Künstler und Initiator eines Bürgerboykotts gegen die Filtersoftware

Nachrichtenagenturen melden, dass China in letzter Minute die Einführung der Filtersoftware am 1. Juli verschoben hat. Aber verschoben ist nicht aufgehoben.
Titelbild
Der Künstler und Architekt Ai Weiwei zuhause in einem Pekinger Künstlerviertel. An der Wand hinter ihm sind die Namen der Schüler vermerkt, die in dem Erdbeben in Sichuan im vergangenen Jahr umgekommen sind. Viele vermutlich wegen schlechter Bauweise der Schulgebäude. Bekannt in Deutschland wurde er 2007 auf der documenta in Kassel durch sein Projekt Fairytale, zu dem er 1000 chinesische Landsleute in Gruppen von etwa je 200 von Ai nach Kassel eingeladen hatte. Das Projekt wurde durch massiven Regen zerstört. Als Berater für das „Vogelnest“ in Peking nahm er für sich die Wahlfreiheit in Anspruch, nicht an der Eröffnungsfeier zu den Olympischen Spielen 2008 teilzunehmen. Ein Affront gegen das Regime. (Frederic J. Brown/AFP/Getty Images)
Von 30. Juni 2009

Der bekannte chinesische Künstler und Architekt Ai Weiwei ruft über den Mikrobloggingdienst Twitter zu einer Boykottaktion gegen die Filtersoftware „Green Dam“ auf.

Die chinesischen Computerbenutzer sollten am 1. Juli für einen Tag offline gehen, an dem die neue Filtersoftware „Green Dam“ in allen Computern in China eingeführt werden soll.

Der bekannter Architekt und künstlerische Berater für das Olympiastadion „Vogelnest“ in Peking sprach per Telefon mit Radio Free Asia über seine Initiative und auch andere sensible Themen, wie seine Untersuchung über die verstorbenen Schulkinder bei dem Erdbeben im vergangenen Jahr in Sichuan.

Radio Free Asia: Warum haben Sie zu dieser Boykottaktion aufgerufen?

Ai: Seit einigen Monaten wird in diesem Jahr eine Maßnahme nach den anderen zur Verstärkung der Internetkontrolle von dem Regime eingeführt. Es ist dabei klar zu sehen, dass das Regime hofft, durch die Kontrolle des Internets alle chinesischen Bürgern von den Informationen fern zu halten und die Presse- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Ich wünschte, dass eine solche Aktion noch mehr Menschen veranlassen kann, über die eigenen Rechte nachzudenken und durch eine kleine Eigeninitiative, eigentlich eine sehr bescheidene Initiative, eine Stellungnahme zur staatlichen Blockade und Zensur abzugeben.

RFA: Außer dass am 1. Juli der „Green Dam“ eingeführt wird, hat dieser Tag 1. Juli noch andere weitere Bedeutungen?

Ai: Der 1. Juli hat mehrere Bedeutungen. Der 1. Juli ist auch der Gründungstag der Kommunistischen Partei Chinas – eine Partei, die die Pressefreiheit und Meinungsfreiheit streng kontrolliert. Darüber hinaus ist der 1. Juli auch ein Symboltag für die ungerechte Justiz Chinas, weil an diesem Tag im Vorjahr die chinesische Justiz einen Jungen, namens Yang Jia*, ungerecht zur Todesstrafe verurteilte.

RFA: Sie haben auch schon einmal auf originelle Weise Ihre Unzufriedenheit mit der Vulgarität im Internet zum Ausdruck gebracht. Warum haben Sie ein besonderes Interesse am Internet?

Ai: Ich empfinde das Internet als die einzige Möglichkeit, das heutige China zur Demokratie und zu einer bürgerlichen Gesellschaft zu führen. Wenn es dem chinesischen Volk ermöglicht, die freien Informationen zu bekommen. In China herrscht strenge Pressekontrolle, dadurch können keine Informationen normal verbreitet werden. Das Internet hat auch den chinesischen Bürgern die Plattform gegeben, frei ihre Meinungen zu äußern und auszutauschen. Das ist eben das, was ein totalitäres Regime nicht sehen möchte. Deswegen halte ich das Internet für eine wertvolle Voraussetzung. Durch die Globalisierung und in diesem Informations-Zeitalter gewinnt das heutige China auch erneut eine Möglichkeit sich zur Demokratie zu wandeln.

RFA: Was hat sich Ihre Untersuchung über die verstorbenen Schulkinder in dem Erdbeben vom vergangenen Jahr in Sichuan ergeben?

Ai: Wir haben bisher alle betroffenen Schüler in allen Regionen untersucht. Unsere Untersuchung befindet sich schon in der Schlussphase. Nur fünf Prozent der Verstorbenen bleiben noch unklar und müssen noch weiter untersucht werden. Als eine inoffizielle bürgerliche Untersuchung sind wir während unserer Arbeit der Quellensuche und -bestätigung auf große Schwierigkeiten gestoßen. Wir werden ununterbrochen von der lokalen Regierung gestört. Immer wieder werden unsere freiwilligen Mitarbeiter von der Polizei behindert und abgeführt. Aufgrund der allseitigen Unterstützungen werden wir unsere Arbeit gründlich fortsetzen und zu Ende bringen.

RFA: Können Sie uns bereits einige Untersuchungsergebnisse sagen?

Ai: Jetzt im Telefon kann ich Ihnen nichts davon erzählen. Auf meinem Blog werden kontinuierlich Phasenberichte veröffentlicht. Zum Schluss werden wir einen Gesamtbericht herausbringen.

RFA: Ihr Blog wurde auch schon oft blockiert. Haben Sie auch Maßnahmen ergriffen, um dagegen zu protestieren?

Ai: Sina.com hat eigenmächtig meinen Blog blockiert und mich bisher noch nicht davon benachrichtigt. Ich werde wahrscheinlich den rechtlichen Weg einschlagen.

RFA: Was für Vorschläge haben Sie für den chinesischen Internetbenutzer zu der Schwierigkeit der Internetbesuche?

Ai: Ich bin überzeugt, dass niemand das Internet wirklich blockieren kann. Jedes totalitäre Regime hat durch Drohung und Kontrolle seine Macht aufrechterhalten. Ich wünsche, dass jeder standhaft zu seinen eigenen Interessen und Grundrechten stehen und sich gegen die Missachtung wehren kann. Jedes Mal ist Ihre Standhaftigkeit ein Schutz für die Anderen und auch eine Bewahrung der eigenen Würde.

 



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