WerteUnion: Maaßen plant Rückkehr zu CDU-Wurzeln – doch es bleiben Herausforderungen

Mit der WerteUnion als Partei will Ex-Verfassungsschutzpräsident Maaßen dort anknüpfen, wo CDU und CSU in der Merkel-Ära nach seiner Überzeugung aufgehört haben. Man sieht sich als legitimer Erbe von Adenauer, Strauß und Kohl an.
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Hans-Georg Maaßen beim CDU-Parteitag in Suhl 2021.Foto: Jens Schlueter/AFP via Getty Images
Von 27. Januar 2024

Der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat am Donnerstag, 25. Januar, seinen Austritt aus der CDU angekündigt. Gleichzeitig kündigte er an, sich künftig um den Aufbau der WerteUnion als „neue bürgerliche Partei“ konzentrieren zu wollen. Das Mandat dazu hatte der Ex-Geheimdienstchef am vergangenen Samstag bei der Mitgliederversammlung des Vereins in Erfurt erhalten.

CDU „nur eine Variante“ von Rot-Grün

Seinen Entschluss untermauerte er durch das Bild eines zerschnittenen Mitgliedsausweises, das Maaßen auf X postete:

Der langjährige Verfassungsschutzchef äußerte, die CDU erwecke „nur den Anschein, eine bürgerliche Alternative zu Rot-Grün zu sein“. Tatsächlich sei sie jedoch nur deren „Variante“. Seit der Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel verträten die Unionsparteien nicht mehr ihren Markenkern.

Dieser sei „Freiheit statt Sozialismus“. Die CDU unter Friedrich Merz sei nicht mehr reformierbar. Es habe sich gezeigt, dass der 2022 gewählte Vorsitzende und dessen Vorstand „nicht zu einer Politikwende bereit“ seien.

WerteUnion will authentische „Union 1.0“ sein

Maaßen hatte bereits in seiner Rede in Erfurt betont, die WerteUnion könne den Anspruch erheben, die „Union 1.0“ zu sein. Sie wolle für eine „Rückbesinnung auf die Werte der CDU/CSU von Adenauer, Strauß und Kohl“ kämpfen. Als existenzgefährdende Krisen für Deutschland definiert sie „Massenmigration, Energiekrise, Deindustrialisierung, Wirtschaftskrise, Klimahysterie, Demokratieabbau“.

Das langjährige CDU-Mitglied Maaßen spricht von einem „tiefgreifenden Einfluss“ der „neosozialistisch geprägten ehemaligen Parteivorsitzenden“ Merkel. Dieser habe sich auf die Parteistruktur, auf das Denken und Fühlen und auf den zwischenmenschlichen Umgang ausgewirkt.

In ihren Gruppendynamiken, so Maaßen, verhalte sich die CDU „wie eine sozialistische Kaderpartei“. Dies habe Konsequenzen:

Innenpolitische Gegner werden nicht mehr wie Gegner, sondern wie Feinde bekämpft, ähnlich der klassischen sozialistischen Zersetzungstechnik, wonach sogenannte feindlich-negative Personen durch Diffamierung, Rufmord, Ausgrenzung und weitergehende Maßnahmen neutralisiert wurden.“

Er nehme nicht wahr, so Maaßen, dass „die Merz-Union begriffen hätte, dass dies in einer Partei nach dem Bonner Grundgesetz tabu ist“.

Maaßen vermisst Bekenntnis „Freiheit statt Sozialismus“

In den 1970er-Jahren war „Freiheit statt Sozialismus“ eine der zentralen Wahlaussagen der CDU, die auch plakatiert wurde. Darüber hinaus wurden die 1980er-Jahre, in denen der Union der Machtwechsel gelang, als Zeit politischer Stabilität, wirtschaftlicher Prosperität und sozialen Friedens wahrgenommen.

Maaßen möchte mit der WerteUnion daran anknüpfen. Der „Linksrutsch“ durch die Regierungen Merkel und Scholz habe in die derzeitige Krise geführt. Die WerteUnion wolle das Land zurück auf den Erfolgspfad führen, den die Union in den Jahren zuvor ermöglicht habe.

Dabei will sich Maaßens in Entstehung begriffene Partei auch von der AfD unterscheiden. So sieht man den größten Unterschied zu dieser in der Wirtschaftspolitik. Dort stehe die AfD in einigen Bereichen für einen – wenn auch auf deutsche Staatsangehörige beschränkten – Ausbau des Sozialstaats. Die WerteUnion hingegen setze auf einen klassisch-liberalen Kurs mit einem schlanken Staat.

