Großunternehmen pessimistisch: Weniger Investitionen, mehr Fusionen

Mehr als jedes zweite deutsche Großunternehmen stoppte mittlerweile geplante Investitionen. Das sind auffällig viele im weltweiten Vergleich. Zudem planen vier von zehn deutschen Konzernen Produktionsverlagerungen. Eine neue Studie zeigt die hiesigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Wirtschaftsminister Habeck will mit staatlichen Milliardenhilfen wettbewerbsfähige Strompreise für die Industrie ermöglichen.
Wirtschaftsminister Habeck will mit staatlichen Milliardenhilfen wettbewerbsfähige Strompreise für die Industrie ermöglichen.Foto: Federico Gambarini/dpa
Von 2. August 2023

Angesichts einer anhaltend hohen Inflation, durchwachsener Konjunkturaussichten, hoher Energiepreise und erheblicher geopolitischer Spannungen stoppen immer mehr deutsche Unternehmen geplante Großinvestitionen. Das ergab die aktuelle Studie „EY CEO Survey“, für welche die Unternehmensberatung EY 1.200 Vorstandsvorsitzende von Großunternehmen weltweit befragte. Darunter waren auch 100 Großunternehmen in Deutschland.

Demnach ziehen 53 Prozent der befragten Konzerne in Deutschland aktuell die Reißleine bei Investitionen – weltweit liegt der Anteil mit 40 Prozent deutlich niedriger.

Allerdings ist bei allen befragten Großunternehmen der Anteil der gestoppten Investitionen seit Jahresbeginn gestiegen. Im Januar dachte in Deutschland nur etwa jeder dritte bis vierte (29 Prozent) Geschäftsführer darüber nach, weltweit waren es zum Jahresanfang 32 Prozent.

Wo soll investiert werden?

Zudem planen immer mehr Unternehmen, Betriebsstätten zu verlagern: Der Anteil der deutschen Konzerne mit Verlagerungsplänen stieg seit Jahresbeginn von 30 auf 39 Prozent. Weltweit gab es ein leichtes Wachstum von 36 auf 37 Prozent.

EY fragte unter anderem: Welche dieser Maßnahmen planen Sie in den nächsten sechs Monaten zu ergreifen?

Quelle: Unternehmensberatung EY, www.ey.com/de_de

Als Hauptgründe für ihre Entscheidungen sehen deutsche CEOs an erster Stelle Beschränkungen des Handels oder ausländischer Investitionen an. Konzernführer weltweit erachten globale wirtschaftliche Fragmentierungen als Hauptgrund für ihre geplanten Maßnahmen.

Als weitere Ursachen gelten die zunehmenden Regularien und der darüber ausgeübte Druck, soziale Unruhen, einschließlich Streiks und Protesten, sowie neue Steuern oder Industriepolitik. Für deutsche Unternehmen sind neben den Handelsbeschränkungen vor allem soziale Unruhen relevant.

Dilemma der Unternehmen

„Der Kostendruck steigt“, bilanziert Constantin M. Gall, Partner und Leiter des Bereichs Strategy and Transactions bei EY in der Region Westeuropa. Einerseits leiden „viele Unternehmen unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen, einer unbefriedigenden Auftragslage und einer sinkenden Kauflaune“.

Anderseits gebe es eine enorme Dynamik bei der Transformation in Richtung Digitalisierung: Stichwort KI-Boom. „Für viele Unternehmen heißt das: Sie müssen einen konsequenten Sparkurs einschlagen, um in der Lage zu sein, an den entscheidenden Stellen kräftig zu investieren.“

Das Thema Nachhaltigkeit ist bei den CEOs – verglichen mit Algorithmen und Künstlicher Intelligenz – in den Hintergrund gerutscht. 34 Prozent der weltweit befragten Unternehmen sehen keine Notwendigkeit für einen Umbau in Richtung Nachhaltigkeit. In Deutschland liegt der Anteil mit 15 Prozent niedriger.

16 Prozent der Unternehmen, sowohl weltweit als auch in Deutschland, geben an, dass Nachhaltigkeit im Mittelpunkt ihrer Investitionen steht und sie dafür erhebliche Ressourcen aufwenden. Für weitere 22 Prozent (weltweit) und 33 Prozent (Deutschland) der Unternehmen ist Nachhaltigkeit einer von mehreren Bereichen, in denen prioritär investiert wird. 

Bei der Digitalisierung sieht es anders aus: Weltweit investierten bereits 43 Prozent der Unternehmen in die Digitalisierung und KI – in Deutschland liegt der Anteil bei 53 Prozent. Und 42 Prozent (Deutschland) beziehungsweise 45 Prozent (weltweit) planen derartige Ausgaben. Fünf Prozent der deutschen und zwölf Prozent der weltweit befragten Unternehmenslenker sind der Meinung, ohne KI-Innovationen auskommen zu können.

Fusionen und Übernahmen geplant

Die Studie ergab zudem, dass der Anteil der Unternehmen, die Fusionen oder Übernahmen planen, weltweit steigt: im Vergleich zum Jahresbeginn von 46 auf 59 Prozent, in Deutschland sogar von 39 auf 62 Prozent. In Deutschland gehen somit zwei von drei Großunternehmen davon aus, in den kommenden zwölf Monaten auf diesem Weg Konkurrenten zu übernehmen oder mit anderen Firmen zu fusionieren. Im Jahr 2021 lag dieser Wert bei 64 Prozent.

„Wir werden in den kommenden Monaten zahlreiche Unternehmenstransaktionen sehen, bei denen es entweder darum geht, flexibler und schlagkräftiger zu werden oder das Geschäftsmodell an neue Rahmenbedingungen anzupassen und wetterfest zu machen“, erwartet Gall. 

Auch hier sieht er KI als Katalysator für zunehmende Aktivitäten: „Das Thema KI hat an den Weltbörsen bereits für erhebliche Kurssteigerungen gesorgt und wird auch weiterhin die Kapital- und Transaktionsmärkte beschäftigen: Technologieunternehmen mit entsprechendem Knowhow sind äußerst gefragt, und Unternehmen, die Nachholbedarf haben, schauen sich nach attraktiven Zielunternehmen um.“

An der Studie von EY nahmen 100 deutsche Unternehmen teil, ebenso wie CEOs aus den USA, Brasilien, Kanada, Mexiko, Frankreich, Italien, Großbritannien, den skandinavischen Ländern, den Benelux-Staaten, Australien, China, Japan, Indien, Singapur und Südkorea.



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