Öl-Preissturz: Marktmanipulation beim negativen Ölpreis?

Am Rohölmarkt geht es derzeit turbulent zu. „Höchstwahrscheinlich“ seien Marktmanipulationen und Zwangsliquidationen die Ursache für den negativen Ölpreis, sagt der Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg. Die Corona-Pandemie wirke sich nur begünstigend aus, sei aber nicht die Ursache.
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Versuche, den negativen Ölpreis zu erklären, scheitern, sagt Eugen Weinberg von der Commerzbank. Der Rohstoffanalyst hält „Preismanipulation der Marktpreise“ für „höchstwahrscheinlich“. (Symbolbild)Foto: iStock
Von 25. April 2020

Am vergangenen Montag (20.4.) sank der Referenzpreis für die US-Rohölsorte „West Texas Intermediate“ (WTI) erstmals in ein historisches Minus. Der Preis zur Lieferung im Mai schloss an der Börse bei minus 37,63 Dollar pro Barrel. Das bedeutet, dass Verkäufer bereit waren, Käufern Geld zu bieten. Ein Ökonom macht nicht allein die Corona-Pandemie verantwortlich, sondern schreibt dem negativen Ölpreis auch Manipulation zu.

Wirtschaftsberater von Trump: „Seltsame Dinge werden passieren, wenn die Leute zu Hause bleiben“

Grundlegend führen Analysten den negativen Ölpreis auf die vertragliche Gestaltung des WTI zurück, dessen Mai-Kontrakt am vergangenen Dienstag (21.4.) endete. Der Kontrakt sah eine Lieferung von 100 Millionen Barrel Rohöl über das Lieferterminal im US-Bundesstaat Cushing (Oklahoma) als Erfüllungsort vor. Da infolge der Eindämmungsmaßnahmen der Corona-Pandemie die Nachfrage nach Öl sank und die Lagerbestände somit überfüllt waren, kam es zu einer Verkaufswelle der Kontrakte, um den Öllieferungen zu entgehen.

Ein hochrangiger Wirtschaftsberater von Präsident Donald Trump sagte, der drastische Preisverfall bei Rohöl sei zu erwarten. „Wir haben angehalten, um das Virus zu kontrollieren, und wir haben die Wirtschaft noch nie wirklich gestoppt“, sagte Kevin Hassett, ehemaliger Vorsitzender des Wirtschaftsberater-Rates des Weißen Hauses, am 21. April im „America’s Newsroom“ von „Fox News“. Es sei eine „sehr, sehr kurzzeitige Störung“. Weiter sagte er:

Seltsame Dinge werden passieren, wenn die Leute zu Hause bleiben und nicht fahren.“

Ähnliches sagte Artur Baluszynski, Chefanalyst beim Vermögensverwalter Henderson Rowe gegenüber „Reuters“. Die Krise zerstöre „die Nachfrage nach Energie“. Solange es keine Aussicht auf einen Ausstieg aus den harten Eindämmungsmaßnahmen in den Industriestaaten gebe, leide der Markt unter chronischer Überversorgung.

Dirk Müller: Versehen von Laien?

Dirk Müller, Börsenmakler, Fondsmanager und Buchautor, ergänzte, dass ein Experte eigentlich wissen müsse, was er tue. Zwar seien Kontrakte lange im Voraus geplant, sodass Käufer und Verkäufer den Preis, zu dem Rohöl ge- oder verkauft werde, sicher abschätzen können, was der Sinn von Kontrakten sei. Doch wer die Lage einschätzen könne, dem sei klar, dass das Öl auch physisch geliefert werde. In dem Wissen, dass 100 Millionen Barrel Öl gar nicht lagerbar seien, hätte ein institutioneller Anleger, zum Beispiel eine Bank oder ein Fonds, solche Kontrakte auch nicht gekauft.

