Pkw-Maut-Desaster kostet den Steuerzahler weitere 243 Millionen

Nach vier Jahren Vergleichsverhandlungen steht fest: Der Bund muss 243 Millionen Euro an die „autoTicket GmbH“ überweisen – als Schadenersatz für den 2019 geplatzten Auftrag zur Betreuung der Pkw-Maut. Verkehrsminister Wissing sprach von einer „bitteren Summe“.
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Symbolbild: Die Millionen Pkw auf deutschen Autobahnen könnten per Maut Milliarden in die Staatskassen spülen – so wollte es einst die CSU. Doch die Pkw-Maut scheiterte 2019 am EuGH. Nun steht die Schadenersatzsumme für die Betreiberfirma fest.Foto: iStock
Von 7. Juli 2023

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Erinnern Sie sich noch an die Pläne der GroKo-Bundesregierung, eine Maut für Pkw-Fahrer einzuführen?

Im Dezember 2018 hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schon einen langfristigen Vertrag mit der Betreiberfirma „autoTicket GmbH“ unterschrieben, ohne ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abzuwarten. Im Juni 2019 entschied der EuGH allerdings, dass das GroKo-Vorhaben nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Die Pkw-Maut war damit vom Tisch. Die „autoTicket GmbH“ verlangte wegen des geplatzten Deals Schadenersatz.

Steuerzahler muss für 243 Millionen Euro haften

Nun steht die Summe fest, auf die sich die Gegner in einem Schiedsverfahren am 5. Juli 2023 geeinigt haben: Nach Informationen des österreichischen Verkehrssystem-Spezialisten „Kapsch TraficCom“ erwartet die „autoTicket GmbH“ demnächst einen Überweisungseingang aus Berlin in Höhe von 243 Millionen Euro.

Die „Kapsch TraficCom AG“ mit Sitz in Wien hatte sich mit dem Münchener Ticketing-Spezialisten „CTS Eventim AG & Co. KGaA “ zu dem Joint Venture „autoTicket“ zusammengeschlossen. „Die vergleichsweise Einigung wird voraussichtlich in den kommenden Tagen finalisiert und ausgefertigt und damit wirksam werden“, heißt es in einer entsprechenden Kapsch-Pressemitteilung.

Wissing: Maut-Pläne ein „schwerer Fehler“

Aus Sicht des aktuellen Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP) ist die Regierung damit noch einmal glimpflich davon gekommen: Ursprünglich hätten sogar über 700 Millionen Euro Schadenersatz im Raum gestanden, zitiert ihn das „Handelsblatt“ (Bezahlschranke). Dennoch handele es sich um eine „bittere Summe“. Der Haushaltsausschuss des Bundestages habe aber bereits zugestimmt, die 243 Millionen zur Verfügung zu stellen. Es sei ein „schwerer Fehler“ gewesen, überhaupt ein Maut-Vorhaben für Personenkraftwagen auf den Weg zu bringen, meinte Wissing.

Zu Beginn der Vergleichsverhandlungen hatte die „autoTicket GmbH“ noch 560 Milliarden von Deutschland verlangt, um „Abwicklungs- und sonstige Kosten sowie bereits entstandene und künftige Aufwendungen“ auszugleichen, die mit dem Betreibervertrag vom Dezember 2018 entstanden seien. Die „Kapsch TraficCom“ geht davon aus, dass ihr selbst etwa 80 Millionen Euro zufließen werden. Dies werde „eine signifikante Verbesserung des operativen Ergebnisses (EBIT)“ für die Österreicher bedeuten, schrieb das Unternehmen in seiner Pressemitteilung.

U-Ausschuss mit mäßigem Tadel

Wissings Vorgänger Andreas Scheuer hatte sich wegen seiner verfrühten Unterschrift seit Januar 2020 einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss stellen müssen. Bis dahin hatten die Mautpläne nach Angaben der „Welt“ (Video auf „YouTube“) bereits 80 Millionen Euro verschlungen.

Nach Informationen von „Heise.de“ habe Scheuer vor dem Ausschuss stets darauf beharrt, nach „bestem Wissen und Gewissen“ und „rechtens“ gehandelt zu haben. Die damalige Opposition hatte ihm Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vorgeworfen.

