SPD auf Zukunftskurs: Parteispitze bereitet sich auf die nächsten zwei Jahre „Transformation“ vor

Saskia Esken und Lars Klingbeil wollen als Doppelspitze der SPD weitermachen. Der 35-köpfige Parteivorstand hat zudem über drei Leitanträge zum künftigen Kurs der Partei beraten. Sie betreffen vor allem die Finanz-, Bildungs- und Außenpolitik.
Saskia Esken und Lars Klingbeil, beide SPD Co-Vorsitzende, kommen zu einer Pressekonferenz nach den Gremiensitzungen der SPD Bundesspitze.
Saskia Esken und Lars Klingbeil wollen die SPD gemeinsam in die Jahre 2024 und 2025 führen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 14. November 2023

Saskia Esken (62) und Lars Klingbeil (45) wollen auf dem SPD-Bundesparteitag im Dezember wieder gemeinsam für den Parteivorsitz kandidieren. Das hat der 35-köpfige Parteivorstand auf seinem X-Kanal berichtet. Vorstand und Präsidium hätten die beiden am 13. November offiziell nominiert.

„Wir waren uns sehr schnell einig, dass wir gemeinsam im Team weitermachen wollen“, sagte Klingbeil während des Treffens der Parteispitzengremien in Berlin. Es handele sich um eine „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Auch Esken betonte, dass sie bereits vor zehn Jahren mit Klingbeil im Bundestag zusammengearbeitet habe. Damals hätten die beiden „Digitalpolitik zusammen gemacht“. Zuletzt hatte die SPD am 11. Dezember 2021 über die Personalien im Bundesvorstand abgestimmt.

Kein Streit mit Scholz geplant

Wie die „Tagesschau“ berichtete, besteht innerhalb der Partei ein „großer Rückhalt“ für das Duo Esken/Klingbeil, auch wenn die „krachenden Wahlniederlagen in Hessen und Bayern […] Unruhe in die Partei gebracht und Forderungen nach einer stärkeren Profilierung der SPD“ hätten „laut werden lassen“. Nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) hatten Esken und Klingbeil berichtet, dass „Parteipräsidium und Parteivorstand“ sich einstimmig hinter sie gestellt hätten. Die alte und wohl auch neue Doppelspitze strebe keinen Streit mit Bundeskanzler Olaf Scholz an, so Klingbeil (Video auf YouTube).

Dass es für die SPD auch in den kommenden beiden Jahren der Legislatur „nicht ruhiger“ werde, räumte aber auch Klingbeil ein. Immerhin habe man es mit Herausforderungen wie der Klimaneutralität, der Digitalisierung und der Bildung zu tun. Zudem müsse man sich um eine „gerechte Finanzierung von Investitionen“ und um die „Entlastung für die arbeitende Mitte dieses Landes“ kümmern, so Klingbeil auf dem X-Kanal des SPD-Parteivorstands.

Modernisierungspläne: „Zusammen für ein starkes Deutschland“

Die SPD beschreibt ihren künftigen Kurs unter dem Slogan „Zusammen für ein starkes Deutschland“ in drei Leitanträgen, die allerdings noch nicht vollständig veröffentlicht wurden. Der erste, in dem es auf 21 Seiten um die Modernisierung Deutschlands im Rahmen einer „klimaneutralen“ Transformation geht, wurde bereits vor einigen Tagen vorgestellt. Das Geld dafür soll mit einer Reihe von Reformen in die Haushaltskasse strömen.

So soll es nach den Vorstellungen der SPD-Spitze eine grundlegende Einkommensteuerreform geben, die 95 Prozent der Bevölkerung entlasten soll. Das soll auch mit einem erhöhten Mindestlohn gelingen. Allerdings soll auch eine „Zukunftsabgabe neu begründet“ und eine temporäre „Krisenabgabe“ für besonders reiche Menschen eingeführt werden. Man werde außerdem „die Erbschafts- und Schenkungssteuer so reformieren, dass Multimillionäre und Milliardäre mehr zum Gemeinwohl beitragen“, wie die SPD-Spitze laut „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) bereits vor einigen Tagen erklärt hatte.

Nach Angaben der „Tagesschau“ sollen nach dem Willen der SPD-Spitze künftig „Investitionen von 100 Milliarden Euro jährlich in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und den Umbau der Industrie“ fließen.

Zur Finanzierung will sich die SPD neben ihrer Steuerpolitik wohl wieder auf Kreditaufnahmen zulasten künftiger Generationen stützen: Laut „Tagesschau“ soll die im Grundgesetz verankerte Regelung zur Schuldenbremse gelockert werden. Genau das komme aber „beim Koalitionspartner FDP nicht gut“ an.

Mehr Geld für die Bildung

Über die beiden übrigen Leitanträge wurde erst am 13. November Näheres bekannt. Sie betreffen nach Informationen von „Antenne Bayern“ die Bildungspolitik und die „außenpolitische Neuaufstellung“ vor dem Hintergrund aktueller Krisen und Kriege.

Für die Bildung will Saskia Esken nach Angaben der „Berliner Zeitung“ ab 2024 zehn, statt zwei Milliarden Euro pro Jahr locker machen. Das Geld soll vor allem in das gemeinsame Startchancen-Programm von Bund und Ländern fließen. Statt wie bisher nur jede zehnte Schule soll bald jede zweite in den Genuss von Zuschüssen kommen. Das beträfe dann rund 20.000 Häuser. Eine „Kommission aus Bund, Ländern und Kommunen“ solle künftig für die „zielgenaue“ Umsetzung der Gelder sorgen, so die „Berliner Zeitung“.