Spektrum zwischen Union und AfD zwischen mehreren Akteuren umkämpft

Eine erste Umfrage von INSA bescheinigt der WerteUnion ein Potenzial von 15 Prozent. Dabei hätten immerhin fünf Prozent erklärt, die WerteUnion „sicher“ wählen zu wollen. Das Potenzial stellt jedoch nur den Bereich der möglichen Wähler dar.

Inwieweit die WerteUnion dieses tatsächlich bei Wahlen ausschöpfen kann, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab, auch kurzfristigen. Es reicht auch nicht aus, dass Gründer Hans-Georg Maaßen als Person den Wählern bekannt ist. Diesen muss auch im Augenblick der Stimmabgabe aktuell bewusst sein, dass Maaßen eine Partei gegründet hat, die zur Wahl steht.

Die Herausforderung einer WerteUnion, die als Partei auftritt, wird darin bestehen, sich von anderen libertären, liberalen oder konservativen Kräften abzugrenzen, die sich von der Union nicht mehr vertreten fühlen. Dazu gehören beispielsweise die Freien Wähler oder das „Bündnis für Deutschland“. Einige von der WerteUnion formulierte Kritikpunkte an derzeit vorherrschenden politischen Ausrichtungen artikuliert auch das BSW von Sahra Wagenknecht in ähnlicher Weise.

Gleichzeitig wird es aber auch entscheidend sein, zum einen die Unterschiede und zum anderen den Mehrwert für Wähler gegenüber der AfD herauszuarbeiten. Hier könnte die Gefahr bestehen, dass Maaßen und seine Mitstreiter zum Opfer des zunehmenden Phänomens der Bildung von Echokammern werden, das in Deutschland Platz greift. Dies bedeutet, dass Diskurse nur noch unter Gleichgesinnten stattfinden, die ein einziges geschlossenes Weltbild teilen.

„Islamkritik“-Narrativ nimmt Raum in WerteUnion-Programmatik ein

Differenzierungen oder Hinterfragung dort vorherrschender Positionen finden nicht mehr statt. Gleichzeitig wächst dadurch die Distanz zu vielen unpolitischen Normalbürgern, die bestimmte Teile des geschlossenen Weltbildes nicht mehr nachvollziehen können.

Im Fall der WerteUnion stechen dabei einige Aspekte heraus. Einer davon ist die Migrationspolitik. Zwar ist in der Gesamtbevölkerung eine zunehmende Ablehnung einer zu weitgehenden Grenzöffnung wahrzunehmen. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit dies auch mit der Zustimmung zu bestimmten Narrativen der vergangenen Jahre verbunden ist.

So teilt Maaßen offenbar die Vorstellung einer angeblichen „Islamisierung“. Tatsächlich gründet sich die Zunahme der Angehörigen muslimischer Glaubensgemeinschaften jedoch fast ausschließlich auf die Zuwanderung von Menschen, die diesen bereits zuvor angehört hatten. Die Zahl der Übertritte zum Islam durch Nichtmuslime auf deutschem Boden ist jedoch gering. Zuletzt war 2013 davon die Rede, dass deren Zahl sich im niedrigen vierstelligen Bereich pro Jahr einpendele. In vielen Fällen spielen dabei persönliche Gründe wie Eheschließungen mit Muslimen eine Rolle.

Insgesamt leben in Deutschland derzeit etwa 5,5 Millionen Muslime, von denen weniger als die Hälfte in Verbänden oder dazugehörigen Gemeinden organisiert ist. Die WerteUnion hält die Weltreligion, der ein Viertel der Bewohner der Erde angehört, für ein erforderliches Objekt invasiver staatlicher Regelungsgewalt. Sie hat dem Islam sogar ein eigenes „Positionspapier“ gewidmet.

Mit Alltagserfahrungen unpolitischer Normalbürger im Einklang

Es ist jedoch nicht ausgemacht, ob die Zahl derjenigen Bürger, die mehr Kontrolle der Zuwanderung befürworten, gleichzeitig auch „den Islam“ insgesamt als Problem sehen. Das Narrativ der sogenannten Islamkritik hatte zwar in den 2000er-Jahren bis hinein in Teile der CDU Einfluss erlangt.

Viele Normalbürger, die muslimische Arbeitskollegen, Geschäftspartner oder Nachbarn haben, können mit dieser Problematisierung jedoch wenig anfangen. Sie wird vielfach als ideologisch und ihren eigenen Alltagserfahrungen widersprechend angesehen. Auch deshalb blieben diese Positionen in der Union in der Minderheit. Zudem konnten islamfeindliche Parteien wie „Die Freiheit“ trotz einer starken Präsenz des Themas in Medien keine nennenswerten Erfolge verbuchen.

