SARS-CoV-2-Mutationen folgen einem vorhersagbaren Muster

Neue Forschungsergebnisse der Universität von Nebraska haben gezeigt, dass Mutationen von SARS-CoV-2, „in der Familie zu liegen scheinen“. Beim Vergleich mit anderen Coronaviren stellten die Forscher überraschende Ähnlichkeiten sowohl struktureller als auch genetischer Veränderungen fest.
Von 15. Juli 2021

Katherine LaTourrette und ihr Doktorvater Hernan Garcia-Ruiz aus Nebraska (USA) beschäftigen sich eigentlich mit der Erforschung von Pflanzenviren. Doch auch an ihrem Labor ging Corona nicht spurlos vorbei. Ihr bisheriges Wissen über Mutationen von Pflanzenviren nutzten die Forscher, um Betacoronaviren zu untersuchen, zu denen auch SARS-CoV-2 gehört.

Nachdem das Team aus Nebraska die frühe Evolution von SARS-CoV-2 mit der seiner nächsten Verwandten, den Betacoronaviren, verglichen hatte, stellte es fest, dass die Mutationen von SARS-CoV-2 im Wesentlichen an denselben Stellen auftreten, sowohl genetisch als auch strukturell. Diese Ähnlichkeiten zu seinen Vorgängern, einschließlich SARS-CoV-1 und MERS-CoV, könnte, so die Forscher, helfen, die weitere Entwicklung von SARS-CoV-2 vorherzusagen.

Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die Forscher Mitte Juli im „Journal of Virology“.

„Das Problem bei der Betrachtung von jeweils nur einer [Variante] ist, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht“, sagte Katherine LaTourrette, Doktorandin an der Universität von Nebraska-Lincoln. Das Gesamtbild ermögliche jedoch, „die Mutationsart von SARS-CoV-2 vorherzusagen“. Letztendlich stellten sich dabei die immer gleichen Fragen:

Werden Impfstoffe auf lange Sicht wirksam sein? Welche Varianten werden sich vorbeischleichen? Brauchen wir die Auffrischungsimpfung? Werden geimpfte Menschen ein zweites Mal infiziert werden?

Mutationen gegen Passwörter und Virenschutzprogramme

Der genetische Code eines Virus bestimmt seine Fähigkeit, Zellen zu infizieren und sie dazu zu bringen, mehr Kopien von sich selbst zu produzieren. Dieser Code besteht aus grundlegenden Verbindungen, den Nukleotiden. Mutiert das Virus, verändern sich die Nukleotide. Es können sowohl neue hinzukommen oder verschwinden, aber auch gegeneinander ausgetauscht werden.

Viele Mutationen haben nur geringe oder gar keine Auswirkungen, so die Forscher. Diese Mutationen seien wie der Versuch, ein kompliziertes Passwort zu knacken, indem man nur ein Zeichen ändert – wahrscheinlich ohne Wirkung.

Aber wenn ein Hacker genügend Zeit hat, wird er irgendwann auf eine Mutation stoßen, die dem Passwort entspricht. Für Viren bedeutet das, den Aufbau seiner strukturellen Verbindungen oder Aminosäuren so zu verändern, dass es besser in Zellen eindringen und sich vervielfachen kann. Diese Mutationen können Hackern und Viren einen entscheidenden Vorteil gegenüber ihren „Mitbewerbern“ verschaffen.

In einigen Fällen kann ein mutierter Hacker oder Virus auch weitere Sicherheitsmaßnahmen – im Körper Immunreaktionen – umgehen. Einschließlich solcher, die durch vorhandene „Virenschutzprogramme“ – Impfungen – ausgelöst werden. Die Entwicklung neuer Impfstoffe kann dieses Problem nur bedingt lösen, ähnlich wie ein neues Passwort nicht verhindert, dass Hacker erneut Erfolg haben.

Mutationsmuster vorhersagen

Als die Corona-Krise ausbrach, verglichen LaTourrette und Garcia-Ruiz, außerordentlicher Professor für Pflanzenpathologie am Nebraska Center for Virology, Pflanzenviren hinsichtlich ihrer Mutationsmuster. Dazu analysierten die Forscher sequenzierte DNA bestimmter Stellen auf den Genomen aller Viren einer Gattung. Sie suchten gezielt nach Einzelpunktmutationen: Segmenten, in denen sich nur ein Nukleotid verändert hatte. So konnte das Team herausfinden, ob bestimmte Mutationen bei verwandten Pflanzenviren auftauchen. Diese Mutationen ließen sich dann zu funktionellen Aminosäureänderungen in den Viren zurückverfolgen.

