Droht der Gastronomie nach Ende der Steuervergünstigung ein „Kahlschlag“?

Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga geht im Falle einer Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie von rund 12.000 Betriebsschließungen aus. Derweil unterbreitet die Kölner IG Gastro einen neuen Vorschlag: zehn Prozent Mehrwertsteuer auf alle Speisen.
Titelbild
Gastronomen und ihre Verbände protestieren gegen die Wiedereinführung des höheren Mehrwertsteuersatzes von 19 Prozent. Symbolbild.Foto: iStock
Von 4. Dezember 2023

Die geplante Rückkehr zum ursprünglichen Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie durch die Ampelregierung sorgt für kontroverse Diskussionen. Deutschland gehört mit seinem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent in der Gastronomie zu den Spitzenreitern in Europa. Laut dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga gilt in 23 von 27 EU-Staaten ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für Speisen in der Gastronomie.

Dehoga warnt vor Niedergang

Der Dehoga warnt vor den Folgen einer Steuererhöhung und argumentiert, dass die Gastronomie besonders stark von den steigenden Kosten für Lebensmittel und Personal betroffen sei. In den meisten Betrieben machen die Kosten für Waren und Personal bereits 60 bis 70 Prozent des Umsatzes aus, während die Energiekosten vier bis zehn Prozent betragen.

Bisher konnte man diese enormen Kostensteigerungen dank des reduzierten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent nicht vollständig an die Gäste weitergeben. Eine Steuererhöhung würde hauptsächlich Gering- und Normalverdiener treffen.

Der Verband sieht zudem die kulinarische Vielfalt, die Lebensqualität, die Kultur und die regionalen Wirtschaftskreisläufe in Gefahr. „Sterben die Restaurants und Cafés, sterben auch die Innenstädte. Schließt das Gasthaus, die Konditorei, die Bäckerei im Dorf, verschwindet auch ein Stück Heimat, Kultur und Lebensqualität.“

Geht es nach Finanzminister Christian Lindner (FDP), wäre, wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, eine weitere Verlängerung der Gastro-Mehrwertsteuer mit sieben Prozent drin gewesen. „SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten.“ Am Freitag, 1. Dezember, hieß es dazu von einer Sprecherin aus dem Bundesfinanzministerium, dass sich der Haushaltsgesetzgeber gegen eine Verlängerung entschieden habe.

Kretschmann für Auslaufen der niedrigeren Mehrwertsteuer

So sieht es auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Er hält das Auslaufen der niedrigeren Mehrwertsteuer in der Gastronomie für richtig. „Im Prinzip finde ich es richtig, dass man Krisenerleichterungen nach der Krise wieder auf den Vorkrisenstand zurückholen muss, weil man sonst das Instrument in Zukunft nicht mehr anwenden kann.“

Einige Ökonomen, darunter Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, begrüßen ebenfalls die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz. Sie sehen darin eine stärkere Priorisierung und glauben nicht, dass die Preise im vollen Umfang der Steuerdifferenz steigen werden. Gleichzeitig würden in der Branche die Kosten für Strom und Gas sinken.

Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, hält es nicht für sinnvoll, eine bestimmte Branche dauerhaft zu unterstützen. Sie sieht die reduzierte Mehrwertsteuer als sozial problematisch an, da sie vor allem den Wohlhabenden zugutekommt. Friedrich Heinemann vom ZEW stimmt ihr zu und betont, dass die eigentliche Begründung für die Steuersenkung mit der Pandemie weggefallen sei.

Kölner IG Gastro unterbreitet neuen Vorschlag: Zehn Prozent Mehrwertsteuer

Währenddessen macht die Kölner IG Gastro in einem öffentlichen Brief, den sie an alle Bundestagsabgeordneten geschrieben hat, einen Vorschlag, wie der Steuerverlust für die Regierung auch ohne eine Wiedererhörung auf 19 Prozent für die Gastronomie gemindert werden kann.

Sie schlägt einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von zehn Prozent auf alle Speisen vor, ganz gleich, ob diese als Take Away (sieben Prozent) oder für den Vor-Ort-Verzehr (19 Prozent) verkauft werden.

Darin rechnet die Kölner IG Gastro vor, dass eine Steigerung von sieben auf zehn Prozent dem Staat drei Prozent mehr bringen werde und dies den Unterschied von zehn auf 19 Prozent kompensieren würde. „Für das Außer-Haus-Geschäft würde die Steuerlast um 3 Prozent steigen, was eine Mehrbelastung des Staates durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf In-Haus-Speisen kompensieren würde.“

Damit würde man auch eine Wettbewerbsverzerrung zwischen der Besteuerung von In-Haus-Speisen und Außer-Haus-Geschäft auflösen. Zudem wäre von der Mehrwertsteuererhöhung auch die Verpflegung in Kitas, Schulen und Altenheimen betroffen.

Opposition gegen Wiedereinführung der Gastro-Umsatzsteuer von 19 Prozent

Unterstützung finden die Gastronomen in der Politik. Auf Bundesebene sind es die CDU, die AfD und die Linke, die sich für eine Beibehaltung des niedrigen Steuersatzes aussprechen.

In Bayern sind es Landtagsabgeordnete der CSU und der Freien Wähler, die dazu einen Dringlichkeitsantrag an den Landtag stellten.

Die Abgeordneten wollen, dass sich die bayerische Staatsregierung weiterhin auf Bundesebene dafür einsetzt, dass der derzeit befristet geltende ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie in Höhe von sieben Prozent dauerhaft bestehen bleibt. Und: „Zur Unterstützung der getränkegeprägten Gastronomie muss auch eine Ausweitung des ermäßigten Steuersatzes auf die Abgabe von Getränken erfolgen“, fordern die Abgeordneten des Freistaates.

Zudem sehen sie bei einem Wegfall der Steuersenkung gravierende Auswirkungen auf die Branche und die vorgelagerten Wertschöpfungsketten. Der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern e. V. rechnet bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer mit einem Wegfall von mehr als 2.000 Gastronomiebetrieben allein in Bayern. Für ganz Deutschland sieht der Bundesverband der DEHOGA 12.000 Betriebe wegfallen.

Dies würde sich nicht zuletzt auch stark negativ auf die regional ansässigen Metzger, Bäcker, Brauereien und weitere Zulieferer auswirken. Auch würde sie den Inflationsdruck weiter verstärken und damit auch gesamtwirtschaftlich die konjunkturelle Lage weiter verschärfen, so die Abgeordneten in ihrem Antrag. Die Gastronomiebetriebe dürften nicht Opfer der verfehlten Haushaltspolitik der Bundesregierung werden und Scholz müsse sein Versprechen halten, das er als Kanzlerkandidat gab.

„Das schaffen wir nie wieder ab“

Legendär ist das Versprechen des damaligen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD) in der TV-Sendung „ARD-Wahlarena“ im September 2021 zur Mehrwertsteuersenkung. Mit den Worten „Das schaffen wir nie wieder ab“ bekräftigt er damals seine Idee, die gesenkte Mehrwertsteuer in der Gastronomie auch über den vereinbarten Termin hinaus beizubehalten. Das scheint nun Geschichte zu sein.

Die Gastronomen und ihre Verbände laufen seit Wochen Sturm gegen die beschlossene Wiederanhebung der Mehrwertsteuer.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion