Deutscher Immobilienmarkt: Eine Frage des Vertrauens

Die Krise des Immobilienkonzerns Adler Group bringt weitere Wohnungsunternehmen in die Bredouille. Manche Experten warnen bereits vor einer Ansteckungsgefahr auf dem deutschen Immobilienmarkt.
Titelbild
Wohnungen in Deutschland.Foto: iStock
Von 25. Oktober 2021

Täuschung, Betrug und finanzielle Falschdarstellung. Die Vorwürfe des Leerverkäufers Fraser Perring gegen die Adler Group wiegen schwer. Schließlich zählt das im SDax notierte Unternehmen mit Firmensitz in Luxemburg zu den größten deutschen Immobiliengesellschaften. Die Aktie verlor nach Veröffentlichung des 61-seitigen Reports des Rechercheinstituts „Viceroy Research” von Perring am 7. Oktober ein Viertel ihres Wertes.

Seit Perring vor fünf Jahren dem heute insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard Betrug und Bilanzfälschung vorwarf, schlagen seine Angriffe hohe Wellen. Die Anschuldigungen dürften nicht aus reinem Gutmenschentum erfolgen. Schließlich profitiert der berüchtigte Leerverkäufer hervorragend von fallenden Kursen.

An dieser Stelle wird ein Video von Youmaker angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um das Video anzusehen.

Sein Geschäftsmodell besteht darin, Wertpapiere zu verkaufen, die er sich zuvor gegen eine Gebühr von anderen Marktteilnehmern geliehen hat. Sinkt der Aktienkurs bis zum Rückgabedatum, kann er sich am Markt billiger mit den Titeln eindecken und die Differenz einstreichen.

Zwar wies der Immobilienkonzern die Beschuldigungen „auf das Schärfste“ zurück, die Ratingagentur S&P Global senkte dennoch ihre Bonitätseinstufung der Adler Group. Die Bonitätswächter setzten die Firma auf „Credit Watch Negative“ und begründeten dies mit einem „hohen Maß an Unsicherheit“ mit Blick auf das endgültige Volumen und den Zeitpunkt des Verkaufs von Vermögenswerten.

Harte Probe für die Adler Group

Die Schieflage der Adler Group stellt die deutsche Wohnimmobilienbranche auf eine harte Probe. Zwischenzeitlich strahlt der Kurssturz der Adler-Aktien und -Anleihen auch auf die Wertpapiere anderer deutscher Wohnungskonzerne aus.

Investoren treibt die Sorge um, dass die Bewertungen der gesamten Branche infrage gestellt werden könnten. Eine Schuldverschreibung des größten deutschen Wohnungskonzerns Vonovia etwa, die im Jahr 2033 fällig wird, stürzte in der Spitze um fast 500 Basispunkte ab. Beängstigend, wenn man sich vor Augen hält, dass gerade die großen Immobilienkonzerne den Anleihemarkt immer wieder als Finanzierungsquelle anzapfen.

Anleihen des österreichischen Immobilieninvestors und Adler-Großaktionärs Aggregate, die Anfang September noch bei 98 Prozent notierten, sind inzwischen 59 Prozent abgesackt und handeln auf Ramschniveau.

Selbst Anleihen von Firmen, die keine direkte Verbindung zu Adler haben, kamen unter die Räder. Beispielsweise die 2024 fälligen Papiere von Vivion Investments, die kürzlich auf den niedrigsten Stand seit Januar fielen.

Eine 2026 fällige Anleihe der im Bereich Gewerbe- und Wohnimmobilien tätigen Aroundtown notierte zwischenzeitlich gar so niedrig wie seit November 2020 nicht mehr. „Niemand will etwas mit deutschen Immobilien zu tun haben, die Zweifel an der Branche sind real“, mahnt Benoit Soler, Senior Portfoliomanager bei Keren Finance in Paris.

Die Schieflage der Adler Group stellt die gesamte deutsche Wohnimmobilienindustrie auf eine harte Probe, da die großen Konzerne zur Finanzierung ihrer Expansion zu einem großen Teil auf den Anleihemarkt angewiesen sind. Bestes Beispiel dafür ist Vonovia, die allein in diesem Jahr am Primärmarkt schon mehr als zehn Milliarden Euro aufnahm.

Vorsicht vor steigenden Zinsen

Vor diesem Hintergrund verwundert kaum, dass sich der Branchenführer eine Kaufoption auf 13,3 Prozent der Adler-Anteile sicherte. Der Dax-Konzern will in den nächsten eineinhalb Jahren das Immobilien-Portfolio sorgfältig prüfen und ohne Zeitdruck entscheiden, ob sich ein Engagement lohnt.