In dem 2021 vorgelegten Abschlussbericht des U-Ausschusses hieß es, dem Risiko eines vollständigen Scheiterns der Pkw-Maut vor dem EuGH hätte „in der Risikoabwägung eine größere Bedeutung zukommen müssen“. Festgestellt wurde zugleich, es habe „kein Fall einer Lüge, bewusster Verheimlichung oder Manipulation“ des Ministeriums oder des Ministers glaubhaft nachgewiesen werden können.

 

Der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach einer Präsenzsitzung des CSU-Vorstands in München.

Scheuer unter Druck

Seit April 2022 läuft laut „FAZ“ allerdings ein Ermittlungsverfahren gegen Scheuer und seinen früheren Staatssekretär Gerhard Schulz (parteilos): Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich die beiden im U-Ausschuss der falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht haben könnten. Scheuer habe bestritten, dass es ein Angebot des Mautbetreiberkonsortiums gegeben habe, mit der Unterschrift lieber zu warten, bis das EuGH sein Urteil gefällt habe. Die Vertreter der „autoTicket GmbH“ hatten das Gegenteil behauptet.

Scheuer und Wissing stehen inzwischen auch wegen des „Milliardendesasters bei Münchner S-Bahn“ in der Kritik, wie die „Süddeutsche“ (Bezahlschranke) jüngst bekannt gab.

Nach Angaben der „Tagesschau“ will Scheuer noch im Juli 2023 seinen Vorsitz beim CSU-Bezirksverband Niederbayern abgeben und auch nicht mehr als Gastgeber des „Politischen Aschermittwochs“ in Passau auftreten. Er besitzt als direkt gewählter Kandidat seines Wahlkreises Passau noch immer ein Bundestagsmandat.

CSU wollte Pkw-Maut 2013 unbedingt

Nach Informationen des „Deutschlandfunks“ (DLF) war die CSU 2013 mit der Forderung in den Bundestagswahlkampf gezogen, eine Pkw-Maut in ganz Deutschland einzuführen, um mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur einzusammeln. „Infrastrukturabgabe“ hieß damals das Schlagwort.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich anfangs noch gegen die entsprechenden Pläne ihres Verkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU) gesträubt. Auf Druck von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe Merkel dem Ansinnen der Bruderpartei letztlich doch nachgegeben.

Das Gesetz sei im März 2015 verabschiedet worden. Demnach sollten inländische wie ausländische Autofahrer für die Benutzung von Autobahnen und Bundesstraßen zahlen. Deutsche Fahrer sollten einen Ausgleich über eine niedrigere Kraftfahrzeugsteuer erhalten.

Österreich zog in Luxemburg vor EU-Gerichtshof

Die EU-Kommission habe daraufhin zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie die Gleichbehandlungsgrundsätze als verletzt angesehen habe. Doch EU-Transportkommissarin Violeta Bulc habe das Verfahren ruhen lassen, nachdem Dobrindt entsprechende Korrekturen umgesetzt hatte. Österreich habe das allerdings nicht genügt: Im Oktober 2017 reichte Wien vor dem EuGH in Luxemburg eine Klage gegen die Bundesrepublik ein.

Beinahe zeitgleich, nämlich mit Konstituierung der vierten Bundesregierung unter Angela Merkel am 24. Oktober 2017, gab Dobrindt sein Amt als Verkehrsminister auf. Für ihn übernahm am 14. März 2018 sein Parteikollege Andreas Scheuer das Ministerium. Scheuer unterzeichnete dann am 30. Dezember 2018 ungeachtet des laufenden EuGH-Verfahrens den Betreibervertrag mit der „autoTicket GmbH“.

Richter stimmten Österreich zu

Ein halbes Jahr später, am 18. Juni 2019, entschieden die Luxemburger Richter nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ gegen das deutsche Mautgesetz. Scheuer habe daraufhin sofort den Betreibervertrag gekündigt – und zwar „aus ordnungspolitischen Gründen“ und wegen „Schlechtleistung“, die Scheuer mit einer angeblich nicht „vertragskonform“ eingereichten „Feinplanungsdokumentation“ seines Vertragspartners begründete.

Seitdem ging es hinter den Kulissen nur noch um die Höhe des Schadenersatzes für den Auftragnehmer „autoTicket GmbH“. Die „streng geheim gehaltenen“ Vergleichsverhandlungen zwischen der Bundesrepublik und den Joint-Venture-Partnern „Kapsch TraficCom“ und „CTS Eventim“ hatten sich rund vier Jahre lang hingezogen.



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