Vor diesem Hintergrund sei nicht auszuschließen, dass es Laien gewesen sein könnten, denen die zwangsläufige Folge der physischen Öllieferung nicht bewusst gewesen sei. Müller hält es für möglich, dass es in einigen Wochen zu ähnlichen Turbulenzen kommt, da sich die Lagersituation bis dahin nicht verbessert haben dürfte.

Technische Gründe für negativen Ölpreis

Rohstoffanalyst Eugen Weinberg von der Commerzbank sprach darüber hinaus von möglicher „Preismanipulation der Marktpreise“ im Interview mit „Ideas TV“, wenngleich er die Corona-Pandemie als „unterstützenden Faktor“ betrachtet. „Es gab natürlich extrem viele Versuche, das Geschehen fundamental nachvollziehen (…) zu können, (…) [sei es] durch überschwemmende Lagerbestände oder einen noch nie da gewesenen Nachfrageeinbruch, den wir tatsächlich aktuell weltweit haben“, sagte der Analyst.

Jedoch scheitern Versuche, den negativen Ölpreis zu analysieren. Der Vorfall war „nicht nur ungewöhnlich, sondern außergewöhnlich“, sagte Weinberg.

Zum Einen belegen dies der Preis der Terminkontrakte für Juni, der sich auf 20 US-Dollar belief, aber auch der Preis für die Öllieferungen in den kommenden Wochen, dessen Kontrakt erst am Dienstagabend (21.4.) auslief. Diese Kontrakte entsprächen vertragsmäßig jenen im Mai. An diesem Tag jedoch war der Preis wieder im Plus.

Insbesondere die „extreme Diskrepanz zwischen den Preisgeschehen bei den anderen Ölsorten oder bei der gleichen Ölsorte mit einer Lieferung einen Monat später, zeigt darauf hin, dass hier tatsächlich nicht Fundamentaldaten ausschlaggebend waren, sondern technische Gründe eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben dürften“, sagte Weinberg. In einem Monat oder in zwei Monaten gebe es außerdem noch genau so „überschwemmende Lagerbestände“. Das gelte selbst dann, wenn ein Teil der Produktion gekippt würde, da die zwischenzeitlichen Lagerbestände nicht geleert würden. Seiner Ansicht nach fehle hier eindeutig die Verbindung zum physischen Markt.

 Zwangsliquidationen

Außerdem hätte sich der Preisverfall erst „zum späten Handel“ hin abgezeichnet. Bei negativen Ölpreisen hätten private Kunden gar nicht mehr handeln dürfen, weil die Grundlage für die Berechnung der Sicherheitshinterlegungen nicht gegeben sei.

Der Negativpreis könnte vielmehr auf eine „Manipulation der Marktpreise“ und „höchstwahrscheinlich“ auf eine Zwangsliquidation einer oder mehrerer beteiligter Fonds als institutionelle Anleger zurückzuführen sein. Das bedeutet, die Fonds wurden gezwungen, „Positionen, die man im Portfolio hat, zu jedem Preis zu verkaufen (…), weil (…) das Geld offensichtlich nicht ausreicht, um den Sicherheitshinterlegungen/-anforderungen nachzukommen.“

Bei erheblichen Preisveränderungen kann es unter Umständen zu einer Nachschusspflicht kommen. Kann der Anleger nicht nachschießen, kommt es zur Zwangsliquidation. In diesem Fall verliert der Anleger mindestens das eingesetzte Kapital.

Weinberg rechnet daher mit „Revisionen dieser Marktbewegungen (…) seitens der ausschlaggebenden Börse für (…) diesen Kontrakt“.

Kürzung der Fördermenge nicht ausreichend

Nach Angaben von „Reuters“ habe die Corona-Pandemie zu einem Nachfrage-Einbruch in Höhe von einem Drittel geführt. Zwar haben sich die OPEC-Staaten mit Russland darauf geeinigt, die Förderung um 9,7 Millionen Barrel pro Tag zu reduzieren, doch dies solle nicht vor Mai passieren. Diese Kürzung reiche außerdem nicht für die Wiederherstellung eines Gleichgewichtes am Markt aus.



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