Piepers Märkte: Silber vor goldenen Zeiten

Silber wird zunehmend nachgefragt. Dies liegt zum einen an den wachsenden Einsatzbereichen, als auch an politischen Entscheidungen. Welchen Chancen ergeben sich daraus für die privaten Anleger? Eine Analyse.
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Silbermünzen sind als Anlage empfehlenswert. Hier: Feinsilbermünzen der Königlich Kanadischen Münzanstalt.Foto: iStock
Von 24. Juli 2023

Viele Anleger greifen in Krisenzeiten traditionell zu Edelmetallen. Sie gelten als Absicherung und insbesondere Gold punktet mit einer hohen Glaubwürdigkeit. Neben Gold gehören Silber, Platin und Palladium zur Gattung der Anlagemetalle. Gold gilt dabei gemeinhin als die „Krisenwährung“ schlechthin: In Zeiten, in denen es an den übrigen Kapitalmärkten drunter und drüber geht oder die Inflation stark steigt, soll sich Gold als wertstabil und sicher erweisen.

Das zeigt sich auch am Verhalten der Banken, deren zentrales Geschäftsfeld die Geldpolitik ist – die Zentralbanken. Ihre Goldkäufe erreichten schon im letzten Jahr ein Allzeithoch und die neueste Umfrage des WGC (World Gold Council) deutet darauf hin, dass dieses nicht das letzte gewesen sein dürfte. Gold hat sich auch als Kaufkraftstabilisator über Jahrhunderte bewiesen – seit Einführung des Euro hat dieser gegenüber dem Gold mehr als 80 Prozent an Zahlungsfähigkeit verloren.

Viele Studien haben aufgezeigt, dass Gold ein sehr wirksamer Inflationsschutz auf lange Sicht sein kann. Nun ergibt sich für „den kleinen Bruder des Goldes“ eine besondere Chance – vielleicht sogar eine Jahrhundertchance. Silber könnte vor dem großen Ausbruch stehen.

Geschichte des Silbers

Silber kommt in der Erdkruste 15-mal so häufig vor wie Gold. Daraus ergab sich vom 5. bis 19. Jahrhundert die sogenannte Gold-Silber-Ratio (GSR). Sie ist eine wichtige, dennoch relativ leicht zu berechnende mathematische Kenngröße und bringt das Preisverhältnis zwischen dem Gold- und dem Silberpreis zum Ausdruck.

Sie wird durch Division des Goldpreises durch den Silberpreis berechnet, ihre Ausprägung ist demzufolge eine dimensionslose Verhältniszahl. Jedoch wurde Silber in vorchristlicher Zeit phasenweise ein höherer Wert beigemessen als Gold, weil die antiseptische Wirkung des Silbers hoch geschätzt wurde. Die alten Ägypter ermittelten ein Verhältnis von drei zu Zeiten von Krösus (6. Jahrhundert v. Chr.), der Gold- und Silbermünzen als Zahlungsmittel einführte, und von Alexander dem Großen lag die Ratio bei zehn bis kurz nach Christi Geburt.

Danach stieg sie im 5. Jahrhundert n. Chr. auf einen Wert von 15. Auf diesem Niveau verblieb sie bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Nach der Demonetisierung von Silber (1873) verdoppelte sich die Gold-Silber-Ratio bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts auf einen Wert von 30. Inzwischen liegt die heute bekannte Schwankungsbreite zwischen 15 und 100.

Silber steil bergauf

Im Juli 2023 liegt die Gold-Silber-Ratio bei knapp unter 80. Einige Experten sehen sogar Goldpreise bei 2.500 bis 4.000 Dollar je Unze. Welch hohes Rallye-Potenzial soll dann erst Silber haben? Zumal Silber in wesentlichen Teilen der Wirtschaft verbraucht wird. Anders als Gold ist Silber wesentlich stärker in den Wirtschaftskreislauf eingebunden.

Laut The Silver Institute lag die Silbernachfrage 2022 rechnerisch mehr als 7.000 Tonnen über dem Angebot. Die Silbernachfrage war also um 7.393 Tonnen höher als das Silberangebot. Drastisches Silberdefizit ante portas – geprägt durch eine hohe Industrie- und Investmentnachfrage. 

Der geschätzte Verbrauch in der Solarpanelindustrie beträgt 160 Millionen Unzen Silber im Jahr 2023. Der Sektor der Elektroautos wird schätzungsweise etwas weniger als 100 Millionen Unzen Silber verbrauchen. Und viele Automobilunternehmen sind sich der Angebots-Nachfrage-Grundlage des Metalls nicht wirklich bewusst.

