Wie gefährlich ist der Coronavirus für Deutschland? – Hygiene-Experte: „In 14 Tagen wissen wir mehr“

"Die Weiterverbreitung des Virus findet auch ohne Symptome statt." Momentan sei die Situation in Deutschland noch ruhig, aber das könne sich stündlich ändern, warnt Professor Klaus-Dieter Zastrow, früherer Leiter des Fachgebiets „Übertragbare Krankheiten, Impfwesen und Krankenhaushygiene“ am Robert-Koch-Institut, in einem Gespräch mit der Epoch Times.
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Coronavirus.Foto: iStock
Von 28. Januar 2020

Nun hat der Coronavirus Deutschland erreicht. Der erste Fall tauchte in Bayern auf. Ein Mann im Landkreis Starnberg hat sich mit dem Virus infiziert. Er hatte Kontakt mit einer Kollegin aus Shanghai, die vor kurzem in Deutschland war. Auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums heißt es dazu:

Mitteilung Bundesgesundheitsamtes am 28. Januar 2020, 15:00 Uhr. Foto: Screenshot/Bundesgesundheitsministerium

Wie gut ist Deutschland vorbereitet?

Epoch Times sprach mit Professor Klaus-Dieter Zastrow, früherer Leiter des Fachgebiets „Übertragbare Krankheiten, Impfwesen und Krankenhaushygiene“ am Robert-Koch-Institut .  Dieser sagte:  „Die Frage ist: Was meint Spahn mit dieser Aussage?“

Wenn sich diese Aussage auf die Situation in den Krankenhäusern beziehe, dann seien diese sicherlich gut darauf vorbereitet. Denn das Prozedere zu den Isolierungs- und Schutzmaßnahmen sei in den Krankenhäusern überall gut bekannt. Aber was ist mit dem Weg vom Flughafen zum Krankenhaus oder vom Flughafen zur Wohnung und von dort zum Krankenhaus? Oder mit Supermärkten und Tankstellen? „Da können sie nicht viel machen“, sagte Zastrow.

Ob sich die Seminarleiterin aus Shanghai, die in Deutschland den Mitarbeiter von Webasto infiziert hat, selbst Kontakt mit Menschen aus Wuhan hatte, ist derzeit noch unklar. Laut Aussage des Experten sei das auch nicht von Belang. Derzeit sei jedenfalls offensichtlich, dass der Virus in Shanghai angekommen ist. Auch wenn sich in Deutschland erst ein Fall bestätigt habe, so sei die Übertragung von Mensch zu Mensch jetzt „sonnenklar belegt“.

Übertragung auch ohne Symptome

„Die Weiterverbreitung des Virus findet auch ohne Symptome statt“, erklärte Zastrow.  Wenn man sich in der Inkubationszeit befinde, könne man vor allem in den letzten drei Tagen, bevor die Symptome auftreten, andere anstecken. Auch, wenn man selbst keinerlei Merkmale habe. „Man kann also vorher schon Leute anstecken.“

Auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums heißt es weiterhin: „Dennoch, das Risiko für die Bevölkerung in Europa und Deutschland schätzen die Experten des Robert-Koch-Institutes weiterhin als gering ein.“

Meldung vom 28. Januar 2020, 15:00 Uhr. Foto: Screenshot/Bundesgesundheitsministerium

Momentan sei die Situation in Deutschland noch ruhig, aber das könne sich stündlich ändern, warnt Zastrow. Ob die Gefahr gering sei, könne man gar nicht einschätzen.

Wer weiß, wie viel Menschen die Seminarleiterin aus China gesehen und schon angesteckt hat? In 14 Tagen wissen wir mehr, wenn die Inkubationszeit abgelaufen ist.“

Die 40 Mitarbeiter der Firma Webasto befinden sich in privater Quarantäne. Sie wurden angewiesen, zu Hause zu bleiben. Das Unternehmen hat ein Reiseverbot für China für seine Mitarbeiter erteilt.

Evakuierung von Deutschen aus Wuhan in Vorbereitung

Laut Informationen der „Bild“ steht eine Maschine des Typs Airbus A310 PAX in Köln bereit, die Deutsche aus Wuhan evakuieren soll. Der Abflug ist im Laufe des Tages geplant, es werde ein Flugzeug in der PAX-Version eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine reine Passagiermaschine, ohne darin integrierte Intensiv-Betten. Mittels medizinischer Schnelltests vor Ort soll sichergestellt werden, dass kein Träger des Coronavirus an Bord der Maschine gehen wird. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sollen sich rund 90 Deutsche in Wuhan und Umgebung aufhalten.

Wenn nunmehr Deutsche aus Wuhan zurückgeholt werden, müssten diese „sofort“ alle unter Isolierung gestellt werden für die Inkubationszeit. „Sagen wir mal 14 Tage“, so Zastrow. „Und wenn in den 14 Tagen keiner krank geworden ist, gehen die eben wieder nach Hause.“ Auf jeden Fall könne man diese Menschen nicht frei herumlaufen lassen.

