Lockere EU-Regeln für staatliche Beihilfen: Deutschland profitiert am meisten

Deutschland ist Europameister bei der Industriesubventionierung. Seit Lockerung der Regelung durch die EU-Kommission im letzten Jahr hat Deutschland fast 50 Prozent aller Gelder abgegriffen, was kritisch gesehen wird. Allerdings gibt es auch grundsätzliche Kritik an der Subventionierung von Großkonzernen durch den deutschen Steuerzahler.
Ein Stahlarbeiter prüft Roheisen am Hochofen 8 auf einem Werksgelände von ThyssenKrupp in Duisburg.
Die Subventionspolitik der Bundesregierung sehen Wirtschaftsexperten kritisch.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 22. September 2023

Die Nachricht schlug im März vergangenen Jahres ein: Intel kommt nach Magdeburg. Intel-Chef Pat Gelsinger kündigte damals an, dass 17 Milliarden Euro in den Bau zweier Halbleiterwerke investiert werden. „Es wird die größte Investition in der Geschichte Sachsen-Anhalts“, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff damals. „Es wird ein Quantensprung für unser Land.“

Seit dem werden Projekte wie die Ansiedlung von Intel in Magdeburg immer wieder politisch bemüht, wenn es zu belegen gilt, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland für Unternehmen attraktiv sei. Zuletzt verbreitete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) diese Mär im ZDF-„Sommerinterview“. Der Kanzler zählte damals Hersteller auf, die hierzulande riesige Summen in ihre Produktion investierten. Beispiel Chipindustrie: In Magdeburg gebe es nun „die größte Direktinvestition in der Geschichte Europas“, tönte Scholz damals.

3,3 Millionen Euro pro Arbeitsplatz

Was in dieser ganzen Lobhudelei allerdings schnell nach hinten tritt: Bis zu zehn Milliarden Euro hat die Bundesregierung Intel inzwischen als Subventionen für die Ansiedlung zugesagt. Das Geld ist zunächst für 3.000 Arbeitsplätze angedacht. Das heißt rechnerisch, dass jeder Arbeitsplatz mit 3,3 Millionen Euro vom Steuerzahler subventioniert wird. Kein Einzelfall – Deutschland ist in Sachen Industriesubventionen Europameister.

 

 

Seitdem die Europäische Union (EU) im Februar 2022 die Vorschriften für staatliche Beihilfen gelockert hat, hat Deutschland kräftig in den Subventionstopf gegriffen, mit dem die EU nationale Investitionen in den grünen Wandel unterstützen möchte.

Im März 2022 führte die EU-Kommission ein neues Regelwerk für staatliche Beihilfen ein. Damit wollte man die Mitgliedstaaten in die Lage versetzen, die wirtschaftliche Erholung effizienter und schneller zu unterstützen.

Feste Regeln aller EU-Länder für die staatliche Beihilfe festzulegen, ist ein Mittel der Kommission, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Staaten entgegenzuwirken. Weiter soll mit dieser Maßnahme die Verdrängung privater Ausgaben durch öffentliche Gelder verhindert werden. Wettbewerbsverzerrungen zwischen den EU-Staaten zu verhindern, das ist nicht besonders gut gelungen.

Deutschland greift tief in den Subventionstopf

Wie das Onlineportal „Euractiv“  schreibt, habe die EU-Kommission mit Stand 4. September 2023 seit Februar 2022 staatliche Beihilfen im Wert von 742 Milliarden Euro genehmigt. 48,4 Prozent dieses Betrags ging nach Deutschland. Das Portal beruft sich hier auf Informationen aus Kommissionskreisen.

Weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz folgt dann Frankreich mit 22,6 Prozent, während Italien auf dem dritten Platz mit „nur“ 7,8 Prozent noch einmal sehr viel weniger Subventionen erhalten hat. Die staatlichen Beihilfen der 21 anderen EU-Länder machten lediglich zwischen 0 und 2,3 Prozent des Gesamtbetrags aus.