Mit ihrer Positionierung bietet die WerteUnion in diesem Bereich kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur AfD. Gleichzeitig bleibt sie an Ausdifferenzierung hinter der CDU, den Freien Wählern, aber auch dem BSW zurück. Diese haben zwar auch mit Blick auf den „politischen Islam“ eine restriktive Position eingenommen. Allerdings vermeiden sie den Eindruck, gezielt in die Freiheitsrechte von Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eingreifen zu wollen.

Zuwanderungspolitik „mit Augenmaß“ – trotzdem Forderung nach „Assimilation“

Bezüglich der Zuwanderung selbst insgesamt hat Maaßen angekündigt, eine Politik „mit Augenmaß“ betreiben zu wollen. Einwanderer seien willkommen, wenn sie über die erforderliche Qualifikation und „Eignung für den Arbeitsmarkt“ verfügten.

Gleichzeitig fordert Maaßen ein Aus für Familiennachzug und Familienzusammenführungen bei Geflüchteten. Zur Ausreise verpflichtet werden sollten „alle Straftäter“ mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Außerdem sollen – was verfassungsrechtlich deutlich heikler ist – Ausländer das Land verlassen müssen, die nicht zu einer „Assimilation“ bereit seien. Es stellt sich insbesondere die Frage, wer definiert, wann eine solche stattgefunden hat und inwieweit ein freiheitlicher Staat ein Recht hat, Gesinnungen oder alltägliches Verhalten vorzuschreiben.

Insgesamt leben in Deutschland heute jedoch 23,8 Millionen Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund. Von diesen sind mehr als zehn Millionen deutsche Staatsangehörige. Damit hat sich die Zahl der Menschen mit nicht-deutschen Wurzeln gegenüber der Ära Helmut Kohls vervielfacht.

Wie viel Helmut Kohl steckt in Maaßen-Projekt?

Wenn die WerteUnion den Anspruch auf Nachfolge der CDU von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Helmut Kohl zu sein, erzählt sie bezüglich des Letztgenannten nicht die ganze Geschichte. Zwar hatte dieser noch Anfang der 1980er-Jahre von einer Rückführung eines großen Teils der türkischen Einwanderer gesprochen.

In diesem Sinne äußerte er sich beispielsweise in einem Gespräch mit Margaret Thatcher im Jahr 1982. Tatsächlich beschloss sein schwarz-gelbes Kabinett 1983 ein Rückkehrförderungsgesetz. Man wollte den „Ausländeranteil in den nächsten zehn Jahren halbieren“. Am Ende nahm nur etwa eine halbe Million von 4,6 Millionen Drittstaatsangehöriger das Angebot an.

Die Union wollte sich zwar nicht zum „Einwanderungsland“ Deutschland bekennen. Zu Beginn der 1990er-Jahre beschwor sie jedoch Deutschland als „erfolgreiches Integrationsland“. Helmut Kohl pflegte am Ende sogar familiäre Verbindungen zur Türkei.

WerteUnion will Ende von Ausbildungsduldungen

Generell wird es eine Herausforderung auch für die WerteUnion darstellen, zwischen ideologischen Positionen und pragmatischer Alltagspolitik abzuwägen. So will die in Entstehung begriffene Partei beispielsweise auch abgelehnte Asylbewerber abschieben, die über einen Duldungsbescheid verfügen.

Wie der „Mediendienst Integration“ berichtet, hat sich seit 2019 die Zahl der Ausbildungsduldungen von 3.600 auf über 8.000 mehr als verdoppelt. Bei vielen der betroffenen Wirtschaftsunternehmen, die über Nachwuchsmangel klagen, könnte die Vorstellung, Ausbildungsverhältnisse abbrechen zu müssen, wenig Begeisterung hervorrufen.

Ebenfalls nicht unumstritten dürfte im potenziellen Zielpublikum die Position Hans-Georg Maaßens im Kontext der Corona-Impfung sein. Im Januar 2022 forderte Maaßen ein „COVID-Impfverbot“. Er erklärte dazu, er wolle nicht, dass „gesunde Kinder mit fünf oder sechs Jahren wegen einer Impfung um ihr Leben kämpfen müssen“. Er begründete seine Position auch mit eigenen Erfahrungen. Als Kind habe er sich Notoperationen unterziehen müssen – die er auf die Wirkung von Impfungen zurückführt.



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