Spielwarenmesse in Nürnberg

In Nürnberg beginnt morgen eine Spielwarenmesse. Der Veranstalter sagte in der vergangenen Woche: „Wir können als Messe-Organisation nicht die Einreise in unser Land kontrollieren und verlassen uns in diesem Fall auf die bewährten Kontrollsysteme an den Flughäfen“, sagte Ernst Kick, Vorstandsvorsitzender der Spielwarenmesse eG, der „Heilbronner Stimme“ (Dienstagsausgabe). Tausende Geschäftsleute werden aus China, dem Hauptproduktionsland für Spielzeug, zum wichtigsten Branchentreff des Jahres erwartet.

Diese Situation ist „äußerst kritisch“, sagte Zastrow. So viele Besucher und so viele Händler. „Einen besseren Multiplikator könnte es gar nicht geben. Entweder sagt man diese Messe ab oder man hält die Chinesen von der Messe fern.“  Zu diesem Zeitpunkt dürfte man die chinesischen Händler nicht einreisen lassen. Unsere heutige Nachfrage beim Veranstalter ergab, dass die Spielwarenmesse wie geplant stattfindet.

Gesundheitsämter in Bereitschaft und speziell ausgerüstete Flughäfen

Deutschland sieht sich gut vorbereitet auf Erkrankungsfälle durch das neuartige Coronavirus. Das betonen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und andere Gesundheitsexperten immer wieder. Abläufe und Meldewege für den Ernstfall werden von den Gesundheitsbehörden regelmäßig geprobt. Ein Überblick:

Notfallpläne

Das RKI entwickelte federführend ein Ablaufschema für Ärzte zur Abklärung von 2019-nCoV-Verdachtsfällen, Diagnostik, Hygienemaßnahmen, Patientenisolierung sowie Behandlung. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist in Bereitschaft. Ein Verdachtsfall setzt dann eine Meldekette in Gang, und die zuständige Gesundheitsbehörde wird informiert.

Ein Verdacht besteht, wenn jemand eine akute Infektion der unteren Atemwege hat und sich bis maximal 14 Tage vor Erkrankungsbeginn in einem Risikogebiet aufhielt. Auch jemand mit weniger schweren Atemwegsprobleme, der aber in Kontakt zu Erkrankten war, wird als Verdachtsfall eingestuft. Anschließend folgen Labortests und im bestätigten Fall eine Therapie der Symptome.

Diagnostik

Gerade weil die frühen Symptome einer Coronavirusinfektion denen einer Erkältung oder Grippe ähneln, ist der Verdacht beispielsweise erst durch einen Abstrich aus dem Rachen zu klären. Das Nationale Konsiliarlaboratorium für Coronaviren befindet sich an der Berliner Charité. Dort wurde vor kurzem auch ein Nachweisverfahren für das derzeit in China kursierende Coronavirus entwickelt. Auch andere Speziallabore für Virologie können Proben testen, etwa an den Universitätskliniken Leipzig und Marburg. Ein Ergebnis liegt nach etwa vier bis fünf Stunden vor.

Flughäfen

Auch an Flughäfen gibt es Notfallpläne. Ein Flugzeug mit Menschen an Bord, die möglicherweise mit dem neuartigen Coronavirus infiziert sind, darf in Deutschland nur fünf Flughäfen ansteuern. Das sind Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, München und Berlin. Nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) müssen diese Flughäfen speziell ausgerüstet sein, damit betroffene Passagiere transportiert, diagnostiziert und klinisch versorgt werden können. An Flughäfen wie Düsseldorf wird zudem über Monitore und Poster über die Infektion und Verhaltensregeln informiert.

Krankenhäuser

Krankenhäuser und Ärzte sind sensibilisiert, an zahlreichen Kliniken konnten Verdachtsfälle bereits ausgeräumt werden. Für Seuchen jedweder Art gibt es Krankenhausalarmpläne und Hygienepläne, der Ernstfall wird regelmäßig geprobt. Grundsätzlich sind beispielsweise in Hessen nach Angaben des Landessozialministeriums alle Krankenhäuser darauf vorbereitet, Patienten mit neuartigen Infektionskrankheiten zu versorgen. Betroffene werden isoliert, entsprechende Schutzkleidung ist unabdingbar.

Bundesweit gibt es außerdem auf hochansteckende und lebensbedrohliche Infektionen spezialisierte Kliniken. Dazu zählt die Münchner Klinik Schwabing, wo der erste deutsche Patient mit einer bestätigten Coronavirusinfektion behandelt wird.

Anlaufstellen bei Verdacht

Eine Klinik mit Spezialstation ist nicht die erste Anlaufstelle bei Symptomen. Betroffene sollten ihren Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen, um den Verdacht abzuklären. Wichtig ist es, die Praxis vorher anzurufen und entsprechende Symptome und einen Aufenthalt in einer Risikoregion zu benennen. Dann wird ausgeschlossen, dass Patienten in vollen Wartezimmer sitzen, und es können entsprechende Hygienemaßnahmen ergriffen werden.

Weitere Informationen über das Coronavirus erhalten Sie im aktuellen Coronavirus NEWSTICKER.

(mit dts/afp/sua)

 

 

 

 

 

 



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