Diese Zahlen belegen das, was die EU-Kommission mit ihren Regelerleichterungen eigentlich verhindern wollte: Länder mit einer großen finanziellen Schlagkraft können ihre öffentlichen Finanzen viel stärker zur Subventionierung ihrer industriellen Entwicklung einsetzen.

„Einige Länder werden in der Lage sein, weitaus mehr Geld zur Verfügung zu stellen als andere“, warnte Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und zuständig für den Wettbewerb, schon damals bei der Vorstellung der neuen Regeln vor einem innereuropäischen Bieterkrieg um Subventionen für die Industrie.

Weiter machte Vestager damals deutlich, dass die Erleichterungen nur vorübergehend seien. Nach dem 31. Dezember 2025 möchte man dann wieder zur Normalität zurückkehren.

Öffentliche Gelder könnten verschwendet werden

Dass vor allem wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland Nutznießer der Maßnahmen sind, kritisierte Zach Meyers, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Thinktanks „Centre for European Reform (CER)“, gegenüber„Euractiv“. „Das Problem ist, dass die gelockerten Regeln für staatliche Beihilfen Ländern wie Deutschland zugutekommen, die eine niedrige Staatsverschuldung haben und sich großzügige Subventionen leisten können“, erklärt Meyers.

„Diese Subventionen bergen die Gefahr, dass öffentliche Gelder verschwendet werden, indem sie einen Subventionswettlauf innerhalb der EU fördern und den Wettbewerb verzerren, indem sie Investitionen innerhalb der EU in Gebiete verlagern, in denen mehr Subventionen zur Verfügung stehen, anstatt dorthin, wo die Investitionen am effizientesten wären“, fügte er hinzu und warnte vor erheblichen Risiken einer Marktfragmentierung – mehr als je zuvor.

Allerdings gibt es nicht nur Kritik an der Schieflage bei der Vergabe von Subventionsmitteln innerhalb der EU. Wirtschaftsexperten nehmen auch die gesamte Politik der Subventionierung in Deutschland aufs Korn. Ein ganz scharfer Kritiker insbesondere mit Blick auf die milliardenschwere Intel-Subventionierung ist Reint E. Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle. Gropp kann nicht verstehen, warum man globalen Großkonzernen Milliardensummen aus Steuergeldern gibt. Immerhin habe Intel trotz des Einbruchs im vergangenen Jahr einen Gewinn von acht Milliarden Dollar gemacht, sagte der Wirtschaftsexperte gegenüber „Plusminus“ (ARD).

Nokia ein Beispiel für verfehlte Subventionspolitik

Er übt aber auch deutliche Kritik aus strategischer Sicht an der massiven Subventionierung durch den Steuerzahler: „Aus strategischer Sicht wäre es wahrscheinlich besser zu sagen: ‚Wenn die Amerikaner ihre Chip-Produktion so sehr subventioniert [sic], dann können wir billige Chips aus Amerika kaufen.‘“ Auf diese Weise würde man Sicherheit in den Lieferketten herstellen.

Gropp gibt weiter zu bedenken, dass man nicht wisse, wie gut das Geld angelegt sei, weil „solche Unternehmen dann eben oft auch weiterziehen, sobald die Subventionen gezahlt sind“.

Hier erinnert der Ökonom an den finnischen Mobilfunkriesen Nokia. Vor inzwischen gut 30 Jahren hatte man diesen Konzern finanziell stark subventioniert, damit dieser Arbeitsplätze im Ruhrgebiet schaffen würde. 2008 liefen diese Subventionen aus. Tausende Mitarbeiter wurden im Werk Bochum entlassen. Der Konzern zog weiter nach Rumänien und kassierte dort die nächsten Subventionen. Gegenüber „Plusminus“ weist Intel so ein Szenario weit von sich. Man plane langfristig in Magdeburg.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion