Rückkaufswerte privater Rentenverträge sinken – lohnt eine Kündigung?

Besitzer einer privaten Rentenversicherung sollten es möglichst vermeiden, sich gerade jetzt den Rückkaufswert vorzeitig auszahlen zu lassen: Der aktuelle Wert ihrer Kapitalanlage dürfte infolge der gestiegenen Zinsen auf dem Wertpapiermarkt deutlich gesunken sein.
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Die „Bewertungsreserven“ für niedrig verzinste Wertpapiere sind im Keller. Das lässt den Rückkaufswert älterer Privatrentenverträge deutlich sinken.Foto: iStock
Von 21. Juli 2023

Falls Sie jahrelang in eine private Rentenversicherung (PRV) eingezahlt haben, um im Alter nicht nur auf die staatliche Rente angewiesen zu sein, könnte ein Blick auf Ihre jüngste Jahresmitteilung für Verwirrung gesorgt haben: Der aktuelle Rückkaufswert, zuweilen auch als „einmalige Kapitalzahlung“ bezeichnet, dürfte in den vergangenen Monaten ziemlich eingebrochen sein.

Falls äußere Umstände Sie dazu zwingen sollten, den Vertrag vorzeitig zu kündigen, würde das einen noch höheren Verlust als in den Jahren zuvor bedeuten. Menschen, die gerade wegen der hohen Inflation darauf zugreifen müssen, sind also zweifach im Nachteil: erstens wegen des Wertverfalls ihres PRV-Vertrags, zweitens wegen der inflationsbedingt ohnehin schwindenden Kaufkraft.

Knapp 10.000 Euro nominaler Verlust

Der Epoch Times liegen Unterlagen eines Versicherungsnehmers vor, der Stand Ende April 2023 von seiner privaten Rentenversicherung nur noch rund 60.000 Euro ausgezahlt bekommen hätte, wenn er seinen kapitalbildenden Vertrag zu diesem Zeitpunkt gekündigt hätte. Genau ein Jahr zuvor war ihm für denselben Fall allerdings noch ein Rückkaufswert von rund 65.000 Euro bescheinigt worden. Und seither hatte er selbst noch zwölf Mal seinen Monatsbeitrag dazu gezahlt, insgesamt rund 4.500 Euro.

Statt der erwarteten 69.500 Euro plus Zinserträgen wies die jüngste Standmitteilung also beinahe 10.000 Euro weniger aus.

Ende der Niedrigzinsphase sorgt für schwindende Bewertungsreserven

Doch wo ist die Differenz geblieben? Nach Angaben des Versicherungsträgers hängt der Buchverlust mit der aktuellen Lage auf den Kapitalmärkten zusammen. In den ersten Jahren der Ansparphase habe international eine Niedrig- oder Nullzinspolitik geherrscht. Die Anlageexperten der Versicherung seien lange Zeit froh gewesen, überhaupt noch festverzinsliche Wertpapiere am Markt zu finden, für die Jahresausschüttungen gezahlt wurden.

Im Dezember 2021 aber habe sich der Wind auf den Kapitalmärkten gedreht: Der Anstieg der Zinsen habe wieder eingesetzt, und „im Laufe des Jahres 2022 beschleunigte sich dieser Zinsanstieg deutlich“, wie es in einem Erklärungsschreiben der Assekuranz hieß. Neu aufgelegte festverzinsliche Wertpapiere garantierten seitdem deutlich höhere Zinsen.

Ein Blick zum Statistischen Bundesamt bestätigt die entsprechenden Schwankungen anhand der EZB-Zinssatzentwicklung der Jahre 1999 bis 2023.

Niedrig verzinste Papiere sinken im Bilanzwert

Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass die alten, niedrig verzinsten Bestandspapiere, die schon vom Geld der Sparer erworben worden waren, bilanztechnisch im Wert sinken. Wenn man diese Bestandspapiere also im Rahmen einer vorzeitigen Vertragsauflösung durch den Kunden „realisiere“, wie der Verkauf eines Papiers gegen Geld in der Banksprache genannt wird, muss der Kunde eben Kursverluste hinnehmen.

Die Branche erklärt den Sachverhalt lieber mit „Bewertungsreserven“, die sich bei „sinkenden Kursen […] sehr deutlich reduzieren“ könnten. Der Begriff Bewertungsreserve oder auch „stille Reserve“ bezeichnet nach Informationen des Verbraucherportals „Check24“ jene „Überschüsse, die eine Versicherung durch die Anlage der Versicherungsbeiträge erwirtschaftet“. Diese Überschüsse entstünden genau dann, „wenn der aktuelle Marktwert einer Anlage höher ist als zum Zeitpunkt des Kaufs“.

„Bewertungsreserven im Keller“

Falls der Marktwert einer älteren Anlage aber umgekehrt deutlich niedriger sei als zum Zeitpunkt des Kaufs, gingen „die Bewertungsreserven in den Keller“, wie eine Sprecherin der Assekuranz auf telefonische Nachfrage bestätigte. In einem Erklärungsschreiben verdeutlichte sie die Situation mit einem Zahlenbeispiel:

  • Zeitpunkt 1: Kauf eines gut verzinsten Wertpapiers zum Preis von 100,00 Euro
  • Zeitpunkt 2: Das Zinsniveau neuer Papiere sinkt –> Der Kurswert des alten Papiers steigt auf beispielsweise 108,00 Euro. Die Bewertungsreserve beträgt 8,00 Euro.
  • Zeitpunkt 3: Das Zinsniveau neuer Papiere steigt –> Der Kurswert alter Papiere sinkt auf beispielsweise 100,44 Euro. Die Bewertungsreserve beträgt nur noch 0,44 Euro.

„Für Kunden und Unternehmen, die in festverzinsliche Wertpapiere investiert haben, kann der aktuelle Anstieg der Zinsen einen Marktwertverlust dieser Anlagen im Bestand bedeuten. Diese Marktwertverluste müssen im Kündigungsfall bei der Zeitwertberechnung berücksichtigt werden. Dadurch wird ein fairer Ausgleich zwischen den Kunden, die kündigen, und solchen, die im Versichertenkollektiv verbleiben, hergestellt“, fasste die Versicherungssprecherin die Situation zusammen (Hervorhebung: Epoch Times).

Für die Regeln zur Zeitwertberechnung bei vorzeitiger Kündigung gelten nach Angaben der Assekuranz-Vertreterin die Regeln des Paragraphen 176 Versicherungsvertragsgesetz (VVG a.F.).

Versicherung empfiehlt: Vertrag bis zum Ende halten

Verzichte ein Kunde auf die vorzeitige Kündigung und lasse sich sein angespartes Vermögen erst zum regulären Ablauftermin auszahlen, so nehme die Versicherung „keine Anpassung“ wegen womöglich negativer Bewertungsreserven vor: Die vertraglich zugesicherte Leistungszusage bleibe in voller Höhe bestehen, schrieb die Assekuranz.

Sollte die Bewertungsreserve zu diesem Zeitpunkt positiv sein, erhalte auch der Versicherungsnehmer einen Anteil davon („Beteiligung an den Bewertungsreserven“).

Verbraucherschützer: „2022 historisches Crashjahr“

Ein Sprecher der Verbraucherzentrale des Saarlandes bestätigte die schwierige Zeit, in der sich kapitalsammelnde Versicherungsanbieter, Banken und damit auch ihre Kunden seit einiger Zeit befinden: „2022 war schon ein historisches, außergewöhnliches Crashjahr“, so der Experte im Gespräch mit der Epoch Times. Neben den Bewertungsreserven seien auch die Überschüsse der Finanzdienstleister eingebrochen beziehungsweise hohe Verluste entstanden. „Und solche Verluste können immer auch auf die Kunden umgelegt werden, solange dabei nicht die Garantiewerte eines Vertrages zum Ablaufdatum unterschritten werden“, erklärte der Verbraucherschützer.

Wer einen Vertrag vorzeitig kündigen wolle, müsse generell immer mit einem Verlustrisiko rechnen.

Bedauerlicherweise seien Versicherungen nicht verpflichtet, exakt darzulegen, was mit den Beiträgen ihrer Kunden passiere: Wie viel vom Kundengeld in welche Investitionen gesteckt werde, wie viele Provisionen, Bearbeitungs- oder Verwaltungsgebühren die Anbieter selbst einsackten, wo genau Gewinne und Verluste erwirtschaftet wurden, von wo die Bewertungsreserven genau herrührten – all das dürfe eine Versicherungsgesellschaft zwar darlegen, müsse es aber nicht.

Der Kunde habe keine Möglichkeit, selbst auf mehr Transparenz zu bestehen. „Einen Blick in die Blackbox kann höchstens der Ombudsmann für Versicherungen verlangen, oder auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)“, stellte der Verbraucherschutzexperte klar.

Bund der Versicherten: Am besten gar kein kapitalbildender Privatrentenvertrag

Der Bund der Versicherten (BdV) rät wegen all dieser Unwägbarkeiten sogar generell von kapitalbildenden Versicherungen ab. „Kapitallebensversicherungen, private Rentenversicherungen und Fondspolicen sowie Riester- und Rürup-Rentenversicherungen“ würden unter den „überflüssigsten Versicherungen“ einen Spitzenplatz einnehmen, schrieb der BdV zuletzt am 13. Juli. „Der Grund: Bei diesen Versicherungen entsprechen die versicherten (‚garantierten‘) Leistungen in der Regel nicht einmal der Summe der eingezahlten Prämien“.

Auch der BdV beklagt die „Niedrigzinsen, [die] intransparenten und oftmals überteuerten Kostenstrukturen sowie – bei Rentenversicherungen – [die] überzogenen Langlebigkeitsannahmen“.

Rund 14 Millionen Verträge in Deutschland

Immerhin gut 14 Millionen private Rentenversicherungsverträge lagerten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bis Ende 2021 noch in den Aktenschränken der deutschen Haushalte – Tendenz sinkend. Wie viele es heute sind, hat das Amt noch nicht erhoben.

Falls Sie sich der Meinung des Bundes der Versicherten anschließen und wissen wollen, ob es für Sie vielleicht doch vorteilhafter wäre, ihre PRV zu kündigen, eine Beitragsfreistellung zu beantragen oder den Vertrag einfach weiter zu bedienen, empfiehlt der BdV seinen „Lebens- oder Rentenversicherungsrechner“ für eine erste Orientierung. Auch der „BdV-Entscheidungsbaum“ (PDF) könne Erste Hilfe leisten.

Womöglich kann es auch sinnvoll sein, über einen Widerspruch nachzudenken oder den laufenden Vertrag mit allen Rechten und Ansprüchen an einen anderen Finanzdienstleister zu verkaufen, statt ihn zu kündigen. Weitere Informationen dazu finden Sie in Webportalen wie beispielsweise „Versicherungsriese“, „Helpcheck.de“ oder „Online-Vergleich-Versicherung.de“.

Allgemeine Informationen rund um die private Altersvorsorge erhalten Sie bei der Verbraucherzentrale Hamburg oder jeder anderen Verbraucherschutzeinrichtung in Ihrer Nähe.



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