Existenzängste in der Gastronomie: Sorge vor Ende des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes

Zum Januar 2024 soll der ermäßigte Steuersatz für Speisen in der Gastronomie fallen. Der Branchenverband DEHOGA befürchtet Massenaufgaben von Restaurants. Er fordert, auf die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes zu verzichten. Noch bremst Finanzminister Lindner.
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Viele Restaurants und Cafés sind im Moment voll. Trotzdem stehen für die Gastronomen dunkle Wolken am Horizont.Foto: iStock
Von 15. August 2023

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Sommerzeit bedeutet für Gastronomen auch die Zeit der besten Geschäfte. Daher könnte man meinen, dass die Gastwirte im Moment sehr zufrieden sind. Das ist aber nicht der Fall. Mit dem seit Jahren grassierenden Personalmangel, der sich in der Nach-Corona-Zeit noch einmal verschärft hat, haben sich die Betreiber inzwischen mehr oder weniger engagiert. Trotzdem umtreiben die Gastwirte schon wieder die Existenzängste. Der Grund: Ende des Jahres läuft der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen aus.

In der Corona-Krise hatte die damalige Bundesregierung den Steuersatz für Speisen von 19 auf sieben Prozent gesenkt. Diese Regelung sollte ursprünglich längst wieder aufgehoben sein, wurde dann aber im letzten Jahr noch einmal bis Ende 2023 verlängert. Ab Januar des kommenden Jahres würde dann wieder der reguläre, viel höhere, Steuersatz gelten. Dagegen regt sich aber im Moment großer Widerstand.

Branche hinkt mit Umsätzen hinterher

Der Gaststättenverband DEHOGA hat gerade erst die Online-Petition „7 Prozent auf Speisen in der Gastronomie müssen bleiben“  gestartet. Mit der Kampagne möchte der Verband Druck auf die Politik ausüben, die Mehrwertsteuer im kommenden Jahr nicht anzuheben. Insgesamt 50.000 Unterzeichner der Petition hat sich der Gaststättenverband als Zielmarke gesetzt. Seit Kampagnenstart am 4. August haben inzwischen 35.415 Unterstützer die Petition unterzeichnet.

Der Verband argumentiert, dass es „widersprüchlich und wettbewerbsverzerrend“ sei, wenn Essen im Restaurant wieder mit 19 Prozent besteuert würde, während Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder beim Lieferdienst weiterhin mit sieben Prozent besteuert werden würde.

Weiter ist das Argument der Branchenvertreter, dass die Hotels und Restaurants nach drei Verlustjahren in Folge noch nicht die Umsätze erreicht hätten, die in der Branche vor Corona gefahren wurden. Die inflationsbereinigten Umsätze lägen laut dem Statistischen Bundesamt immer noch 11,4 Prozent unter denen des Jahres 2019, wird in der Petition weiter argumentiert. Inzwischen sei die Zahl der steuerpflichtigen Unternehmen in der Branche von 222.400 im Jahr 2019 auf 186.600 im Jahr 2021 zurückgegangen.

Sollte der Mehrwertsteuersatz im kommenden Jahr angehoben werden, dann müssten Gastronomen und Hoteliers ihre Preise erheblich anziehen. Der DEHOGA-Bundesverband warnt vor einem „Preisschock für die Gäste“.

„Gierflation“ bei der Gastronomie?

Ins Restaurant zu gehen, ist in Deutschland heute schon teuer geworden. Im Vergleich zum Jahr 2020 ist der Preis einer Hauptspeise im Juli 2023 um 19,6 Prozent gestiegen. Das zeigt der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes.

Die Branche begründet diese Anstiege immer wieder mit gestiegenen Kosten für Löhne, Strom und Lebensmittel. Gäste bekommen daher kleinere Portionen und saftigere Preise serviert.

Im Hinblick auf die rasanten Preisanstiege möchte nicht jeder glauben, dass hier nur die Umstände Gastwirte zu diesen Preiserhöhungen treiben. Das Wort der „Gierflation“ macht die Runde. Gastwirte würden die Inflation für kräftige Gewinnsteigerungen ausnutzen. Für Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter des ifo-Instituts in München, trifft genau dieser Vorwurf zu. Laut seinen Berechnungen haben „Unternehmen im Gastgewerbe und Verkehr ihre Preise deutlich stärker erhöht, als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre“ – also bei Preisen wie etwa der Energie.

Das Gaststättengewerbe wehrt sich unterdessen stark gegen den Vorwurf, dass es zu den „Inflationsgewinnern“ gehören könnte. Auch weiterhin kämpften die Betriebe mit Personalengpässen, höheren Kosten und dynamischen Preisen im Lebensmittelhandel.