Ein Defizit von über 200 Millionen Unzen steht in diesem Jahr voraussichtlich ins Haus. Somit sehe ich bei Silber das höchste Kurspotenzial von den vier Edelmetallen und halte den Silberpreis kurz- bis mittelfristig mit 30 Dollar je Unze für möglich – ohne Betrachtung der Ratio, einfach aus dem Angebotsdefizit heraus, somit aus Knappheit.

Enorme Steigerung der Nachfrage

Weiteren Schätzungen zufolge werden bald in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor rund 15 bis 28 Gramm verbraucht. Bei Hybridautos klettert der Wert bereits auf 18 bis 34 Gramm pro Leichtfahrzeug. Noch höher fällt die Nachfrage bei Elektrofahrzeugen mit 25 bis 50 Gramm pro Auto aus.

Weltweit werden batterieelektrische Lösungen von den Regierungen massiv gefördert und verstärken somit den Trend. Autonomes Fahren gewinnt ebenfalls an Bedeutung, was nicht nur die Komplexität bei der Autoproduktion erhöht, sondern auch eine größere Silbernachfrage nach sich zieht.

Setzt sich der Trend fort, könnte die Silbernachfrage aus der Automobilindustrie in diesem Jahr kräftig auf rund 61 Millionen Unzen steigen. Bis 2025 wird aus dieser Branche mit einem Anstieg von mehr als 40 Prozent gerechnet. Die Meldungen zur Tesla-Gigafactory im brandenburgischen Grünheide unterstreichen meine Ausführungen – das neue Produktionsziel: eine Million Teslas pro Jahr – also eine Verdoppelung!

Endlos viele Einsatzbereiche

Mit 1.242,4 Millionen Feinunzen markiert die aktuelle Silbernachfrage auch ein All-Time-High. Ob 5G-Technologie, flexible Displays, RFID-Chips, Pharmaindustrie, Solartechnologie, Nanotechnologie, Funktionskleidung, Wasseraufbereitung, langlebige Silberoxidbatterien, Hochleistungstriebwerke – viele neue Einsatzgebiete im Hightech-Bereich steigern massiv die industrielle Nachfrage.

Silber gehört zu den Metallen, die unsere Technik bestimmen. Silber wird in der Spezialelektronik verwendet, da es ein einmaliger Stromleiter ist und sogar bessere Eigenschaften als Kupfer aufweist. Recyclingprozesse sind kostenintensiv und spielen leider noch keine nennenswerte Rolle von End-of-Life-Geräten. Und Silber ist begehrter Wertspeicher und Zukunftsmetall.

Und wir wollen die Gold-Silber-Ratio nicht vergessen. Insofern sollte die Bewertung für Silber durch die Nachfrage und die Ratio ein sehr positives Vorzeichen haben.

Mein Anlagetipp

Mein Tipp ist: Silber in Münzen kleinteilig zur Aufbewahrung zu Hause kaufen und halten – als besseres Geld und zur Liquiditätshaltung. Investoren sollten Silber als Industriebarren im Zollfreilager im Ausland als Eigentümer kaufen und lagern, um unter anderem die Mehrwertsteuer zu ersparen und Fremdzugriff zu verhindern.

Ideal ist dort die Einbindung in ein Konzept, das Liquidität und Fungibilität ermöglicht. Die Lagerung sollte in einem Hochsicherheitslager erfolgen, die Ware soll gegen physischen Verlust versichert sein. Ich rate von einer Investition in Zertifikate oder Papierversprechen dringend ab. In Expertenkreisen gehen wir davon aus, dass in der Masse die physische Deckung nur zu circa zehn Prozent erfolgt.

Zum Autor

Rolf B. Pieper, auch „Mr. Portfolio“ genannt, ist internationaler Finanzmarktexperte, Ex-Investmentbanker, Journalist, Vortragsredner, Investmentstratege, Liechtensteinexperte, Autor und CEO der TRI Concept AG in Vaduz. Mit mehr als 40 Jahren Markterfahrung sowohl in gehobenen Etagen großer Bank- und Investmenthäusern als auch bei bankenunabhängigen Marktteilnehmern leistet er Aufklärungsarbeit zum makroökonomischen Umfeld. Pieper ist seit 2002 Mitglied im DFJV Deutscher Fachjournalisten-Verband, zudem ist er Experte Finanzmarkttest des ZEW beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.



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