Orbán: „EU am Rande des Bankrotts“ – Wo ist das Geld hin?

Als ein Boxkampf könnte der Konflikt zwischen Viktor Orbán und der EU-Kommission bezeichnet werden. Dabei steht für alle Mitgliedsländer jedoch viel mehr auf dem Spiel.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht nach dem Ukraine-Gipfel in Brüssel mit Medienvertretern.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht in Brüssel mit Medienvertretern.Foto: Olivier Matthys/AP/dpa
Von 6. Juli 2023

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Auf dem EU-Gipfel letzte Woche hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und Ursula von der Leyen scharf kritisiert. Denn das Geld, das der EU-Kommission zur Verfügung stand und das für sieben Jahre geplant war, scheint Orbán zufolge bereits nach zwei Jahren verbraucht zu sein.

Als Reaktion auf den Vorschlag zur Änderung des siebenjährigen Rahmenhaushalts warf Orbán der Kommissionsleiterin und ihrem Team sogar vor, „die Europäische Union an den Rand des Bankrotts zu bringen“.

Die Kommission wies die Behauptungen nun entschieden zurück: „Der Haushalt der Europäischen Union wurde nicht geleert und es stimmt auch nicht, dass Ungarns Geld an die Ukraine weitergegeben wurde.“

Letzteres bezieht sich auf eine frühere Kritik der ungarischen Regierung. Es wurde behauptet, dass Brüssel Ungarn mit Absicht Gelder vorenthalte und das Land gemeinsam mit Polen diskriminiere, um die Einheit der Rechten zu schwächen. Diese Gelder könnten Ungarn zufolge bereits auch an Ukraine ausgezahlt worden sein.

Orbán: „Wer ist verantwortlich?“

In einer Videobotschaft an Brüssel hat der ungarische Ministerpräsident seine Kritikpunkte aufgelistet. Da die Mittel im Haushalt nicht mehr zur Verfügung stünden, seien die Mitgliedstaaten gezwungen, weitere Milliarden Euro zu zahlen.

Der größte Betrag umfasste circa 50 Milliarden Euro, die allein für die Ukraine bestimmt seien. Orbán wirft der EU vor, dass „sie in der Zwischenzeit aber nicht einmal über das Geld, das wir bisher gegeben haben, Rechenschaft ablegen“ könne.

Ein besonders schmerzhafter Punkt für die Ungarn sei, dass die Kommission von den Mitgliedstaaten Geld verlange, um 19 Milliarden Euro Zinsen für EU-Kredite zu bezahlen, die sie zuvor aufgenommen haben. Genau das seien aber „die Kredite, von denen Ungarn und Polen keinen einzigen Cent gesehen haben“, so Orbán.

Darüber hinaus äußerte sich der ungarische Ministerpräsident zu den Ausgaben für den umstrittenen Migrationspakt und zur Erhöhung der Gehälter der Brüsseler Angestellten. Seiner Meinung nach ist die ungarische Position, dass zuallererst transparent gemacht werden sollte, „wofür die riesigen Geldbeträge ausgegeben wurden“. Als nächstes erwartet er „eine Antwort darauf, wer dafür verantwortlich ist, dass die EU am Rande des Bankrotts steht“.

Von der Leyen: „Orbán hat mich nicht gefragt“

Nach dem Gipfel bemerkte Kommissionsleiterin Ursula von der Leyen, dass der ungarische Ministerpräsident ihr die Frage „wo ist das Geld?“ persönlich nicht gestellt habe.

Allerdings reagierte die Kommission ausführlich auf die Kritik des Premiers. Die von Orbán genannten Zahlen seien übertrieben, es würden alle Posten im Haushalt abgedeckt. Was die Hilfe für die Ukraine angehe, so sei die Belastung der Mitgliedstaaten weit von dem entfernt, was Orbán behaupte, berichtet „Radio Free Europe“.

Unumstritten ist, dass Brüssel fast 19 Milliarden Euro mehr möchte, für die Zinszahlungen. Ein anderer Vorwurf von Orbán, dass die Gehälter der Brüsseler Angestellten erhöht wurden, sei auch korrekt. Jedoch sehe der Vorschlag insgesamt 1,9 Milliarden Euro für einen Zeitraum von vier Jahren vor.

Davon würde nur ein kleiner Teil in Gehaltserhöhungen fließen. Der größte Teil davon sei für „lokales Personal (Sicherheitspersonal, Reinigungskräfte, Cateringpersonal), das belgischem oder luxemburgischem Recht unterliegt. Diese Gehälter müssen nach einer komplizierten Gleichung der Inflation folgen“, zitiert das Portal die Reaktion des Gremiums.

In der Frage der Migration gebe es keinen Konsens über den neuen Pakt, der von der Mehrheit der EU-Mitglieder unterstützt wird. Daher seien auch Meinungsverschiedenheiten über die Finanzierung zu erwarten gewesen.

Der „wild gewordene Puszta-Krieger“

Derweil sehen politische Analysten die Situation zwischen Orbán und der EU als zunehmend angespannt. Kurt Seinitz, außenpolitischer Analyst der österreichischen „Kronen Zeitung“, nannte Viktor Orbán in einem Artikel einen „wild gewordenen Puszta-Krieger“. Seinitz meint, der ungarische Ministerpräsident habe sich auf dem EU-Gipfel letzte Woche „selbst übertroffen“ und die europäische Gemeinschaft werde ihm bald „die Rote Karte zeigen“.

Im Hintergrund sehen sowohl der Kritiker als auch die linke Presse in Orbáns Worten einen „Erpressungsversuch“. Es heißt, dass der Regierungschef auf diese Weise Brüssel dazu bringen will, dem Land das Geld zu zahlen, das aufgrund des Rechtsstaatsverfahrens zurückgehalten wurde.

Kommissionssprecherin Dana Spinant erklärte dazu, dass „die europäischen Rettungsfonds für Polen und Ungarn weiterhin gesondert bereitstehen“, meldet das ungarische Wirtschaftsportal „Portfolio“.

Diese Gelder können Spinant zufolge nur an die beiden Mitgliedstaaten ausgezahlt werden. Doch bevor diese die Mittel erhalten, „müssen sie die wichtigen Reformen umsetzen, zu denen sie sich verpflichtet haben“. Der Konflikt bestehe darin, dass die ungarische Regierung behaupte, diese seien bereits weitgehend erfüllt und dass Brüssel stetig neue Bedingungen stelle.



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