Gegenüber dem Magazin „Focus“ fasst ein Verbandssprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) die Lage der deutschen Gastronomen zusammen: „Gut besuchte Restaurants, Gaststätten und Cafés geben mitunter ein trügerisches Bild ab.“ Und der Sprecher weiter: „Nach Corona stellen der Arbeitskräftemangel, die hohe Inflation und die stark gestiegenen Mehrausgaben für die Beschäftigten die Branche weiterhin vor immense Herausforderungen.“ Das Gastgewerbe sei „noch lange nicht über den Berg“.

Gäste bleiben bei den Preisen aus

Ob Preisanhebungen in Zukunft der richtige Weg sind, bleibt abzuwarten. Schon jetzt klagen auch Restaurants in den Urlaubsregionen, dass ihnen die Gäste ausbleiben. So schreibt das Online-Portal „Moin“, dass auf der Ostseeinsel Usedom in manchen Restaurantkassen in diesem Jahr gähnende Leere herrscht. Außenterrassen stehen offenbar nahezu leer. Das liegt nicht daran, dass der Tourismus auf Usedom eingebrochen wäre. Angesichts der hohen Preise ziehen Gäste einen Snack an der Imbissbude einem Restaurantbesuch vor. Umsatzverluste steigen auf der „Sonneninsel“ anscheinend ins Unermessliche. Sollte nun im kommenden Jahr die Mehrwertsteuererhöhung für die Gastwirte kommen, dann könnte es für viele Betreiber noch düsterer werden.

Im Wahlkampf 2021 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), damals noch Bundesfinanzminister, versprochen, den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent dauerhaft belassen zu wollen. Davon ist nun aber längst keine Rede mehr.

Weder der Kanzler noch Finanzminister Christian Lindner (FDP) senden irgendwelche Signale aus, die Ermäßigung für das Gastgewerbe über den jetzigen Stichtag hinaus zu verlängern.

Der Bundeskasse würden 3,3 Milliarden Euro im Jahr 2024 entgehen, wenn die Ermäßigung dann weiter Bestand hätte. Die Ampel scheint auf diesen Betrag nicht verzichten zu wollen.

CDU und CSU drängten schon im Frühjahr im Bundestag mit einem Gesetzentwurf auf die Beibehaltung des ermäßigten Satzes auf Speisen. Im Antrag hieß es: „Die Wettbewerbsfähigkeit der Gastronomie muss angesichts steigender Belastungen vor allem durch hohe Energie- und Einkaufspreise (…) weiter grundsätzlich gestärkt werden.“

Mit der Mehrheit der Ampelkoalition im Bundestag wurde der Antrag im Juni abgelehnt. Ende 2022 hätte die Hälfte der Gastronomen ihre Lage wieder als gut bis sehr gut bezeichnet. Zudem müsse die Schuldenbremse des Bundeshaushalts wieder eingehalten werden, begründeten SPD, Grüne und FDP damals ihre Ablehnung.

Insbesondere die SPD argumentierte, dass der derzeit geltende ermäßigte Steuersatz im Subventionsbericht der Bundesregierung auf Platz 3 der Subventionen aufgeführt sei.

Finanzminister Lindner steht auf der Bremse

Trotzdem wird auch in der Ampelkoalition über eine Anschlussregelung diskutiert. Wie die „Rheinische Post“ vor einigen Tagen berichtete, betonen auch Ampelpolitiker immer wieder, dass ein ersatzloses Auslaufen der jetzigen Regel viele Betriebe ins Schlingern bringen könnte.

Das Problem sei aber, dass inzwischen das Geld an allen Ecken und Enden fehle. Der Bundeshaushalt 2024 steht daher unter dem Spardiktat des Finanzministers. Dieser möchte auf die 3,3 Milliarden Euro nicht verzichten. „Im Zuge der parlamentarischen Beratungen zum Bundeshaushalt 2024 wird die Frage einer möglichen Fortsetzung der Reduzierung im Lichte der November-Steuerschätzung zu bewerten sein“, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums gegenüber der „Rheinischen Post“.

Lindner will offenbar die Ergebnisse der Steuerschätzer abwarten und im November schauen, welche Spielräume sich bieten.

Am kommenden Freitag werden sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) auf einer gemeinsamen Wahlkampftour durch Hessen in Frankfurt mit DEHOGA-Vertretern treffen. Es soll dann um Fachkräftesicherung gehen. Das Thema reduzierter Mehrwertsteuersatz dürfte dann aber auch angesprochen werden. Auch wenn Faeser in Hessen Ministerpräsidentin werden möchte und Wahlversprechen hier wichtig sein könnten, dürften Scholz und Faeser in diesem Gespräch nicht mehr als ein Signal der Hoffnung an die Branche im Gepäck haben.

 

 



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