Deutschlands Wirtschaft auf Talfahrt – haarscharf an der Rezession vorbei

Die deutsche Wirtschaft ist 2023 geschrumpft. Zuletzt rutschte das Wirtschaftswachstum im Corona-Krisen-Jahr 2020 ins Minus. Experten machen auch für dieses Jahr wenig Hoffnung, dass es aufwärtsgehe.
Wirtschaft - Zinserhöhungen und die schwächelnde Weltwirtschaft verderben vielen Branchen in Deutschland die Stimmung.
Keine guten Aussichten für die deutsche Wirtschaft: Nach einem schlechten Jahr 2023 ist auch in diesem Jahr kein Licht im Tunnel.Foto: Arne Dedert/dpa
Von 16. Januar 2024

Das vergangene Jahr lief für die deutsche Wirtschaft nicht gut. Hohe Inflation, steigende Zinsen und eine schwache Weltkonjunktur haben ihre Spuren hinterlassen. Am vergangenen Montag veröffentlichte das Statistische Bundesamt (Destatis) das sogenannte preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das Jahr 2023. Demnach sank das BIP im letzten Jahr um 0,3 Prozent. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung betrug 2023 nach Angaben von Destatis 0,1 Prozent. Erstmalig seit dem Corona-Krisen-Jahr 2020 verzeichnete das Bundesamt somit ein Minus.

„Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland kam im Jahr 2023 im nach wie vor krisengeprägten Umfeld ins Stocken“, sagte die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, bei der Pressekonferenz „Bruttoinlandsprodukt 2023 für Deutschland“ in Berlin. „Die trotz der jüngsten Rückgänge nach wie vor hohen Preise auf allen Wirtschaftsstufen dämpften die Konjunktur. Hinzu kamen ungünstige Finanzierungsbedingungen durch steigende Zinsen und eine geringere Nachfrage aus dem In- und Ausland. Damit setzte sich die Erholung der deutschen Wirtschaft vom tiefen Einbruch im Corona-Jahr 2020 nicht weiter fort“, so Brand weiter. Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, war das BIP 2023 allerdings um 0,7 Prozent höher.

An der technischen Rezession vorbeigeschrammt

Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilte, stagnierte das BIP neuesten Berechnungen zufolge. Wieder einmal würde Deutschland damit haarscharf an einer technischen Rezession vorbeischrammen. Von dieser spricht man, wenn mindestens zwei aufeinanderfolgende Quartale ein Minus ausweisen.

Experten machen für dieses Jahr wenig Hoffnung, dass mit einem Aufschwung zu rechnen ist. Lediglich ein leichtes Wachstum können sie sich vorstellen. Es gibt allerdings auch pessimistische Stimmen, die Deutschland auch in diesem Jahr nicht aus dem tiefen Tal herauskommen sehen.

Die Aussichten bleiben finster. „Die wirtschaftliche Schwächephase hält auch zum Jahreswechsel 2023/24 an“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium am Montag. Das Ministerium beruft sich bei seiner Einschätzung auf die aktuellen Frühindikatoren, die „noch nicht auf eine rasche konjunkturelle Erholung“ hindeuten.

Schwache Weltwirtschaft, hohe Zinsen und politische Unsicherheit

Wenig Hoffnung auf eine schnelle Erholung der Wirtschaft macht auch Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die schwache Weltwirtschaft, hohe Zinsen und der Unsicherheit stiftende Politikkurs hingen der Wirtschaft als Klotz am Bein.

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ist pessimistisch. Er sieht im Moment noch keine „Wende zum Besseren“. Für das laufende erste Quartal rechnet er mit einer schrumpfenden Wirtschaft: „Für das gesamte Jahr 2024 erwarten wir weiter einen Rückgang um 0,3 Prozent.“

Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht wenig Licht am Ende des Tunnels. „Die ersten Rückmeldungen der DIHK-Konjunkturumfrage deuten darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung im Jahr 2024 auf der Stelle treten dürfte“, so Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung. Er geht sogar noch einen Schritt weiter: „Sogar ein Verharren in der Rezession ist noch im Bereich des Möglichen.“

Die wirtschaftlichen Herausforderungen blieben groß, warnt Nothnagel. Zugleich wachse der Frust in den Betrieben. „Die Unternehmen benötigen dringend verlässliche und bessere Rahmenbedingungen – und zwar in allen Wirtschaftsbereichen. Nicht nur bei der Energieversorgung und beim Thema Bürokratie, sondern auch bei der Fachkräftesicherung und der Infrastruktur“, so Nothnagel weiter.

Die Inflation lag im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 5,9 Prozent. Das dämpfte die Kaufkraft privater Haushalte enorm. Insgesamt gaben sie im vergangenen Jahr 0,8 Prozent weniger aus. Um die starke Teuerung zu bekämpfen, reagierte die Europäische Zentralbank (EZB) seit 2022 mit dem inzwischen höchsten Zinsniveau seit ihrer Geschichte.

Besonders die Baubranche hatte 2023 unter diesen Maßnahmen zu leiden: Sie erlitt einen Nachfrageeinbruch, da vielen Bauherren der Traum vom eigenen Heim wegen der hohen Finanzierungskosten platzte. Die Bauinvestitionen sanken um 2,1 Prozent.

Deutschland im internationalen Vergleich abgehängt

Wie schlecht es Deutschlands Wirtschaft tatsächlich geht, wird bei einem Blick auf den internationalen Vergleich deutlich. Hier hinkt Deutschland anderen EU-Ländern, zumindest nach den ersten Prognosen des Statistischen Bundesamtes, deutlich hinterher. Unter den vier größten EU-Mitgliedstaaten ist Deutschland das einzige Land mit einem Rückgang im letzten Jahr. Chef-Statistikerin Brand wies auf der Pressekonferenz darauf hin, dass Deutschland auch im Vergleich zu großen Volkswirtschaften wie die USA oder China inzwischen den Anschluss verloren hat.

Trotz höherer Zinsausgaben und teurer Energiehilfen ist das Defizit im Staatshaushalt 2023 allerdings zurückgegangen. Die Ausgaben von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen überstiegen die Einnahmen um 82,7 Milliarden Euro, wie das Statistikamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Das sind gut 14 Milliarden Euro weniger als im Jahr 2022. Vergangenes Jahr sei viel für die Gas- und Strompreisbremse gezahlt worden.

„Es entfielen aber größtenteils die Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, zum Beispiel für Tests und Impfstoffe“, so das Statistische Bundesamt. Das Minus entspricht einer Defizitquote von zwei Prozent des BIP, die damit erneut unter der EU-Obergrenze von drei Prozent blieb. Es fällt zudem niedriger aus als in den Vorjahren, die von hohen Kosten infolge der Corona-Krise geprägt waren.



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