Mit LEG Immobilien mischte sich bereits ein weiterer Branchenriese in die Rettungsaktion ein und kaufte 15.000 Wohnungen. Szenekenner Soler sieht darin ein Zeichen von Panik: „Man könnte sich auch fragen: Warum sind einige Mitbewerber so schnell mit Geboten für Adlers Assets, anstatt auf einen Notverkauf zu warten? Weil sie so ihre eigenen Bewertungen absichern.“

Neben den Anleihen deuten auch die Aktienbewertungen der börsennotierten Immobilienkonzerne auf eine mögliche Trendwende hin. „Was ist der Net Asset Value von rund 500.000 Wohnungen bei steigenden langfristigen Zinsen wert?“, fragt sich Börsenaltmeister Hans A. Bernecker, der mit der „Actien-Börse“ seit mehr als einem Jahrhundert einen der meistbeachteten deutschen Börsenbriefe schreibt.

Seine Antwort: „Er reduziert sich im gleichen Umfang, wie die Zinsen anziehen und der sogenannte Barwert automatisch reduziert wird. Bei null Prozent Zinsen sei ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20 vertretbar und bei 3 oder 3,5 Prozent langfristigen Zinsen reduziere es sich auf geschätzt 17 bis 18. Mit anderen Worten: Immobilienaktien sind allein wegen der abzusehenden Steigerung der Zinsen um mindestens zehn Prozent zu teuer.

Für Reiner Braun, Vorstand des Berliner Marktforschungsunternehmens Empirica, könnten die Ereignisse in China um den strauchelnden Immobiliengiganten Evergrande und die Wirren um die Adler Group laut „Die Welt“ in Kombination mit einer nachlassenden Mietpreisdynamik den Beginn einer Trendwende einläuten – „zumindest aber ein deutlich langsameres Preiswachstum“.

Empirica veröffentlicht regelmäßig einen sogenannten „Blasen-Index“, der in immer mehr deutschen Ballungszentren in den überhitzten Bereich wandert. Wenn die Zinsen steigen, müssten die Preise runter, schrieb Ökonom Braun bereits im April in einer Studie. Entscheidend sei jedoch die Frage, ob die Blase platzt – oder die Luft nur langsam entweicht.

Frankfurt so überhitzt wie sonst keine andere Metropolregion weltweit

Im zweiten Quartal ist der Preisindex für Wohnimmobilien so stark gestiegen wie seit dem Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000 nicht mehr. Um knapp elf Prozent verteuerten sich Wohnungen und Häuser im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres, meldete das Statistische Bundesamt Mitte September.

Vor allem in den sieben größten deutschen Städten – Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf – legten die Preise einmal mehr deutlich zu. Häuser kosteten dort Ende des zweiten Quartals 14,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, Eigentumswohnungen 12,9 Prozent.

Die Großbank UBS hat die Entwicklung in 25 internationalen Großstädten analysiert. Die Preise sind von Mitte 2020 bis Mitte 2021 im Durchschnitt um sechs Prozent gestiegen – das ist ein Sechsjahreshoch. Die Schweizer attestieren Frankfurt auf Basis eines Vergleichs von 25 internationalen Städten das höchste Blasenrisiko.

Die inflationsbereinigten Wohnungspreise seien seit 2016 jährlich um zehn Prozent gestiegen, die Mieten jedes Jahr um rund drei Prozent. Günstige Darlehen hätten zur Finanzierung spekulativer Mietobjekte geführt, warnen die Experten. Frankfurt sei zum „Hotspot“ für Spekulationen auf Mietobjekte geworden, befindet die UBS.

Der Blasenindex berücksichtigt nicht nur die Preise – bezogen auf Mieten und Einkommen – der Immobilien, sondern auch die Entwicklung der Hypothekenvergabe, des Bausektors als Anteil am Bruttoinlandsprodukt sowie den Abstand zwischen den Preisen in der Stadt und im Land insgesamt. Der Index geht von –2,5 bis +2,5 (s. Grafik). Ab einem Wert von +1,5 sieht die UBS die Gefahr einer Blase. Frankfurt und München erreichen mit Indexwerten von 2,2 und 1,8 mehr als London oder New York.

„Die Spirale aus immer höheren Preisen und immer höheren Krediten bei stabilen Einkommen kann nicht ewig weitergehen“, warnt Matthias Holzhey, Immobilienanalyst der UBS. Irgendwann komme das System an seine Grenzen. Als größtes Risiko für den Immobilienmarkt sieht der Fachmann einen Zinsanstieg. „Wenn das geschieht, wird das ziemlich sicher eine Korrektur auslösen.“



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion