WM-Randerscheinungen: Auf dem Römerberg am Puls des Tages

Titelbild
Die fröhliche Leichtigkeit der ArgentinierFoto: Monika Weiß
Von 23. Juni 2006

Auf dem Frankfurter Römerberg ist man immer am Puls des Tages. Die Fans wechseln mit den täglichen Spielen. Die rot gewandeten Hundertschaften englischer Fußballenthusiasten haben Durchhaltevermögen bewiesen, in Stimme, Trinkvermögen und Fröhlichkeit. Sie hatten es angeblich heimlich auf das Schwert der Justitia abgesehen. Seit Tagen ragt deren Hand ohne Schwert etwas sinnlos in die Luft. Die Polizei nimmt es gelassen: „Wenn es nicht schlimmer wird.“

Nach dem Spiel Deutschland:Ecuador war in Frankfurts Gutt’ Stubb’ ausgelassene Stimmung. Bis zum Dom schallte der Beifall, der mich zum Römerberg zog. Dort machte gerade ein Fußball die Runde, mit enormen Steilschüssen in den blauen Himmel riss er alle von einem Schrei zum anderen mit. Seine Ziele waren unterschiedlich, mal traf es einen Sonnenschirm, öfter Gruppen unvorbereiteter Restaurantgäste, mal landete er im Brunnen und immer wieder hielt man kollektiv die Luft an, wenn er fast in einer Fensterscheibe landete. Eine erwischte es dann wirklich. Manche Schüsse waren so verblüffend kraftvoll, dass man am liebsten Jürgen Klinsmann geraten hätte, hier auf Talentsuche zu gehen.

Orange mit blau-weißen Tupfern

In ähnlicher Stärke wie die Engländer traten die Holländer am Tag ihres Spiels gegen Argentinien auf. Sie hatten sogar eine Blaskapelle mitgebracht, die vor den Fachwerkhäusern die bekannten orange-farbenen Wogen in Stimmung brachte. Für kurze Zeit stahl ihnen ein Trompetensolist die Show. Er blies von den Stufen des Römers schmissige Rhythmen, aber auch die Französische Nationalhymne war darunter, oder sollte die holländische genauso klingen? Ja, da muss ich meine kulturelle Lücke eingestehen. Ich habe vergessen, einen der Holländer zu fragen, die Westen trugen mit der Aufschrift „Niederländische Botschaft“. Es gab sechs von ihnen, Angestellte des niederländischen Konsulats, die sich nach eigener Aussage zur Verfügung hielten für eventuelle Notfälle ihrer Landsleute.

In dem kompakten Auftritt von Orange gab es auch blau-weiß gestreifte Tupfer, das waren die Grüppchen von Argentiniern. Sie setzten unverdrossen mit den Rufen „Argentina“ und blau-weiß gestreiften Wangen auf den Sieg ihrer Mannschaft. Obwohl sie so sehr in der Minderzahl waren, ging von ihnen eine fröhliche Leichtigkeit aus, auch lernte ich von ihnen, wie die blau-weißen Streifen auf die Wangen gezaubert werden. Man braucht dazu drei Finger, getaucht in die Farben blau-weiß-blau, und zack, schon hatte auch ich so etwas auf der Backe.

Zwei Herren aus Buenos Aires, selbstredend auch sie in blau-weiß, waren ganz begeistert von der Stimmung, die sie auch schon in anderen deutschen WM-Städten erlebt hatten. „In Argentinien denkt man, die Deutschen sind so kalt, viele wollten deswegen gar nicht mitfahren. Das müssen Sie Ihrer Regierung sagen. Die sollen bessere Reklame machen!“ Ich war verblüfft über diesen Vorschlag.

Neues Image für Deutschland

Bei der Polizei gibt’s während der Fußball-WM auch eine neue Weste, „Kommunikator“ prangt darauf und der Name des Beamten blümchenumrankt und gut leserlich auf einem Schild. Die Träger sind nach meinen  Erfahrungen das, was man unter diesem Namen erwartet, kommunikativ, freundlich und informiert. Gestern stiegen zwei neben mir aus dem Polizeiwagen, gut gelaunt und gesprächsbereit. Ja, es sei eine tolle Stimmung in der Stadt! So viele Menschen unten in der Mainarena und nichts Schlimmeres passiert. Und diese positive Presse, sogar im Ausland. Na, Deutschland werde nach der WM mit einem neuen Image dastehen. Sie strahlten mich an und waren es zufrieden, trotz der langen Dienstzeiten und mehrwöchigen Urlaubssperre, der alle Polizeibeamten in Frankfurt und Umgebung unterliegen.

Und schon kam der nächste Autokorso vorbei, das Hupen nahm kein Ende, grün-weiß-rot wurde am Donnerstagabend vorzugsweise geschwenkt, denn Italien hatte am Nachmittag gegen Tschechien gewonnen.



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