Historisches Urteil in Wien: Russland vor Olympia-Aus

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Unter anderem IAAF-Chef Sebastian Coe entscheidet über das Olympia-Aus von Russland.Foto:  Franck Robichon/dpa
Epoch Times15. Juni 2016
Für IAAF-Präsident Sebastian Coe ist die Entscheidung über einen historischen Olympia-Ausschluss von Russlands Leichtathleten der „Come to Jesus“-Moment.

Vor diesem „Augenblick der Erleuchtung“ am Freitag wird der Präsident des Weltverbandes mit seinen 26 Councilmitgliedern im Ballraum „Quadrille“ des Wiener Grand Hotels das Ja oder Nein zur Aufhebung der seit 13. November bestehenden Suspendierung der Sportmacht höchst sorgfältig abwägen.

Grundlage ist der Lagebericht der IAAF-Task-Force unter der Leitung des Norwegers Rune Andersen, die die Reformfortschritte nach Aufdeckung des flächendeckenden Dopings in Russlands Leichtathletik überwacht. „Ich habe volles Vertrauen in Rune Andersen“, sagte Coe der englischen Zeitung „Daily Mail“. „Wir sind da ganz klar: Wenn Russland die Kriterien nicht erfüllt, ist es in Rio nicht dabei.“

Seit der ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger macht“ vom 3. Dezember 2014 steht das Land am Pranger. Zumal eine Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA in einem 323-seitigen Report die Beweise für den großen Betrug nachlieferte. Die Suspendierung der russischen Anti-Doping-Agentur (RUSADA) und des Moskauer Kontrolllabors durch die WADA waren die Folge.

„Ich bin für einen Ausschluss“, sagte Martina Strutz, Athletensprecherin des deutschen Verbandes DLV. „Irgendwann muss eine Entscheidung getroffen werden. Die Beweise sind erdrückend und erschrecken.“ Auch DLV-Präsident Clemens Prokop ist für den Bann als Zeichen der Glaubwürdigkeit: „Wenn die Maxime weiter so wäre, würde der Sport an sich und die Olympischen Spiele ihren Sinn verlieren.“

Die russische Regierung und vor allem Sportminister Witali Mutko („Wir haben alles getan, damit die Sperre aufgehoben wird“) versuchten alles, um den Olympia-Bann zu verhindern. So wurde akzeptiert, dass die Briten die Doping-Tests von Russlands Athleten übernahmen und dass der Experte Peter Nicholson im Auftrag der WADA den Wiederaufbau des Anti-Doping-Systems im Land überwachen darf.

Außerdem wurde Trainer und Funktionäre gesperrt, ausgetauscht oder gefeuert. Die vor einer Woche ausgestrahlte neue ARD-Doku „Showdown um Russland“ nährte aber Zweifel, dass wirklich keiner von ihnen mehr mit Athleten zu tun hat. „Es hat sich nichts geändert, wie man sehen konnte“, meinte Deutschlands bester Marathonläufer, Arne Gabius.

Überhaupt verging in den vergangenen Monaten kaum ein Tag ohne Doping-Nachrichten über Russland. Ob beim verbotenen Meldonium, den Nachtests der Sommerspiele 2008 und 2012 oder der WADA-Statistik der Doping-Fälle für 2014: Russlands Athleten sind immer ganz weit vorn gewesen – aber nur mit positiven Tests.

Außerdem läuft eine Untersuchung der WADA zum schweren Vorwurf, Winterspiele-Gastgeber Russland 2014 habe im Kontrolllabor von Sotschi mit Hilfe des Geheimdienstes FSB positive Proben eigener Athleten verschwinden lassen. Bis zum 15. Juli will die WADA die Ergebnisse der Ermittlungen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) präsentieren. Sollten sich die massiven Vorwürfe erhärten, muss auch das IOC – wie zuvor die IAAF – zwischen Kollektivstrafe und dem individuellen Recht sauberer Athleten abwägen.

Die Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages hält zwar einen Komplettauschluss für schwierig, jedoch für opportun, weil „Russland über kein Kontrollsystem verfüge, „das seinen Namen verdient. Im Gegenteil“, argumentiert Dagmar Freitag, die auch DLV-Vizepräsidentin ist. Ein Ausschluss der russischen Leichtathleten wäre für sie ein Signal in die Sportwelt und vor allem an die IAAF-Mitglieder, dass „wir über die Zeit der Lippenbekenntnisse hinaus sind“.

Auch für die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) ist ein Start russischer Läufer, Springer und Werfer bei den Rio-Spielen kein Thema. „Nach dem Status quo sehen wir da keine Chance“, erklärte NADA-Vorstand Lars Mortsiefer. Außerdem warnt er die IAAF, Russland noch ein Schlupfloch zu schaffen und Sportler für Olympia zuzulassen, die mindestens drei Zielkontrollen nachweisen können. „Jetzt Leichtathleten im Schnellverfahren noch zu kontrollieren, bringt nichts“, sagte Mortsiefer. „Die Hochdopingphase ist längst vorbei.“

Das IAAF-Council hat nach Regel 45 des Ethik-Codes das Recht, einen Mitgliedsverband wegen Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln bis zum nächsten Kongress oder für eine kürzere Periode zu suspendieren. Der Gewichtheber-Weltverband IWF hatte im November 2015 entschieden, Bulgarien wegen zahlreicher Doping-Fälle von Olympia zu verbannen.

Der russische Leichtathletik-Verband könnte gegen eine Olympia-Sperre vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Berufung gehen. Im Fall der Bulgaren hatte das CAS die Entscheidung der IWF bestätigt. Sollte das IAAF-Council für einen Rio-Start Russlands votieren, könnte wiederum die WADA dies vor dem CAS anfechten.

(dpa)

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