Nach Informationen von „Table Media“ brachte Saskia Esken noch weitere Reformideen in dem 16-seitigen Leitantrag zum Thema Bildung vor, die „von Kita bis Seniorenstudium, von Sprachstandserhebungen bis Künstlicher Intelligenz als Bildungsbooster“ reichten.

Außenpolitische Kehrtwende

Außenpolitisch will die SPD nach Informationen von „Antenne Bayern“ eine „Kehrtwende“ machen. Nicht mehr „Wandel durch Handel“ solle als Grundsatz „gegenüber autokratischen Staaten wie Russland“ gelten, sondern ein klarer Abgrenzungskurs. „Solange sich in Russland nichts fundamental ändert, wird die Sicherheit Europas vor Russland organisiert werden müssen“, heiße es nun im Leitantrag zur Außenpolitik. Das Militär werde von der SPD nun „ausdrücklich als Mittel der Friedenspolitik anerkannt“, Deutschland solle eine „Führungsrolle“ in der Welt übernehmen. Lars Klingbeil habe sogar von einer „Führungsmacht“ gesprochen, doch dieses Wort habe es nicht in den Leitantrag geschafft, so „Antenne Bayern“.

Das Thema Migration spielt nach Einschätzung von „Antenne Bayern“ in allen drei Leitanträgen „nur eine Nebenrolle“. Die Partei stehe hinter dem Ansatz von Kanzler Scholz, „Migrationsabkommen mit Herkunftsländern abzuschließen“, die den Zuzug von „Fachkräften“ und die „Rückführung von Flüchtlingen ohne Bleiberecht“ erleichtern sollen. „Die aktuelle Debatte über Leistungskürzungen für Asylbewerber oder Asylverfahren außerhalb der EU haben dagegen keinen Eingang in die Anträge gefunden“, schreibt „Antenne Bayern“.

Über all das soll zwischen dem 8. und 10. Dezember während des Bundesparteitags im „CityCube“ des Berliner Messegeländes final abgestimmt werden. Dann sollen die Delegierten auch den kompletten Parteivorstand mit seinen 35 Mitgliedern neu wählen.

Juso-Spitzenkandidat Türmer: „Hätte mir mehr Mut gewünscht“

Nach Angaben der „Presse Augsburg“ ist Philipp Türmer, derzeit Juso-Vize und neben Sarah Mohamed Spitzenkandidat für den Juso-Vorsitz, nicht ganz zufrieden mit den Leitanträgen seines Parteivorstandes. Er habe sich „in vielen Punkten mehr Mut gewünscht“, zitiert das Portal den Offenbacher Juristen unter Verweis auf die „Rheinische Post“. Ginge es nach Türmer, würde die Schuldenbremse nicht nur gelockert, sondern ganz abgeschafft. „Wir Jusos werden auf dem Bundesparteitag für Änderungen kämpfen“, habe Türmer angekündigt. Und konkretisiert:

Ich erwarte von unserem neu zu wählenden Parteivorstand, dass er auf Worte Taten folgen lässt. Es braucht höhere Löhne, geringere Mieten und mehr Investitionen, um die soziale und wirtschaftliche Krise zu beenden. […] Das erfordert nicht nur Parteitagsbeschlüsse, sondern auch die Änderung der Regierungspolitik. Es wird Zeit, dass Olaf Scholz wieder daran erinnert wird, für welche Partei er angetreten ist.“

Die Jusos, also die Mitglieder der SPD-Nachwuchsorganisation, entscheiden bereits am Wochenende während ihres Bundeskongresses in Braunschweig über eine Reihe wichtiger Personalien (PDF-Datei der Kandidaten).

Nach Angaben des „Spiegel“ tritt die bisherige Juso-Chefin Jessica Rosenthal nicht wieder zur Wahl an. Sie erwarte ihr erstes Kind. Ihr Bundestagsmandat für die SPD werde sie aber behalten.

Seit zwei Jahren im Amt: Duo Esken/Klingbeil

Saskia Esken und Lars Klingbeil hatten die gemeinsame Führung der Partei im Dezember 2021 übernommen – wenige Wochen, nachdem die SPD als Kanzlerpartei aus der Bundestagswahl hervorgegangen war. Klingbeil hatte damals 86,3 Prozent der Delegierten für sich gewinnen können, Esken 76,7 Prozent.

Klingbeil ersetzte Norbert Walter-Borjans, der die SPD in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen mit Esken geführt hatte, diesmal aber von einer erneuten Kandidatur abgesehen hatte. Den Posten des Generalsekretärs übernahm damals Kevin Kühnert. Auch er möchte sich im Dezember für weitere zwei Jahre wählen lassen.

Zehn Prozentpunkte eingebüßt

Seit Amtsantritt des Duos Esken/Klingbeil hat die SPD deutlich an Zuspruch in der Bevölkerung verloren. Lag die Partei bei der „Sonntagsfrage“ gegen Jahresende 2021 noch zwischen 25 und 26 Prozent, kommt sie – je nach Meinungsforschungsinstitut – heute auf Werte um die 15, 16 Prozent. Das zeigt ein Blick auf eine interaktive Chronik des Statistischen Bundesamts.

Im Kalenderjahr 2024 stehen die Wahl des Europäischen Parlaments, Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und mehrere Kommunalwahlen auf dem Kalender.



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