraus.

Länder müssen Teilnahmewunsch bis März äußern

Im Unterschied zu früheren Erfahrungen sollen zumindest in Greiz auch die Lebensmittelgeschäfte positive Rückmeldungen gegeben haben. Dies gehe aus einer lokalen Umfrage hervor. Frühere vereinzelte Testmodelle waren noch mit Klagen über Bürokratie und hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Dieser soll jedoch auch in den Landkreisen nun geringer geworden sein.

Auf Bundesebene ist für die Einführung eines solchen Systems jedoch eine europaweite Ausschreibung erforderlich. Bis März haben Bundesländer nun Zeit, sich zu einer verbindlichen Zusage zu entschließen.

Wie immer dauert es jedoch auf Bundesebene länger, einen einmal gefassten Beschluss auch umzusetzen. Der Bund muss ein solches Projekt europaweit ausschreiben. Allein für ihre verbindliche Zusage, dabei zu sein oder nicht, haben die Bundesländer bis März Zeit. Bayern und Brandenburg wollen definitiv mitmachen. NRW befindet sich in der „politischen Abstimmung“.



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