Urlaubsfreunde und ein Auftrag über 28 Millionen Euro: „Mr. Wasserstoff“ wirft Compliance-Fragen auf

Nach Robert Habeck steht nun auch Bundesverkehrsminister Wissing im Visier von Compliance-Vorwürfen. So sollen private Urlaubsfreunde von einem Großauftrag profitiert haben.
Ein Wasserstoff-Logo an einer Wasserstoff-Tankstelle für Autos.
Ein Wasserstoff-Logo an einer Wasserstoff-Tankstelle für Autos. Rund um die Entwicklung dieser Technologie gibt es derzeit eine Compliance-Debatte, die das Bundesverkehrsministerium betrifft.Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Von 28. Juli 2023

Großaufträge und Standortentscheidungen im Umfeld enger privater Freunde? Nach den Compliance-Unwägbarkeiten im Bundeswirtschaftsministerium muss sich nun auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing kritischen Fragen stellen. Experten raten bereits zu einer Verschärfung der Vergaberegeln.

Persönliche Freundschaften im Umfeld eines Innovationsprogramms?

Hintergrund ist die Vergabe von Aufträgen im Auftrag der Grundsatzabteilung des Ministeriums. Deren Leiter, der im Haus unter der Bezeichnung „Mr. Wasserstoff“ bekannt sei, ist einem Bericht des „Handelsblatts“ zufolge gut vernetzt.

Mit dem Vorstandsvorsitzenden des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) sowie einem bayerischen Unternehmer sei er sogar eng befreundet. Dies reiche so weit, dass man gemeinsame Urlaube verbringe. Das Blatt erklärt, mehrere unabhängige Quellen hätten ihm gegenüber diesen Umstand bestätigt.

In der Verantwortung der Grundsatzabteilung liegt unter anderem das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“. Aus diesem seien Mittel im Gesamtumfang von 28 Millionen Euro sowohl an den DWV als auch an Gesellschaften des Unternehmers geflossen.

Ministerium sieht keine Probleme bezüglich der Compliance

Im Jahr 2021, damals noch unter der Leitung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, sei auch eine Standortentscheidung zugunsten des Unternehmers gefallen. Damals ging es um bundesweit vier Standorte für ein Innovations- und Technologiezentrum Wasserstoff (ITZ).

Der Unternehmer habe dabei eigenen Angaben zufolge die süddeutsche Bewerbung initiiert. In Niederbayern koordiniere er über eine der Gesellschaften den Aufbau. Hier soll Abteilungsleiter „Mr. Wasserstoff“ im Rahmen einer Mitzeichnung der Standortentscheidung zugestimmt haben.

Auf eine Anfrage des „Handelsblatts“ hieß es aus dem Innenministerium, der betreffende Abteilungsleiter zeichne „weder Förderbescheide noch Förderentscheidungen“ mit. Vielmehr wirke ein Referatsleiter der Grundsatzabteilung in diesen Bereichen mit weiteren Akteuren zusammen. Derzeit seien dies eine beauftragte Programmgesellschaft des Bundes sowie ein weiterer Projektträger.

Wasserstoff: Nischentechnologie mit kleiner Forschergemeinde

Der Abteilungsleiter selbst lehnte gegenüber dem „Handelsblatt“ jedwede Auskunft zu persönlichen Kontakten oder Freundschaften ab. Der Chef des DWV erklärte wiederum, es habe „keinerlei direkten inhaltlichen Austausch“ zwischen den drei Genannten im Zusammenhang mit der Vergabe gegeben.

Eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums wollte zu persönlichen Beziehungen keine Auskunft geben. Sie betonte jedoch, es gebe keine bekannten Interessenkonflikte.

Kenner der Branche geben zu bedenken, dass Forschung und Entwicklung der Wasserstofftechnologie erst in ihren Kinderschuhen stecken. Die „Wasserstoff-Gemeinde“ sei daher grundsätzlich klein und überschaubar. Dass Beteiligte einander persönlich bekannt seien und manche auch Freundschaften pflegten, liege in der Natur der Sache.

Compliance-Experte hinterfragt Fördergelder für Verbände

Demgegenüber riet der Gesellschaftsrechtler und Compliance-Experte Manuel Theisen im „Handelsblatt“ zu größerer Sensibilität:

Private Verbindungen im Umfeld der Vergabe öffentlicher Gelder sollten tunlichst vermieden werden.“

Er empfiehlt dem Ministerium, „seine Vergabestrukturen zu überdenken und transparent zu gestalten“. Dass Verbände Fördergelder erhalten, sei unüblich, da diese vor allem Bildungseinrichtungen, Unternehmen oder Forschungseinrichtungen zustünden. Das Ministerium betont jedoch, dass dies keine ausschließliche Norm sei.

Der Verband hatte 1,8 Millionen Euro erhalten, um ein „Netzwerk für den Wissens- und Erfahrungsaustausch“ zu schaffen. Der Verbandschef hielt das für sachdienlich, weil die Bildung von Netzwerken und Clustern auf nationaler wie internationaler Ebene der Technologieentwicklung diene. Diese schafften „einen erheblichen Mehrwert für unsere Mitglieder, aber auch für die gesamte deutsche Volkswirtschaft“.

Affäre Graichen belastete im Frühjahr das Bundeswirtschaftsministerium

Im Frühjahr 2023 war das Bundeswirtschaftsministerium mit Vorwürfen der Vetternwirtschaft konfrontiert. So hatten Verwandte und Trauzeugen des mittlerweile zurückgetretenen Staatssekretärs Patrick Graichen hoch dotierte Positionen innerhalb der Behörde oder staatlicher Einrichtungen erhalten.

Habeck sprach von einem „persönlichen Fehler“ Graichens, es sei aber zu keiner Verletzung von Compliance-Regeln gekommen. An Staatssekretär Udo Philipp hielt Habeck trotz der Debatte um Startup-Beteiligungen und daraus möglicherweise resultierende Interessenkonflikte fest.

Die Union hatte zu Beginn seiner Amtszeit Bundesverkehrsminister Volker Wissing dafür kritisiert, 18 Abteilungsleiter- oder Referentenposten ohne Stellenausschreibung besetzt zu haben. Wissing wies darauf hin, dass ein solches Vorgehen erlaubt und üblich sei. Für Leitungsebenen sei ein besonderes Vertrauensverhältnis von elementarer Wichtigkeit.



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