Oftmals haben Forscher ein bestimmtes Pflanzenvirus, das sie untersuchen“, sagte LaTourrette. „Sie kennen es sehr gut. Aber unsere Frage war: Was macht die Gattung im Großen und Ganzen? Wir wissen, dass die Variation nicht zufällig ist. Sie sammelt sich in bestimmten Bereichen des Genoms an, und diese Bereiche sind (manchmal) in der gesamten Gattung gleich. Das sind in der Regel Bereiche, die für Dinge wie die Anpassung an den Wirt wichtig sind – also Bereiche, die sich ständig verändern müssen, um sich mit ihrem Wirt weiterzuentwickeln.“

Beim Vergleich der Betacoronaviren fanden die Forscher einen solchen Bereich: das sogenannte Spike-Protein. Dieses ragt bei allen Betacoronaviren heraus und steuert den Eintritt in Wirtszellen durch Bindung an Rezeptoren auf der Oberfläche. Bei allen bekannten Betacoronaviren, einschließlich SARS-CoV-2, häufe sich an dieser Stelle auch die Mutationen.

Obwohl es nur 17 Prozent des SARS-CoV-2-Genoms ausmacht, betrafen etwa die Hälfte aller Mutationen dieses „hyper-variable“ Spike-Protein. Wie die Forscher außerdem herausfanden, treten diese Mutationen in den gleichen Regionen des Genoms und sogar in den gleichen Untereinheiten des Spike-Proteins auf, wie bei jedem anderen Betacoronavirus bisher.

Alle unsere Analysen zeigten, dass die Variation wirklich dort stattfindet“, sagte LaTourrette. „Es war egal, wann wir es betrachteten, welche Variante wir betrachteten – das Spike-Protein war der Schlüssel.“

Flexibilität und Mutationen der Schlüssel zum „Virus-Erfolg“

Dabei bestätigten die Forscher, wie andere Virologen, dass das Spike-Protein von SARS-CoV-2 ungeordnet ist. Während die Aminosäuren sich zwar in ihrer allgemeinen Architektur gleichen, haben sie „etwas Spielraum“, um sich in leicht unterschiedliche Konfigurationen zu verschieben, so LaTourrette. Das sei die eigentliche schlechte Nachricht, da die strukturelle Flexibilität wahrscheinlich auch einen gewissen funktionellen Spielraum bietet.

„Menschen können von Person zu Person leicht unterschiedliche Zellrezeptoren haben“, erklärt LaTourrette weiter. „Also muss man einen (Spike-Protein-)Rezeptor haben [Anm. d. Red.: oder einen gänzlich anderen Infektionsmechanismus, wie andere Studien vermuten lassen], der diese kleinen Verschiebungen ausgleichen kann. Wenn er sehr geordnet wäre und sich nicht verschieben könnte, dann könnte er vielleicht nicht jeden infizieren. Aber wenn man diese Flexibilität hat, ist es ein viel besseres Virus.“

Im Grunde ist dieser Bereich hyper-variabel und flexibel. Es ist also der doppelte Wermutstropfen.“

Beide Eigenschaften machten SARS-CoV-2 zu einem formidablen Gegner, dessen Abwehr weitere Wachsamkeit erfordere, so LaTourrette. Ob die jetzigen Methoden ausreichen, vermag LaTourrette nicht vorherzusagen. Das Wissen um die Stärken des Virus seiner Evolutionsgeschichte könne jedoch helfen, eine entsprechende Strategie zu entwickeln:

Impfstoffe müssen möglicherweise weiterhin auf das charakteristische Spike-Protein abzielen, wenn sich SARS-CoV-2 weiterentwickelt. Aber die Mutationsmuster von Betacoronaviren könnten den Forschern helfen vorherzusagen, welche Domänen des Proteins am ehesten und am wenigsten wahrscheinlich mutieren werden, sagte LaTourrette.

(Mit Material der University of Nebraska-Lincoln)



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