Einigkeit für Menschenrechte

Hamburger diskutierten die Tibetfrage
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Prof. Dr. Jan Andersson (li) befrag Kelsang Gyaltsen (Mi.) und Eva Lichtenberger zur Lage in Tibet. (Alle Fotos: Heike Soleinsky)
Von 28. Juli 2007
Prof. Dr. Jan Andersson (li) befrag Kelsang Gyaltsen (Mi.) und Eva Lichtenberger zur Lage in Tibet. (Alle Fotos: Heike Soleinsky)
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Prof. Dr. Jan Andersson (li) befrag Kelsang Gyaltsen (Mi.) und Eva Lichtenberger zur Lage in Tibet. (Alle Fotos: Heike Soleinsky)

Die meisten der 622 Plätze im Hörsaal der Universität an der Edmund-Siemers-Allee sind besetzt. Eine Podiumsdiskussion zur „Tibetfrage“ findet viele Interessierte – insbesondere wenn der Dalai Lama zur selben Zeit in Hamburg weilt. Damit ist man schon beim Kern des Problems: Tibet hat zwar viele Sympathisanten – doch nützt es dem Anliegen von Tibet nichts.

„Ein passenderer Titel für diese Veranstaltung wäre „Die China-Frage“, findet Prof. Dr. Jan Andersson, Vorstandsvorsitzender der International Campaign for Tibet Deutschland, der diese Diskussion moderiert, „wenn wir über Tibet reden, reden wir auch über einen Teil der Chinapolitik.“

Mönche als Touristenführer

Kelsang Gyaltsen, Repräsentant des Dalai Lama in Europa, glaubt, dass das tibetische Volk derzeit zu den am meisten gefährdeten Völkern zählt. Seit die chinesische „Volksbefreiungsarmee“ in Tibet vor über 50 Jahren einmarschierte und Tibet unter die Herrschaft des chinesischen Regimes stellte, wird nach seiner Meinung die einzigartige tibetische Kultur, Sprache, Religiosität und Identität unterminiert. „Zum Ende der Kulturrevolution blieben von über 6000 tibetischen Klöstern noch etwa 13 intakte Klöster übrig“, informiert er die Zuhörer

Eva Lichtenberger (österreichisches Mitglied der Tibet-Intergroup im Europäischen Parlament) war mit der China-Europa-Delegation des europäischen Parlaments Ende Juni dieses Jahres in Tibet. „An Bahnstationen gibt es getrennte Warteräume für Militär und Zivil“, erzählt sie. Dass die Aufschriften in chinesischen Zeichen dort bis zu drei Mal so groß sind wie die Aufschriften mit tibetischen Zeichen, sieht sie als ein Signal an für die tibetische Bevölkerung.

Restaurierte tibetische Klöster müssen als touristische Attraktion herhalten, berichtet Lichtenberger weiter – mit Mönchen als Touristenführer.

"China spielt mit den Menschenrechten" steht auf dem Transparent. Im Publikum wurden die Olympischen Spiele 2008 in Peking mit den Olympischen Spielen 1936 in Deutschland verglichen. Burkhardt Müller-Sönksen sagt, dass die Tour de France wegen Dopings komplett aus dem Sendeprogramm verschiedener Fernsehsender genommen wurde. Er fände es angemessen, wenn ARD und ZDF  auch die Olympischen Spiele in Peking nicht übertragen, da es sich bei der Verletzung von Menschenrechten um weitaus Schlimmeres handelt.
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'/>"China spielt mit den Menschenrechten" steht auf dem Transparent. Im Publikum wurden die Olympischen Spiele 2008 in Peking mit den Olympischen Spielen 1936 in Deutschland verglichen. Burkhardt Müller-Sönksen sagt, dass die Tour de France wegen Dopings komplett aus dem Sendeprogramm verschiedener Fernsehsender genommen wurde. Er fände es angemessen, wenn ARD und ZDF auch die Olympischen Spiele in Peking nicht übertragen, da es sich bei der Verletzung von Menschenrechten um weitaus Schlimmeres handelt.

Jährlich 2000 bis 3000 Flüchtlinge

„Der Dalai Lama strebt nicht eine Trennung von China an, sondern dass Tibet eine rechtliche Autonomie bekommt, so dass es dem tibetischen Volk möglich ist, die eigene Kultur in der eigenen Heimat zu pflegen“, erklärt sein Repräsentant. In sechs Gesprächsrunden hatte er versucht, dem chinesischen Regime klar zu machen, dass eine echte Autonomie für die Tibeter auch dem chinesischen Bestreben nach Stabilität und Einheit entgegenkommt – und nicht eine oberflächliche Stabilität, die auf Polizeigewalt beruht.

Die chinesische Führung behauptet, dass die Tibeter zufrieden und glücklich wären, aber Gyaltsen sagt, dass viele Tibeter unzufrieden, frustriert und verzweifelt seien: „Es kommen heute noch jährlich 2000 bis 3000 Flüchtlinge aus allen Teilen von Tibet.“ Die Menschenrechtslage verschlechtere sich zunehmend.

Das „Mandat des Himmels“

Burkhardt Müller-Sönksen, Rechtsanwalt und Hamburger Bundestagsabgeordneter der FDP, verliest – wie er findet: erschütternde – Zitate von Zhang Qingli, dem kommunistischen Parteisekretär der Autonomen Region Tibet, der in der Hauptstadt Lhasa am 18. Mai vor über 600 Parteimitgliedern sprach: „Wir müssen einen lebhafteren Kampfgeist entwickeln … und wir müssen uns rückhaltlos in den Kampf gegen das Spaltertum stürzen.“ Zhang beschuldigte die „internationalen feindlichen Kräfte“, dass sie sich verschworen hätten, um „die politische Färbung Tibets zu ändern“ und verkündete: „Das Mandat des Himmels über Tibet wird niemals ein anderes werden. Das Hirngespinst des Dalai Lama (von Unabhängigkeit) wird für immer ein Luftschloss bleiben … und die Flüsse und Berge des Landes werden für immer rot bleiben“.

Burkhardt Müller-Sönksen (li) sieht die Macht zur Veränderung weniger in Aktionen der Bundesrepublik als in einem Europa, das gemeinsam „mit einer Stimme spricht“. Gemäß den Äußerungen von Thomas Mann (Mitte), wäre es im Europaparlament jedoch „typisch europäisch“ sich bei China-Menschenrechtsfragen der Stimme zu enthalten. 
Burkhardt Müller-Sönksen (li) sieht die Macht zur Veränderung weniger in Aktionen der Bundesrepublik als in einem Europa, das gemeinsam „mit einer Stimme spricht“. Gemäß den Äußerungen von Thomas Mann (Mitte), wäre es im Europaparlament jedoch „typisch europäisch“ sich bei China-Menschenrechtsfragen der Stimme zu enthalten.

Die Zeit des Papiertigers ist vorbei

Müller-Sönksen, der im November mit dem Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages nach Tibet reisen wird, erklärt mit Blick auf das Thema Laogai-Arbeitslager, dass es derzeit noch möglich ist, Produkte aus Kinderarbeit und Arbeitslagern einzuführen, ohne dass man einen Hinweis auf die Herkunft geben muss. Daran werde gearbeitet, doch reiche es nicht aus, wenn Deutschland allein einen Herkunftsnachweis für eingeführte Produkte fordere, da müsse „ganz Europa mit einer Sprache sprechen, mit einer geschlossenen Mauer vor China auftreten, denn das ist etwas, was in China auch verstanden wird, wenn wir zeigen, die Zeiten des Papiertigers sind vorbei.“ Bisher war China sogar in der Lage, verschiedene europäische Staaten gegeneinander auszuspielen.

Thomas Mann, Präsident der Tibet-Intergroup im Europäischen Parlament, hofft, dass die Zuhörer auch als Verbraucher ihre Aufgabe mit erfüllen, äußert aber auch seine Zweifel „in einem Land, in dem die Formel ‚Geiz ist geil‘ so stark ausgeprägt ist, dass viele Leute nicht einmal in die Etiketten reingucken, um zu schauen, wo die Textilien herkommen.“

Druck aus China – westliche Regierungen „kippen um“

Prof. Dr. Jan Andersson sagt: „Vor Monaten wollte der Dalai Lama Brüssel besuchen. Der Dalai Lama wollte dann auch ein Gespräch mit Vertretern des europäischen Parlaments führen. Doch ein paar Tage vorher war er plötzlich unerwünscht in Belgien. Haben europäische Regierungsvertreter Angst vor China?“, will Andersson von seinen Gästen wissen.

„Angst ist wohl nicht das Thema“, glaubt Thomas Mann, „aber so genannte Rücksichtnahmen auf negative Situationen. Im Beispiel Belgien sollte der Kronprinz von Belgien eine Wirtschaftsdelegation in China leiten und es hieß, es wäre ein unfreundlicher Akt, wenn das Europäische Parlament jetzt den Dalai Lama empfangen würde. Da hat der Dalai Lama gesagt, wenn er nicht erwünscht sei, dann sagt er eben ab.“

„Das ist für uns ein Beispiel, wie China die europäischen Regierungen beeinflusst und dass europäische Regierungen umkippen, wenn Druck kommt.“ sagt Andersson.

Laut Spiegel sandte Peking auch eine Protestnote an den Hamburger Bürgermeister mit dem Hinweis auf die Bedeutung Chinas für den Hamburger Hafen.

Patentrechte vor Menschenrechte

Eva Lichtenberger regt an, dass Europa eine Zwischenbilanz ziehen sollte, „was die Wirtschaftsbeziehungen mit China letzten Endes bringen“, und erinnert daran, wie die chinesischen Partner die Patente für den Transrapid missachteten. Da müsse man sich fragen, ob es Sinn habe, wie hypnotisiert auf mögliche wirtschaftliche Erfolge zu schauen und dafür die Augen zu schließen, wenn es um Menschenrechte gehe. „Wenn wir (Europäer) uns als eine Wertegemeinschaft begreifen, dann müssen wir diese Werte ins Gespräch bringen.“

„Bei der Verletzung der Schutzrechte wenden sich alle geschlossen nach China und jammern“, sagt sie. „Wenn es diese Einigkeit in Bezug auf die Menschenrechte auch gäbe, dann wären wir einen entscheidenden Schritt weiter.“

Gyaltsen merkt an, der Versuch, China zu isolieren oder Chinas Aufschwung einzudämmen sei moralisch nicht zu rechtfertigen und politisch kontraproduktiv. Heute sei es eher möglich, Einfluss auf die chinesische Führung zu nehmen, als noch vor dreißig Jahren. Mao war es völlig egal, was die Außenwelt über China dachte. Jetzt sei es China wichtig, welchen Eindruck es auf die Außenwelt macht.

„Geballte Ladung von Initiativen“

Eva Lichtenberg schlägt vor, dass das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente in Tibet-Fragen enger zusammenarbeiten und Informationen austauschen sollten. Es gäbe eine Internetplattform, wo sie versuchen auch kanadische Initiativen hereinzuholen, dazu italienische, deutsche, französische und andere Partner. „Dann kommt eine geballte Ladung aus den Parlamenten und Initiativen auf China zu.“

Gewaltlose Bewegungen fördern und unterstützen

„Dass wir (Tibeter) einen gewaltlosen Freiheitskampf führen, muss man auch vor einem größeren politischen Hintergrund sehen“, findet Gyaltsen. Gegenwärtig leide die Welt unter einer „Kultur der Gewalt“. Alle Regierungen und internationalen Gremien versuchen eine Antwort auf den Terrorismus zu finden. Dabei möge polizeiliche Gewalt nötig sein, um unmittelbare Gefahren abzuwenden, aber ob dies längerfristig das geeignete Mittel ist, mit diesem Problem fertig zu werden, hält er für fragwürdig. „Wir glauben, es ist vernünftig, gewaltlose Bewegungen zu unterstützen und in der internationalen Gemeinschaft auch eine politische Kultur der Gewaltlosigkeit zu fördern.“ Dafür müsse man gewaltlose Bewegungen auch erfolgreich machen.



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