Gasmarkt in Schieflage: Versorger SEFE verstaatlicht

Der Ukraine-Krieg und die gegenseitigen Sanktionen gegenüber Russland haben dazu geführt, dass Russland kaum noch Erdgas nach Deutschland liefert. Das bringt die Gasversorger in eine bedrohliche Situation.
Die Anlage des Erdgasspeichers in Rehden. Ihr Füllstand soll bei 92,9 Prozent liegen (Donnerstag).
Foto: Sina Schuldt/dpa
Epoch Times16. November 2022

Zuerst Uniper, jetzt SEFE: Die Bundesregierung verstaatlicht den Erdgasversorger Securing Energy for Europe (SEFE). Dem Unternehmen soll die Insolvenz gedroht haben, womit die Versorgungssicherheit in Deutschland in Gefahr gewesen wäre, schreibt das Bundeswirtschaftsinisterium als Begründung. Das Unternehmen stand schon seit April unter Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur.

Das vormals als Gazprom Germania GmbH firmierende Unternehmen gehörte ehemals zum russischen Staatskonzern Gazprom. Durch die russischen Sanktionen gegenüber nahezu allen Tochterunternehmen von Gazprom/SEFE sei diese in eine schwere finanzielle Schieflage geraten, schreibt das Ministerium. Gemeint ist damit wohl, dass Gaslieferungen aus Russland aufgrund von Sanktionen ausgeblieben sind und die Unternehmen sich auf dem Markt kurzfristig Ersatz zu überhöhten Preisen beschaffen musste.

Das Eigenkapital lag zum 31. Oktober mit rund zwei Milliarden Euro im Minus – trotz bestehender Eigenkapital- und Gewinnrücklagen von rund einer Milliarde Euro. Somit habe eine handelsbilanzielle Überschuldung vorgelegen. Aufgrund der unklaren Eigentümerverhältnisse sollen die Perspektiven schlecht gewesen sein – Geschäftspartner und Banken hätten ihre Geschäftsbeziehungen mit der SEFE beendet oder keine neuen aufnehmen wollen.

Kapitalschnitt

Die Verstaatlichung des Berliner Unternehmens läuft wie folgt ab: Mithilfe eines Kapitalschnitts werden die Verluste und das dadurch negative Eigenkapital der SEFE mit den Gewinn- und Kapitalrücklagen verrechnet sowie das Stammkapital auf null Euro herabgesetzt. Der bisherige Gesellschafter SEFE verliert dadurch seine Gesellschafterstellung.

Gleichzeitig führt der Bund per Anordnung eine Kapitalerhöhung bei der SEFE durch. Dafür wurde die Securing Energy for Europe Holding GmbH gegründet und diese steht im alleinigen Eigentum des Bundes. Sie bringt im Rahmen des Kapitalschnitts schrittweise frisches Stammkapital in die SEFE ein – insgesamt 225,6 Millionen Euro – und übernimmt diese damit als alleinige neue Gesellschafterin. Damit ist der Eigentümerwechsel vollzogen.

Um die Liquidität des Unternehmens zu sichern, hatte der Bund im Frühjahr schon Stabilisierungsmaßnahmen zugunsten des Erdgasversorgers SEFE getroffen, indem dem Unternehmen schrittweise ein Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von insgesamt 11,8 Milliarden Euro gewährt wurde. Das KfW-Darlehen wird jetzt nochmals um zwei Milliarden Euro erhöht, um den Wegfall der Gasumlage zu kompensieren. Die Finanzierung der Maßnahmen erfolgt aus dem reaktivierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

Im Bundesanzeiger wird die Maßnahme so beschrieben: „Die Sicherung der Energieversorgung dient dem Wohl der Allgemeinheit und geht den privaten Interessen der Anteilseigner vor.“

Die EU-Kommission hat die Verstaatlichung bereits gebilligt.

Bedeutung für den deutschen Erdgasmarkt

Mit einem Anteil von 14 Prozent am deutschen Gasversorgungsmarkt und 28 Prozent der Gasspeicherkapazität ist der Erdgasversorger für Deutschland ein systemrelevantes Energieunternehmen.

Die WINGAS, ein bedeutender Teil der SEFE-Gruppe, beliefert Stadtwerke. Bei diesen liegt der Marktanteil in Deutschland bei rund 20 Prozent. Eine Insolvenz der WINGAS würde die nachgelagerten Handels- und Verbraucherstufen zu kurzfristiger Ersatzbeschaffung zwingen, was zu weiteren Insolvenzen und Versorgungslücken führen könnte.

Polnische Übernahme von Jamal-Leitung

Gleichzeitig mit der deutschen Verstaatlichung des ehemaligen Gazprom-Ablegers übernimmt die polnische Regierung Anteile des russischen Konzerns Gazprom am durch Polen verlaufenden Abschnitt der Gaspipeline Jamal-Leitung. Ziel sei es, „die Sicherheit der kritischen Infrastruktur“ zu wahren, erklärte das polnische Entwicklungsministerium am Montag. Bislang hielt Gazprom einen Anteil von 48 Prozent an dem Unternehmen EuRoPol Gaz, das den Pipeline-Abschnitt betriebt. Die übrigen 52 Prozent gehören dem polnischen Staat.

Die Gasleitung führt – ausgehend von Sibirien – durch Belarus und Polen bis nach Deutschland. Allerdings liefert Russland bereits seit April kein Gas mehr durch die Pipeline. Im Mai verhängte die russische Führung zudem Sanktionen gegen EuRoPol Gaz und weitere Energiefirmen als Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen Moskau wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Uniper & Rosneft

Im September hatte der Bund bekannt gegeben, Deutschlands größten Gasimporteur Uniper zu verstaatlichen. Wie es heißt, gehen die Verhandlungen in die finale Phase.

Das Düsseldorfer Unternehmen ist ebenfalls in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Bis Ende September belief sich der ausgewiesene Nettoverlust in diesem Jahr auf 40,3 Milliarden Euro. Dem angeschlagenen Unternehmen gewährte die Bundesregierung eine milliardenschwere Kapitalspritze.

Auch die deutsche Tochter des russischen Ölkonzerns Rosneft steht seit September unter Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur. (mk)

(Mit Material von AFP)



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