Wehrbericht zeichnet Bild einer schrumpfenden Truppe: Bundeswehr hat von allem zu wenig

Wehrbeauftrage Högl sagt, Verbesserungen bei der Bundeswehr lassen weiter auf sich warten. Der Mangel an Material und Geräten hat sich durch die Abgabe an die Ukraine verschärft. Laut Verteidigungsministerium kann die Bundeswehr ihre Bündnisverpflichtungen innerhalb der NATO erfüllen, muss aber „weiterhin schwerwiegende Einschränkungen“ hinnehmen.
Reservisten auf einem Übungsplatz der Bundeswehr in Baden-Württemberg.
Reservisten auf einem Übungsplatz der Bundeswehr in Baden-Württemberg.Foto: Christoph Schmidt/dpa
Von 14. März 2024

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Die Bundeswehr befindet sich in einem verheerenden Zustand. Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl (SPD), präsentierte in dieser Woche ihren Wehrbericht, der sich auch im zweiten Jahr nach der von der Bundesregierung angekündigten Zeitenwende samt 100 Milliarden Euro Sondervermögen, wie eine scheinbar endlose Mängelliste liest. „Ich komme nicht umhin festzuhalten, dass auch im zweiten Jahr der Zeitenwende substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur auf sich warten lassen“, zitiert der „Spiegel“ Högl.

Mehr als 20.000 Stellen unbesetzt

Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) berichtet, dass es der Truppe an Nachwuchs mangelt und sie zudem auch noch überaltert ist.

Zum Stichtag 31. Dezember 2023 standen Högl zufolge 181.514 Soldatinnen und Soldaten in den Diensten der Bundeswehr. Das waren 1.537 weniger als im Jahr zuvor. Zudem seien mehr als 20.000 Stellen (circa 17 Prozent) unbesetzt (Seite 38). Weiterhin zu gering sei die Frauenquote (rund 15 Prozent), die Zahl der Frauen in Führungspositionen stagniere ebenfalls. „Das muss besser werden“, zitiert die „SZ“ Högl.

Werbekampagnen und vereinfachte Bewerberverfahren seien bislang allerdings fehlgeschlagen. Die Zahl derer, die sich für einen Dienst bei der Bundeswehr interessierten, sei trotz aller Bemühungen rückläufig. Gleichzeitig sei die Abbrecherquote vor allem in der ersten Zeit der Ausbildung weiterhin „sehr hoch“ (S. 44).

Bis zum Jahr 2031 wollte das Verteidigungsministerium den „militärischen Personalkörper“ auf 203.000 Soldaten erhöhen. Außerdem sollte eine aus 60.000 Menschen bestehende „leistungsfähige Reserve“ aufgebaut werden. Bereits im Juni 2023 hat Verteidigungsminister Boris Pistorius dem Bericht zufolge allerdings erstmals eingeräumt, dass dieses ambitionierte Ziel kaum noch erreichbar sei (Seite 38).

Panzer als rollendes Ersatzteillager

Bei der technischen Ausstattung sieht es nicht besser aus: „Es mangelt an Material vom Großgerät bis hin zu Ersatzteilen. Durch die Abgabe an die Ukraine ist der Mangel noch größer geworden“, schreibt Högl. Die Soldaten würden die Unterstützung zwar befürworten, doch ließe sich der Mangel trotz beschleunigter Beschaffung nur mittelfristig beheben (S. 32).

Als Beispiel dazu nennt sie laut „Spiegel“ einen Truppenbesuch in Litauen. Soldaten hätten ihr dort berichtet, dass sie für die Mission „zur Stärkung der NATO-Ostflanke“ einen weiteren Marder-Schützenpanzer mitführe. Er diene praktisch als Ersatzteillager und werde im Bedarfsfall ausgeschlachtet.

Insgesamt belaste die Ukrainehilfe die Bundeswehr sehr. Eine Herausforderung sei dabei auch die Ausbildung von ukrainischen Verbänden. Mehr als 1.500 Soldaten seien dafür im vergangenen Jahr dauerhaft abgestellt worden. „Aufgrund der Bindung von Personal musste die Truppe diverse eigene Ausbildungsvorhaben verschieben, verkürzen oder ausfallen lassen“, heißt es in Högls Bericht. Sie fordert einen dringenden Ausgleich dieser „Verdrängungseffekte“.

Nach Einschätzung des Verteidigungsministeriums könne die Bundeswehr ihre Bündnisverpflichtungen innerhalb der NATO erfüllen. Sie müsse aber „weiterhin schwerwiegende Einschränkungen hinnehmen“, so die SZ.

Beim „Spiegel“ liest sich das etwas anders: So habe die Wehrbeauftragte angemahnt, dass die Bundeswehr „vom Ziel der Vollausstattung noch weit entfernt“ sei. Im jetzigen Zustand werde die Truppe ihren Aufgaben bei der Landes- und Bündnisverteidigung nicht gerecht.

Högl sagte auch, dass es selbst bei den Kräften der schnellen Eingreiftruppe Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), die Deutschland bei der NATO als einsatzbereit gemeldet habe, massive Engpässe beim Material gebe. Soldaten hätten sich bei ihr beschwert, dass sie nicht mit jeweils einer Lang- und Handwaffe ausgestattet würden. Auch gebe es nicht ausreichend Nachtsichtgeräte in der Einheit.

Persönliche Ausrüstung der Soldaten verbessert

Positiv sei hingegen die Entwicklung bei der persönlichen Ausrüstung der einzelnen Soldaten. Sie sei mittlerweile so umfangreich, dass die Spinde aus allen Nähten platzen, schreibt die SZ.

Doch diesem Lichtblick stehen die katastrophalen Zustände in vielen Kasernen und Dienststellen gegenüber. „Mich erreichen Schreiben von Eltern, deren Kinder soeben den Dienst angetreten haben – in Kasernen mit maroden Stuben, verschimmelten Duschen und verstopften Toiletten“, zitiert die SZ die Wehrbeauftragte, die das als beschämend und dem Dienst der Soldatinnen und Soldaten unangemessen bezeichnete.

Sie mahnte eine Verantwortung von Landesbehörden bei Bauprojekten an, die entgegen den Interessen der Bundeswehr eigene Bauvorhaben vorzögen: „Wünschenswert wären unter anderem eine zügige Prüfung und Billigung von Vorhaben durch das Bundesministerium der Finanzen.“

Der Wehretat sei im vergangenen Jahr mit 58,5 Milliarden Euro gegenüber den Jahren zuvor deutlich gestiegen. Der Verteidigungsetat von 50 Milliarden Euro (2022: 50,4) wurde durch 8,4 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr (Gesamtvolumen 100 Milliarden Euro) aufgestockt.

Damit sei das NATO-Ziel von zwei Prozent bisher nicht erreicht. Doch werde sich das „voraussichtlich“ mit dem Bundeshaushalt 2024 ändern, meint Högl. Schon jetzt sei klar, dass mit dem Auslaufen des Sondervermögens Ende 2027 „eine deutliche Erhöhung des Verteidigungsetats in einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro notwendig sein wird“.

Kaum Extremismus, aber mehr sexuelle Übergriffe

Extremismus spiele nur eine untergeordnete Rolle innerhalb der Bundeswehr. „Erfreulicherweise ist für das abgelaufene Berichtsjahr erneut festzustellen, dass Extremismus in der Bundeswehr nur eine kleine Minderheit der Soldatinnen und Soldaten betrifft“, zitiert die SZ. Im vergangenen Jahr seien ihr vom Verteidigungsministerium 204 „meldepflichtige Ereignisse mit Bezügen zum Extremismus“ übermittelt worden (ab Seite 71).

Sorge bereite ihr die Zunahme der sexuellen Übergriffe (Seite 75). „Es muss eine klare rote Linie geben“, forderte sie laut SZ. Das Thema „Umgang mit Sexualität“ soll zum Pflichtfach für Schulungen werden, heißt es im Bericht. Im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen spiele bei einer Vielzahl der Vorfälle die Bedeutung des Faktors Alkohol eine Rolle. Es heißt: „Alkoholkonsum ist nicht nur häufig Auslöser für sexuelle Übergriffe, sondern hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Ermittlungen, wenn sich Betroffene, Beschuldigte und Zeuginnen oder Zeugen wegen Alkoholisierung kaum mehr an die Ereignisse erinnern können.“

Ferner berichtet Högel, dass die Arbeitsbelastung wegen Personalmangels enorm hoch sei. „Wenn es zu wenig Personal gibt, müssen immer dieselben ran“, heißt es im Bericht. Daher hofft Högl nun, dass die derzeitige Regierung ein „grobes Konzept“ für eine Dienstpflicht erstellt. Dieses könne dann in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.

Bundeswehr sucht Verstärkung in Hessen

Auch in den Bundesländern sucht die Bundeswehr für die sogenannten Heimatschutzregimente personelle Verstärkung. In diesen Tagen ging in den sozialen Netzwerken das Video eines Mannes aus Hessen viral, der Post vom in der Landeshauptstadt ansässigen Landeskommando bekommen hatte.

Darin heißt es unter anderem, dass „die geänderte sicherheitspolitische Lage in Europa“ auch eine starke Reserve in Hessen erfordere. Dafür stelle das Landeskommando Hessen das Heimatschutzregiment 5 – eines von sechs – auf.

Bewerberinnen und Bewerber würden „für eine Beorderung auf einem von 1.200 Dienstposten in bis zu zehn Kompanien gesucht. Regional verankert „werden diese Einheiten verlässlich und in ausreichender Stärke im Katastrophen- und Krisenfall sowie im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung in Hessen zum Einsatz kommen.“ Angesprochen waren „Mannschaften und Unteroffiziere der Reserve (m/w/d) bevorzugt im Alter von bis zu 57 Jahren“.

9.000 Reservisten angeschrieben

Wie eine Sprecherin der Bundeswehr in Köln auf Anfrage von Epoch Times mitteilte, würden Anschreiben „dieser Art in unregelmäßigen Abständen und an personelle Erfordernisse angepasst, versandt.“ Die hier erwähnte Aktion habe ausschließlich das in Hessen neu aufgestellte Heimatschutzregiment 5 betroffen.

Es seien mehr als 9.000 sogenannte unbeorderte Reservisten angeschrieben worden. „Dies sind Personen, welche einmal Dienst in den Streitkräften geleistet und nach ihrer absolvierten Dienstzeit bisher keine weitere Verwendung als Reservist wahrgenommen haben“, erläutert die Sprecherin.

Es sei dem angeschriebenen Personenkreis freigestellt, sich darauf zu melden, eine Verpflichtung „auf das gemachte Angebot einzugehen“, gebe es nicht.

Die Reservedienstleistenden würden im Heimatschutzregiment 5 in Hessen eingesetzt, um dort Aufgaben wie die Nothilfe im Inneren wahrzunehmen. „Das bedeutet, dass das Engagement ganz konkret lokal begrenzt ist“, betont die Sprecherin. Ein Einsatz an anderen Orten, etwa im Ausland, sei nicht vorgesehen.



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