Deutsche Winzer in Not: „EU-Pflanzenschutzgesetz kommt Berufsverbot gleich“

Die EU will den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einschränken und in Schutzgebieten vollständig verbieten. Ein Traditionsweingut in Baden-Württemberg sieht damit seine Existenz auf dem Spiel stehen. Auch ein Biowinzer an der Mosel fürchtet um seinen Beruf. Die FDP warnt, dass ein Drittel der Weinberge verschwinden könnten.
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Weinberge in Rheinhessen. Gehört der Weinanbau mancherorts bald der Vergangenheit an?Foto: iStock
Von 15. August 2023

Das Winzergut Walz in der württembergischen Kulturregion am Stromberg befürchtet das Aus des Familienweingutes. Der Grund ist eine geplante EU-Pflanzenschutzverordnung. Die im Jahr 2021 auf den Weg gebrachte Verordnung zielt darauf ab, den Einsatz und das Risiko von Pestiziden bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren.

Für die EU-Kommission geht das jedoch noch nicht weit genug. Sie plant, Pflanzenschutzmittel noch stärker einzuschränken und in Natur-, Landschafts- und Wasserschutzgebieten komplett zu verbieten. Da das Winzergut Walz sich in einem solchen Schutzgebiet befindet, befürchten die Betreiber um das Fortbestehen ihres Gutes. Familie Walz betreibt das zwischen Stuttgart und Karlsruhe befindende Weingut seit 1888. Die 32-jährige Winzerin Mara Walz ist Gutsnachfolgerin in dritter Generation.

Gegenüber „Bild“ berichtet sie: „Für mich als Hofnachfolgerin, für meine Eltern und viele, viele andere Familien, die vom Weinbau leben, steht die Existenz auf dem Spiel“. Laut der ehemaligen württembergischen Weinkönigin und deutschen Weinprinzessin käme das vorgeschlagene Gesetz einem „Berufsverbot für uns“ gleich.

„Da wird einfach mit dem großen Hammer draufgehauen“

Mara Walz erklärt, dass eine Bewirtschaftung komplett ohne Pflanzenschutzmittel unmöglich sei. Dann gebe es keine Trauben und ohne Trauben kein Weingut mehr, ist sie sich sicher. „Es ist unser ureigenes Interesse, nur so viel Pflanzenschutz auszubringen, wie wir für die Gesunderhaltung unserer Reben brauchen“, betont die junge Gutsbesitzerin.

Das Weingut habe den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bereits in der Vergangenheit so gut wie möglich reduziert. Für sie sei die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln immer erst der letzte Schritt, um die Reben vor Krankheiten zu schützen, so Walz. Pilzkrankheiten seien jedoch stärker als die Trauben. Die Trauben würden dann einfach von Krankheiten „hinweggerafft“ werden, was den Ruin des Gutes bedeute. Diese Sorgen hat Mara Walz bereits im Jahr 2021 gegenüber dem „Deutschlandfunk“ zum Ausdruck gebracht.

Die damals noch 30-Jährige erklärte, dass die Umstellung auf pilzresistente Sorten zwischen 300.000 bis 400.000 Euro kosten würde. Zudem würde sie Jahre dauern. Und selbst dann sei nicht klar, ob der Markt die weniger bekannten Rebsorten überhaupt annehme, so Mara Walz. Der Politik wirft sie vor: „Da wird einfach mit dem großen Hammer draufgehauen.“

Biowinzer an der Mosel: „Ganz ohne Pflanzenschutz kein Weinanbau möglich“

Hat die EU-Verordnung für Biolandwirte weniger Auswirkungen? Haben sie nicht die Sorgen wie das Winzergut Walz?

Dass dem nicht so ist, zeigt das Beispiel des Biowinzers Julian Scheid. Um dem Pilzbefall seiner Reben Herr zu werden, spritzt der 28-Jährige seine Reben regelmäßig mit etwas Kupfer und Schwefel, wie der SWR berichtet. Er verwendet zwar keinen chemischen Pflanzenschutz, doch auch er ist überzeugt: „Ohne Pflanzenschutz könnte an der Mosel kein Wein mehr angebaut werden“, so Scheid.

Seit 2015 arbeitet der junge Winzer nach Biorichtlinien. Artenvielfalt und die Umwelt liegen ihm sehr am Herzen. Trotzdem fürchte er die Pflanzenschutzverordnung, die sogenannte Sustainable Use Regulation, welche die Europäische Kommission derzeit vorantreibt.

Weinberge an der Moselschleife in Trittenheim. Foto: iStock

Scheid hat zwar Verständnis für die Bemühungen und denkt, dass „jeder etwas dazu beitragen kann“. Doch er ist sich sicher: Ganz ohne Pflanzenschutz sei Weinbau in der Region nahezu unmöglich.

Das habe auch mit dem Wetter zu tun. Demnach regne es in kaum einem anderen Weinanbaugebiet der Welt so häufig wie im Moseltal. In nassen Jahren wie 2016 oder 2021 sei der Winzer mit dem biologischen Pflanzenschutz an seine Grenzen gekommen. Das vergangene Jahr hingegen sei so trocken gewesen, dass er deutlich weniger Spritzmittel verwenden musste, meint der Winzer.

Gleichwohl bereut er den Umstieg auf ökologischen Weinbau in keinerlei Hinsicht. „Der Schritt hin zum Biowein war für uns auch ein Schritt in Richtung Qualität und Authentizität“, erklärt der Jungwinzer gegenüber dem SWR: „Denn jetzt schmeckt der Riesling eben so, wie er eben nur hier in Merl schmecken kann.“ Für ihn sei es der schönste Beruf der Welt, die „perfekten Trauben“ anzubauen und daraus den Wein zu kreieren. Der 28-Jährige hofft, dass ihm die Pflanzenschutzverordnung diesen Beruf nicht kaputtmacht.

Toxikologin befürchtet durch Gesetz erhöhten Einsatz von Pestiziden

Kritik kommt auch von vielen anderen Seiten. Die promovierte Toxikologin Hester van der Woude zweifelt, ob die geplante Gesetzesvorlage das Ziel erreichen kann, den Einsatz von Pestiziden zu verringern. Die Niederländerin leitet Projekte, die auf die Registrierung von sicheren Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln in der EU, Großbritannien und den USA abzielen.

„Die Landwirte werden Alternativen für die verbotenen Pestizide benötigen, um ähnliche wirtschaftlich akzeptable Ernteerträge zu erzielen“, schreibt van der Woude in einer Analyse für das US-Unternehmen Charles River Laboratories. Wenn es um Chemikalien gehe, so van der Woude, sei „weniger giftig“ im Allgemeinen ein Synonym für „weniger wirksam“.

Laut der Toxikologin könnte die Verwendung von weniger toxischen Alternativen daher eher zu einem erhöhten Einsatz dieser Pestizide führen. Denn um eine angemessene Wirksamkeit zu erreichen, könnten höhere Dosierungen und/oder häufigere Anwendungen der Pflanzenschutzmittel erforderlich sein, befürchtet van der Woude.

Gerade dieses Problem kritisiert der Wissenschaftler Ralf Schulz: „Es gibt heute Substanzen, von denen brauchen Sie nicht viel, aber die sind viel toxischer und richten einen viel größeren Schaden an.“ Seiner Meinung nach sollte die EU nicht nur die Mengen der Pestizide reglementieren, sondern auch die Giftigkeit der Chemikalien: „Obwohl heute weniger versprüht wird, seien die Insekten in Deutschland größeren, giftigeren Pflanzenschutzmittel-Cocktails ausgesetzt als noch vor zehn oder zwanzig Jahren“, sagt der Landauer Professor.

FDP: „Tschüss zu 30 Prozent der Weinberge in Deutschland“

Die FDP warnt ebenfalls vor drastischen Auswirkungen auf den deutschen Weinbau durch die geplante EU-Pflanzenschutzverordnung. So sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Carina Konrad, gegenüber „Bild“: „Wenn wir Pflanzenschutzmittel in bestimmten Gebieten komplett verbieten, sagen wir praktisch zu über 30 Prozent unserer Weinberge Tschüss.“

Das bestätigte auch der Deutsche Weinbauverband, weil sich die Rebflächen Deutschlands in diesem Größenverhältnis in Naturschutzgebieten befänden.

DWV-Präsident Klaus Schneider vertrat die deutschen Winzer im März in Brüssel. „Wir werden ein Betriebssterben sondergleichen erleben. Und das hat wiederum Auswirkungen auf die Anbaugebiete, auf die wirtschaftliche Situation im ländlichen Raum, auf den Weintourismus, auf den die Gebiete nicht verzichten können“. Gegenüber den EU-Abgeordneten warf er folgende Frage in den Raum: „Sieht so eine Förderung der ländlichen Gebiete aus?“

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) unterstützt grundsätzlich die Gesetzesvorlage. Die Regelung brauche jedoch dringend „Anpassungen, die auf unsere spezifischen Voraussetzungen in Deutschland eingehen“, teilte eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums gegenüber „Bild“ mit. Dazu gehöre unter anderem die Frage des Referenzjahres für die Reduktionsziele, „damit diejenigen, die schon vorangegangen sind, nicht nachträglich bestraft werden.“ Sonderkulturen wie Obst und Wein müssten weiterhin möglich sein, hieß es weiter.

Der Vorschlag der Kommission wird als Nächstes im Europäischen Parlament und im Rat der Mitgliedstaaten diskutiert. Für Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin des EU-Parlaments, ist klar, dass sich an der Verordnung etwas ändern muss. Die an der Mosel lebende EU-Abgeordnete rechnet mit großen Diskussionen.



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